Islam Studie
Gebildete Muslime müssen häufiger Sozialhilfe beziehen
Die Studie „Muslimisches Leben in Nordrhein-Westfalen“ offenbart: Je gebildeter Muslime sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit Sozialhilfe leben müssen - Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt?
Dienstag, 18.01.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat das nordrhein-westfälischen Arbeits- und Integrationsministerium am Montag die Studie „Muslimisches Leben in Nordrhein-Westfalen“ veröffentlicht. Die Studie widerlegt gängige Vorurteile, offenbart aber auch Probleme, die bisher nicht oder kaum bekannt waren.
Mit der Bildung sinken die Chancen
Ein zentrales Ergebnis ist, dass Muslime in NRW generell eine bessere Schulbildung vorweisen können als der Bundesdurchschnitt. 40 Prozent haben Fachhochschulreife oder Abitur. Auf Bundesebene erreichen 28,5 Prozent der Muslime diese Abschlüsse. Die Studie zeigt aber auch, dass ein höherer Bildungsabschluss nicht zu besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt führt.
Denn je höher der Bildungsabschluss, desto höher die Wahrscheinlichkeit für Muslime, dass sie von staatlichen Transferleistungen abhängig leben müssen. Laut Studie beziehen 17,8 Prozent aller Muslime ohne Schulabschluss Transferleistungen. Muslime mit Hauptschulabschluss weisen eine Quote von 13,9 Prozent auf und Muslime mit mittlerer Reife nur noch 9,3 Prozent. Überraschend ist allerdings, dass über 20 Prozent der Muslime mit Abitur staatliche Leistungen erhalten.
Dies wirft erneut die Frage nach Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt auf. Und muslimische Frauen sind von diesem Phänomen ganz besonders betroffen. Bei ihnen liegt diese Quote sogar bei 29,7 Prozent, wenn sie mindestens ein Abitur vorweisen können. Der Studie zufolge beträgt der Anteil der muslimischen Haushalte, die von Transferleistungen abhängig sind, insgesamt bei 21,6 Prozent.
Schule: Kein Massenphänomen
Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung bezieht sich auf die Teilnahmen an Schulangeboten. Danach nehmen muslimische Schüler signifikant seltener an religionsbezogenen Unterrichtsangeboten teil als christliche Schüler. Allerdings sprechen sich 83 Prozent der befragten Muslime für die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts aus, was auf das fehlende Angebot zurückzuführen ist.
Interessant sind die Ergebnisse der Studie auch in Bezug auf die Teilnahme am gemischtgeschlechtlichen Sport- und Schwimmunterricht, den Sexualkundeunterricht sowie mehrtägige Klassenfahrten. Nur ein kleiner Teil muslimischen Schüler verweigert explizit die Teilnahme an diesen Schulangeboten. Religiöse sowie sonstige Gründe werden kaum genannt. Das von muslimischen Schülern am häufigsten verweigerte Unterrichtsangebot ist die Teilnahme an mehrtägigen Klassenfahrten, an der 3,7 Prozent der muslimischen Schüler aus religiösen oder sonstigen Gründen nicht teilnehmen. „Insgesamt zeigt sich, dass die Verweigerung von Unterrichtsangeboten kein ‚Massenphänomen‘ ist“, so in der Studie.
Bildungsaufstieg im Generationenablauf
Integrationsdefizite zeigen sich vor allem im Bereich der Bildung und der Arbeitsmarktintegration. Über alle Herkunftsländer hinweg weisen Muslime ein signifikant niedrigeres Bildungsniveau als die Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften auf. Dies gilt sowohl bei der Schulbildung im Herkunftsland und Deutschland zusammengenommen als auch bei den Schulabschlüssen in Deutschland. Im bundesweiten Vergleich schneiden Muslime in Nordrhein-Westfalen jedoch relativ gut ab und verfügen über eine höhere Schulbildung als Muslime in ganz Deutschland.
Vergleicht man die Bildungsabschlüsse der Muslime verschiedener Herkunftsregionen, zeigt sich, dass Muslime aus Iran und Süd-/Südostasien ein hohes Bildungsniveau aufweisen. Ein Großteil besitzt die Hochschulreife. Muslime aus der Türkei und dem sonstigen Afrika haben gemessen am Anteil der Personen ohne Schulabschluss ein relativ niedriges Bildungsniveau. Zudem sind bei Muslimen aus der Türkei die niedrigsten Anteile an Hochgebildeten vorzufinden.
Allerdings verlassen Bildungsinländer aller Herkunftsregionen die Schule deutlich seltener als ihre Elterngeneration ohne Schulabschluss. Insofern lässt sich bei den Muslimen aus den untersuchten Herkunftsländern generell ein deutlicher Bildungsaufstieg im Generationenablauf beobachten.
Die Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ kann kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Soziale Kontakte
Auch die Häufigkeit der sozialen Kontakte zu Personen deutscher Abstammung ist höher als allgemein angenommen. Muslime aus allen Herkunftsregionen zeigen eine hohe Bereitschaft zu mehr Kontakt mit Deutschen.
Gut jeder zweite Muslim ist Mitglied in einem deutschen Verein, Verband oder einer Organisation. Dazu gehören zumeist Sportvereine, aber auch Gewerkschaften oder Kulturvereine. Die Mehrzahl verfügt ausschließlich über eine deutsche Vereinsmitgliedschaft. Ein kleinerer Teil ist sowohl in einem deutschen Verein als auch in einem Verein mit Bezug zum Herkunftsland, darunter auch in Deutschland gegründeten Vereinen, organisiert.
Dennoch wohnen 38,9 Prozent der befragten Muslime in einer Gegend, in der der Anteil an Ausländern überwiegt. Das allerdings trügt nicht die Verbundenheit zu Deutschland. 68,9 Prozent der Muslime antworten, sich stark oder sehr stark mit Deutschland verbunden zu fühlen. Mit dem Herkunftsland fühlen sich 63,6 Prozent stark oder sehr stark verbunden. 31,7 Prozent der Muslime antworten, dass sie eine stärkere Bindung Deutschland gegenüber haben als zum Herkunftsland.
Fast die Hälfte aller Muslime sind deutsche Staatsbürger
Laut Studie leben in Nordrhein-Westfalen zwischen 1,3 Millionen und 1,5 Millionen Muslime aus islamisch geprägten Herkunftsländern. Beachtet man, dass in Nordrhein-Westfalen insgesamt rund 18 Millionen Menschen leben, beträgt der Anteil der Muslime an der nordrhein-westfälischen Gesamtbevölkerung zwischen 7 und 8 Prozent. Dies ist anteilig etwas höher als die Quote für ganz Deutschland von rund 5 Prozent.
46,3 Prozent der Muslime in Nordrhein-Westfalen sind deutsche Staatsangehörige. Ihre Zahl beläuft sich auf 566.600 bis 714.100 Personen. Weitere 702.400 bis 771.255 Muslime (53,7 Prozent) haben eine ausländische Staatsangehörigkeit.
Die größte Herkunftsgruppe sind Türkeistämmige mit einem Anteil von 65,3 Prozent. Muslime aus Südosteuropa bilden die zweitgrößte Gruppe, ihr Anteil beträgt 10,8 Prozent. Muslime aus dem Nahen Osten und aus Nordafrika stellen einen Anteil von je 9,0 Prozent. Die restlichen 5,9 Prozent stammen aus Süd-/Südostasien, Iran, dem sonstigen Afrika südlich der Sahara oder Zentralasien/GUS. (es)
Gesellschaft Studien
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@Karl Willemsen,
Finden sie nicht das sie es der damaligen Angebeteten zu verdanken haben, dass sie nicht genug Kraft hatte für sich selbst zu entscheiden? Ich will sie und ihre damalige Freundin nicht belächeln oder ähnliches, aber ich denke die Emanzipation der Muslima liegt zuvörderst in ihren eigenen Händen, sie muss nur stark genug sein, das ganze durchzustehen. Ich weiß wie zynisch sich das anhört, aber eine Frau die von uns unter Druck gesetzt wird, sich zu emanzipieren, wird genau das Gegenteil tun, eine Frau aber die es von sich aus will, wird Berge versetzen. Bildung ist der eine Faktor, Unterstützung der Gesellschaft, nachdem man sich entschlossen hat etwas zu ändern, der andere.
Ich vergleiche es Mal mit einer Situation in einer deutschen Familie, nehmen wir an der Ehemann ist Alkoholiker und die Frau schafft es nicht sich von ihm zu lösen, setzen sie da nicht die gleichen Maßstäbe? Sie helfen einmal, ein zweites Mal und auch ein drittes Mal, aber dann denken sie sich, selbst schuld wenn sie wieder zurück geht. Doch wenn sie ihr geholfen haben und sie schafft es, haben sie dabei geholfen das die nächste Generation Kinder dieser Frau, so etwas gar nicht kennenlernen muss. Heiraten muss man dafür nicht
Ich rede nicht einfach daher, denn zurzeit brennt mir die Hilflosigkeit einer Freundin meiner Tochter auf der Seele. Sie ist Drogenabhängig und lässt sich von einem jungen Libanesen sowas von krass, schlecht behandeln, dass man wirklich am liebsten selbst einschreiten würde. Das Mädchen ist 19 Jahre alt und selbst die Eltern sind Machtlos, weil sie denkt das sei Liebe. Er verpasst ihr Hausarrest, nicht ihre Eltern, er schlägt sie, er erniedrigt sie sexuell und jetzt will sie die Schule schmeissen, weil sie mit sich selbst nicht mehr klar kommt. Wie soll man diesem Mädchen helfen, wenn sie sich nicht helfen lässt? Meine Tochter hat inzwischen Angst, dass sie sich etwas antun könnte und Karl Willemsen, bevor sie zurückschreiben bedenken sie bitte, meine Tochter hat einen Moslem zum Vater der mitunter auch sehr streng sein kann, ihre Freundin ist aber Deutsche und das Elternhaus ein vorbildlicher Fall von Bildungselite. Meine Tochter kapiert was da läuft und würde sich so etwas nie, niemals von einem Kerl bieten lassen. Wo also ist da der Unterschied, woher nimmt mein Kind diese Kraft und warum schafft ihre so frei und intellektuel erzogene Freundin das nicht?
@ BiKer
Das zu der Schlagzeile „nichts einfällt“, ist leider logisch. Denn anders als die Schlagzeile suggeriert geht es im Artikel nicht um gebildete Muslime, die keine Arbeit finden, es werden vielmehr ein Haufen Zahlen in die Runde geworfen – eine Analyse findet leider nicht statt. Ein Anknüpfungspunkt für eine folgende Diskussion ist somit nicht gegeben. Denn das vorliegende Phänomen kann viele Gründe haben und ist in meinen Augen monokausal nicht zu erklären.
Folgende Gründe, die zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit gebildeter Muslime führen könnte fallen mir spontan ein.
1. Diskriminierung – Nicht erklärungsbedürftig.
2. Vitamin B – Die meisten Jobs bekommt man in Deutschland über persönliche Verbindungen (Bekannte/Verwandte), Verbindungen, über die Muslime nicht in dem Maße verfügen wie Deutsche. Leider wird der Artikel hier sehr ungenau („Auch die Häufigkeit der sozialen Kontakte zu Personen deutscher Abstammung ist höher als allgemein angenommen. Muslime aus allen Herkunftsregionen zeigen eine hohe Bereitschaft zu mehr Kontakt mit Deutschen.“ – Mehr in Relation zu was?)
3. Rolle der Frau – Können die gut gebildeten Muslima keine Arbeit finden oder dürfen sie nicht?
4. Kopftuch – Insbesondere im Kunden- und Servicegeschäft ist das äußere Erscheinungsbild wichtig und ich kann mir daher vorstellen, dass viele Arbeitgeber aus diesem Grunde auf die Einstellung einer kopftuchtragenden Muslima verzichten.
Wie stark die einzelnen von mir genannten Faktoren das Phänomen erklären und in welcher Zusammensetzung und Gewichtung sie dieses Phänomen erklären können ist sicherlich schwer abzuwägen (und ohne vernünftige Datenbasis nicht machbar). Vielleicht ein Anknüpfungspunkt für einen ausführlicheren Migazin-Artikel zum Thema? ;-)
Grüße
Bierbaron
Wie ich erfahren habe , ist ein türke(sami sagur) mit 37 jahren in den vorstand von Schlecker einberufen worden.
wenn die qualifikation stimmt, wird niemand ernsthaft wegen seiner herkunft auf dem arbeitsmarkt benachteiligt.
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