Paradigmenwechsel
Kommunale Integrationspolitik
Seit Kurzem ist ein Paradigmenwechsel in der kommunalen Integrationspolitik zu beobachten. Dessen zentrales Merkmal ist ein neuer Konsens über die "Faktizität der Einwanderung" und die Unumgänglichkeit, die volle Integration von Eingewanderten mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht anzustreben.
Von GastautorIn Donnerstag, 17.02.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.07.2011, 3:46 Uhr Lesedauer: 19 Minuten |
Einleitung
Kommunale Ausländerpolitik ist die Gesamtheit der Interventionen, die Kommunalbehörden mit dem Ziel initiieren, koordinieren oder implementieren, den Herausforderungen zu begegnen, welche die Ansiedlung von Eingewanderten für den geregelten Zustand der örtlichen Gemeinschaft mit sich bringt. Bundesdeutsche Kommunen haben diese Aufgabe mehrere Jahrzehnte lang auf einer Ad-hoc-Basis erfüllt, dabei mit neuen Maßnahmen experimentiert und das Spektrum der deutschlandweit genutzten Interventionen und Organisationsformen Schritt für Schritt ausgeweitet. Bis in die 1990er Jahre hinein wurden auf diese Weise umfangreiche Politikerfahrungen akkumuliert, doch die politischen Maßnahmen variierten hinsichtlich Intensität, Zielen, Instrumenten und Organisationsstrukturen von Ort zu Ort.
Seit Kurzem ist in den nationalen Rahmenbedingungen für kommunale Integrationspolitik und in deren Organisation ein Paradigmenwechsel zu beobachten. Dessen zentrales Merkmal ist ein neuer Konsens über die „Faktizität der Einwanderung“ und die Unumgänglichkeit, die volle Integration von Eingewanderten mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht anzustreben. 1 Erst jetzt können wir von einer deutschlandweiten kommunalen Integrationspolitik im eigentlichen Sinne sprechen.
Diese neue Herangehensweise wurde durch vier „Innovationsschritte“ auf Dauer gestellt. 2 Den Beginn machte die Reform des Ausländergesetzes im Jahr 1990, durch die einige Eingewanderte erstmals einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung erlangten. Die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahr 2000 hob das ius sanguinis-Prinzip als Grundlage der Staatsbürgerschaft auf. Die dritte Innovation war das Zuwanderungsgesetz, das 2005 in Kraft trat. Damit wurde Integration explizit als ein neues bundespolitisches Ziel definiert und der Bundesregierung erstmals eine direkte Zuständigkeit für die Integration zugewiesen. Der Integrationsgipfel 2006 und der darauf folgende Nationale Integrationsplan, der die ersten nationalen Leitlinien für kommunale Integrationspolitik enthielt, komplettierten diese Entwicklung. 3
Ein weiterer Aspekt des Paradigmenwechsels umfasst Maßnahmen zur Modernisierung der Verwaltung, die wiederum hierarchische und interaktiv-kooperative Komponenten aufweisen. Die hierarchischen Aspekte gehen auf die Hoffnung zurück, dass die Bundesregierung Instrumente zentraler Planung und Steuerung nutzen kann, um die Integrationsergebnisse deutlich zu verbessern. Dem entspricht auf kommunaler Ebene ein gewachsenes Interesse an der Anwendung von Techniken der Sozialplanung und des New Public Management (NPM) in der Integrationspolitik. 4 Diese Ideen räumen einer konkreten Zielsetzung, Produktorientierung und Programmevaluation einen zentralen Stellenwert ein und betonen Techniken der Verbesserung von Wissen durch die Nutzung statistischer Indikatoren, die Verbreitung von best practices und Netzwerkbildung. Den Städten und Gemeinden wird empfohlen, Integration als „Querschnittsaufgabe“ zu begreifen, die zentral koordiniert und in einen umfassenden Integrationsplan eingebettet werden muss. Dieser Sinneswandel zeigt Wirkung: Kommunale Integrationspolitik ist heute erkennbar stärker standardisiert als früher. 5
In den 1980er Jahren verfügte gerade eine Handvoll von Städten über umfassende Integrationspläne, und bis Ende der 1990er Jahre dürfte München die einzige Stadt gewesen sein, die NPM-Techniken systematisch für integrationspolitische Ziele eingesetzt hat. Heute verfügen dagegen fast alle größeren Städte über einen kommunalen Integrationsplan. Der Einsatz von NPM-Techniken wird im Nationalen Integrationsplan ausdrücklich empfohlen, und der Aufbau von NPM-Strukturen wird öffentlich gefördert. 6 Obwohl vermutlich viele Kommunen die Effizienz ihrer integrationspolitischen Interventionen durch verbesserte Steuerungsmechanismen steigern können, steht der allgemeine Steuerungsoptimismus in einem „merkwürdige(n) Kontrast zum (…) politikwissenschaftlich konstatierten Wandel von Steuerung und ‚Governance'“. 7 In den 1970er Jahren hatten regulative Interventionen in anderen Politikfeldern oft enttäuschende Resultate gezeitigt. Der neue Steuerungsoptimismus in der Integrationspolitik läuft Gefahr, aus demselben Grund enttäuscht zu werden: Komplexe und diversifizierte soziale Systeme entziehen sich häufig dem Einfluss zentraler Behörden.
Die interaktiv-kooperative Komponente zeigt sich darin, dass Kommunalbehörden in zunehmendem Maße daran interessiert sind, Eingewanderte und Immigrantenorganisationen als Koproduzenten kommunaler Leistungen einzubeziehen und sie an den entsprechenden Entscheidungen zu beteiligen. Damit öffnen sie ihnen spezifische Einflusskanäle neben den formalen Strukturen der repräsentativen Demokratie. Diesen Trend kann man als Teil eines weltweiten Bedeutungsgewinns zivilgesellschaftlicher Organisationen für die Bereitstellung kommunaler Güter und Dienstleistungen deuten. In solchen Konstellationen wechseln Bürger von der Konsumenten- in die Produzentenrolle, indem sie kooperativ und interaktiv mit staatlichen Behörden und Agenturen zusammenarbeiten. 8 In Deutschland wird dies in theoretischen Diskursen über Bürgerkommune, Hilfe zur Selbsthilfe, dialogorientierte Problemlösungen und kooperative Demokratie thematisiert. 9
- Vgl. Dieter Filsinger, Die Entwicklung der kommunalen Integrationspolitik und Integrationspraxis der neunziger Jahre, in: IZA. Zeitschrift für Migration und soziale Arbeit, (2002) 2, S. 16; Hartmut Häußermann/Andreas Kapphan, Integrationspolitik der Städte – ein Paradigmenwechsel, in: Michael Bommes/Marianne Krüger-Potratz (Hrsg.), Migrationsreport 2008, Frankfurt/M. 2008, S. 42.
- Vgl. Klaus Bade, Versäumte Integrationschancen und nachholende Integrationspolitik, in: ders./Hans-Georg Hiesserich (Hrsg.), Nachholende Integrationspolitik und Gestaltungsperspektiven der Integrationspraxis, Göttingen 2007.
- Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Der Nationale Integrationsplan, Berlin 2007.
- Vgl. Frank Gesemann/Roland Roth, Kommunale Integrationspolitik in Deutschland – einleitende Bemerkungen, in: dies. (Hrsg.), Lokale Integrationspolitik in der Einwanderungsgesellschaft, Wiesbaden 2009, S. 13f.; Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt), Management kommunaler Integrationspolitik. Bericht Nr. 7/2005, Köln 2005.
- Vgl. Michael Bommes, „Integration findet vor Ort statt.“ Über die Neugestaltung kommunaler Integrationspolitik, in: ders./M. Krüger-Potratz (Anm. 1), S. 165.
- Vgl. F. Gesemann/R. Roth (Anm. 4); Förderkonzept 2010. Innovation in der kommunalen Integrationsarbeit – eine Förderung durch das Land Nordrhein-Westfalen, online: www.mags.nrw.de/08_PDF/003_Integration/
s004_foerderbereiche/foerderungen_kommune_01_foerderkonzept_komm-in.pdf (4.1.2011). - Sigrid Baringhorst/Uwe Hunger/Karen Schönwälder, Staat und Integration. Forschungsperspektiven zur politischen Intervention in Integrationsprozesse von MigrantInnen, in: dies. (Hrsg.), Politische Steuerung von Integrationsprozessen. Intentionen und Wirkungen, Wiesbaden 2006, S. 18.
- Vgl. Lester Salamon, The Rise of the Nonprofit Sector, in: Foreign Affairs, 73 (1994) 4, S. 109-122; Adil Najam, The Four-C’s of Third Sector-Government Relations, in: Nonprofit Management and Leadership, 10 (2000) 4, S. 376-396.
- Vgl. Jörg Bogumil/Lars Holtkamp/Gudrun Schwarz, Das Reformmodell Bürgerkommune, Berlin 2003; Jörg Bogumil/Lars Holtkamp/Leo Kissler, Kooperative Demokratie, Frankfurt/M. 2006.
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@ migazin
mehr solcher fundierter beiträge bitte. der autor geht mir zu unkritisch vor, aber besser als oberflächliches gesülz.
In anderen Ländern integrieren sich die Menschen von alleine in ihre Nachbarschaft.
Bei uns wird erwartet, dass wir betteln gehen und ordentlich Kohle locker machen, auf dass sich die Einwanderer mit muslimischem Hintergrund doch bitte integrieren mögen.
Wir haben die falschen Leute in unser Land gelassen. Eindeutig.
@ all
Ich habe es versucht……
Jedoch Diskutieren geht anders und freie Meinungsäußerung auch meint
Pragmatikerin
Bye>>>>>>>>>>>
So kompliziert, wie hier glauben gemacht werden soll, ist es garnicht.
Solange Moslems gegenüber den Aufnahmegesellschaften u.a an ihren Heiratsregeln festhalten, laufen alle Integrationsprogramme ins Leere. Diese Regel sagt mit entwaffnender Dreistigkeit im Endeffekt folgendes:
“ Wir können Eure Frauen heiraten, unsere sind für Euch tabu.“