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Hendrik Lammers, IBIS, Flüchtlingsberater, Psychologie, Lernförderung
Hendrik Lammers, Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt Migration und Diskriminierung © Privat, bearb. MiG

Auch AsylbLG verfassungswidrig

Sozialleistungen für Flüchtlinge auf dem Prüfstand

Hartz-IV ist verfassungswidrig. Aber was ist mit den Sozialleistungen für Flüchtlinge? Hendrik Lammers kommentiert den aktuellen Stand der Verhandlungen um ein Gesetz, welches Asylsuchende gezielt benachteiligen sollte - das Asylbewerberleistungsgesetz.

Von Montag, 14.02.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.06.2016, 18:42 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Neben den aktuellen politischen Verhandlungen zum Thema Arbeitslosengeld-II (ALG-II), befindet sich auch die Frage nach angemessenen Sozialleistungen für AsylbewerberInnen auf der Tagesordnung der bundesdeutschen Politik.

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„Das Asylbewerber- leistungsgesetz wurde 1993 verabschiedet, um die Lebensbedingungen von Flüchtlingen zu verschlechtern.“

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Abschreckungsinstrument
Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) wurde 1993 verabschiedet, um die Lebensbedingungen von Flüchtlingen zu verschlechtern. Unter der Annahme, die Herabsetzung des Lebensstandards würde bereits in Deutschland lebende Flüchtlinge vertreiben und potentielle Flüchtlinge abschrecken, sollte das AsylbLG als Mechanismus der Zuwanderungsbegrenzung greifen. Durch den erstmaligen Ausschluss einer sozialen Gruppe vom Bundessozialhilfegesetz wurde für Asylsuchende ein Substandard geschaffen. Seitdem gilt, dass der „notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts […] durch Sachleistungen gedeckt“ 1 werden soll. Unter bestimmten Voraussetzungen wird vom Sachleistungsprinzip abgesehen und die Leistungen werden in Form von Gutscheinen oder Bargeld ausgegeben.

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Die Höhe des Satzes nach dem AsylbLG liegt in etwa 1/3 hinter der Höhe des ALG-II-Satzes, dessen Berechnung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe als verfassungswidrig eingestuft worden war. Nach dem Urteil des BVerfG sah sich die Bundesregierung gezwungen nun auch die Versorgung von Asylsuchenden neu zu bewerten. Ende des letzten Jahres bestätigte sie, was längst im Raum stand: Das Gesetz zur Versorgung von Asylsuchenden ist nicht verfassungskonform.

Seit Einführung des AsylbLG war die Höhe der Leistungen nicht an die allgemeine Preissteigerung angepasst worden. Diese weist – wie aus einer Anfrage von Jutta Krellmann (Die Linke) an die Bundesregierung hervor geht – einen Anstieg von 30,8% zwischen November 1993 und Dezember 2010 auf.

„Dieser Logik entsprechend bewähre sich ein Gesetz also, wenn es Deutschland vor Schutzsuchenden schützt.“

Schutz vor Schutzsuchenden
Vergangene Woche Dienstag tagte der Ausschuss für Arbeit und Soziales. Zum einzigen Tagespunkt wurde eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen vor dem Hintergrund eines Gesetzesentwurfes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 2 und einem Antrag der Fraktion Die Linke 3 zur Aufhebung des AsylbLG. Während sich die Sachverständigen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V., des Flüchtlingsrates Berlin, des Rates der Evangelischen Kirche und des Deutschen Caritasverbandes sehr kritisch äußerten und Argumente für die Abschaffung des Gesetzes lieferten, stellten die Sachverständigen der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ihr Verständnis von positiver Wirkung gegenüber. So brachte der Sachverständige des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bspw. den Aspekt der Abschreckung zur Sprache. Er berichtete, es könne ein Zusammenhang zwischen der Attraktivität des Aufnahmelandes durch die Leistungsgewährung und den Asylantragszahlen hergestellt werden. Auf die Frage, ob sich das AsylbLG bewährt habe, fiel die Antwort: „Ja, wenn man davon ausgeht, wie weit sich das Asylbewerberleistungsgesetz auf den Zustrom von Asylbewerbern nach Deutschland auswirkt.“ Dieser Logik entsprechend bewähre sich ein Gesetz also, wenn es Deutschland vor Schutzsuchenden schützt.

Der Sachverständige des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge führte weiterhin an, dass die BRD zukünftig mit einem höheren Zustrom an Asylsuchenden konfrontiert sein werde und eine mögliche Erhöhung der Leistungen einen Pull-Faktor darstellen würde. Tatsächlich sind die Asylantragszahlen seit Einführung des Gesetzes – unter Berücksichtigung leichter Schwankungen – kontinuierlich gesunken, sodass der Verweis auf den derzeitigen leichten Anschwung um einige Tausend AsylantragsstellerInnen weder zur Panikmache noch zur weiteren Rechtfertigung herabwürdigender staatlicher Behandlung ausreicht.

„Mit gutem Grund kann die Frage gestellt werden, ob es mit der Verfassung vereinbar ist, dass die Menschenwürde mit zweierlei Maß bemessen wird.“

Gruppenbezogene Differenzierung
Da mit der Leistungsgrenze beim ALG-II das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum festgelegt wird und der Versorgungssatz für Flüchtlinge dieses Minimum unterbietet, kann mit gutem Grund die Frage gestellt werden, ob es mit der Verfassung vereinbar ist, dass die Menschenwürde mit zweierlei Maß bemessen wird. Die Bundesregierung erklärte zwar in Anlehnung an die Ausführungen des BVerfG zum ALG-II-Urteil die Menschenrechte zum universalistischen Prinzip, zeitgleich verwies sie aber auf die Rechtmäßigkeit der „gruppenbezogene[n] Differenzierung“.

Letzteres lässt sich mit dem Begriff Diskriminierung übersetzen. Denn der Begriff Diskriminierung trifft besser als „gruppenbezogene Differenzierung“, wenn man die gezielte Benachteiligung einer bestimmten sozialen Gruppe meint. Jene „Differenzierung“ hebelt die fundamentale Idee eines menschenwürdigen staatlichen Handelns aus, denn sie unterläuft das folgende, vom Philosophen Jürgen Habermas treffend formulierte, Prinzip: „Die gleiche Menschenwürde eines jeden begründet die Unteilbarkeit aller Menschenrechte“.

  1. AsylbLG § 3 Grundleistungen
  2. BT-Drucksache 17/1428
  3. BT-Drucksache 17/4424
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  1. Simsirpasic S. sagt:

    mit Ihrer Forderung nach Abschaffung des AsylbLG stellen Sie die Grundkonzeption dieses Gesetzes infrage und begründen dies mit „einem diskriminierenden Ausschluss von Asylsuchenden aus der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende“. Für eine solche Diskriminierung kann ich keine Anhaltspunkte erkennen; denn unser Asylrecht in Deutschland, das unser Grundgesetz im Übrigen als eine von wenigen Verfassungen der Welt jedem politisch Verfolgten gewährt, verfolgt einen ganz anderen Zweck als unser Sozialhilferecht. Kerngedanke des AsylbLG ist es, die Leistungen für Asylbewerber gegenüber der Sozialhilfe zu vereinfachen und auf die Bedürfnisse eines, in aller Regel nur vorübergehenden, Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland abzustellen. Wir sprechen hier von Asylbewerbern, die einen Asylantrag gestellt haben und sich bis zur Entscheidung über diesen Antrag bei uns aufhalten dürfen. …

  2. Karl Willemsen sagt:

    “Dieser Logik entsprechend bewähre sich ein Gesetz also, wenn es Deutschland vor Schutzsuchenden schützt.”

    Erscheint eigentlich auch mal ein Artikel im Migazin darüber, wievielen Millionen Schutzsuchenden™ D in den vergangenen 60 Jahren bereits Schutz gewährt hat und wieviele Milliarden der deutsche Steuerzahler dafür bereits auf den Tisch gelegt hat? Oder zb. das D in den 90ern mehr jugoslawische Flüchtlinge aufgenommen hat, ALS DER REST DER WELT ZUSAMMEN? … wahrscheinlch erst am 31.02. – also nie!

    PS: In Dänemark gibt es Sozialhilfe für Zuwanderer erst nach sieben Jahren legalem Aufenthalt. 14.000 Euro muss als Versorgungs-Reserve vorweisen, wer ein Familienmitglied nachholen will, das aber nicht älter als sechzig Jahre sein darf. Einen Pass gibt es frühestens nach acht Jahren, aber nur dann, wenn niemals Transfers beansprucht wurden.

  3. Leon sagt:

    Leider wir in dem Artikel nicht erwähnt, dass anerkannte Asylbewerber den vollen Regelsatz des ALG-II erhalten.

  4. Pragmatikerin sagt:

    Ich bin der Meinung, dass Flüchtlinge,welche durch Ihre Flucht versuchen Leib und Leben zu retten unseren Respekt verdient haben. Sekundär sollte diesen Menschen – erstmal – eine sichere Bleibe und Schutz vor weiterer Verfolgung gewährt werden. (Aber keinen Wirtschaftsflüchtlingen, die sich hier nur ein besseres sozialeres Leben als in ihrer Heimat erhoffen.)

    Was ich nicht gut heisse ist, dass nach Überprfüfung des Asylstatus auf Steuerzahlerkosten prozessiert wird ohne Ende. Ein Flüchtling, der hier die Möglichkeit hat, sich neu zu orientieren und ein Land findet, welches seiner vorherigen Lebensweise entspricht, sollte nicht darauf bestehen und auch keine Gelegenheit erhalten, in Europa oder Deutschland bleiben zu können.

    Natürlich sehe ich es auch so, dass es in muslimischen Länder im Augenblick schwierig ist, auf Dauer zu leben.

    Wir haben aber auch ein befristetes Aufenthaltsrecht!!!!!! Die Schutzsuchenden haben also Gelegenheitz solange in Europa oder Deutschland zu bleiben, bis die Gefahr für sie gebannt ist. Was wir aber in Deutschland immer wieder erleben ist, dass Flüchtlinge – z.B. aus dem Jugowslawien-Krieg – ein Gewohnheitsrecht herleiten, nur weil sie viele Jahre hier in Deutschland geduldet wurden. Das mus aufhören! Da gehören unsere Gesetze geändert dahingegehen, dass diese Leute kein Einspruchsrecht auf „Verlassen der Bundesrepublik Deutschland“ mehr haben, wenn sie gefahrlos wieder in Ihr Land zurückkehren können.

    Ich bin in jedem Fall dafür, das geschundenen und hilflosen Menschen unbedingt geholfen werden muss – aber nicht auf Dauer!!!!!!

    Pragmatikerin