EU-Marathon der Türkei
Erdogan in Deutschland. Fluch oder Segen?
Erdogan in Deutschland. Was bleibt? Neben einem weiteren Integrationsbekenntnis, vor allem, die Litanei an ausufernder Kritik und das dumpfe Gefühl, dass Erdogans Auftritt der Integration der Türken in Deutschland und dem EU-Beitrittprozess der Türkei geschadet haben könnte.
Von Hakan Demir Freitag, 04.03.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 25.11.2011, 22:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Drei Jahre lag der letzte Besuch Erdogans zurück, da kehrte der türkische Ministerpräsident selbstbewusst – seiner wirtschaftlichen und politischen Erfolge völlig gewahr – nach Deutschland zurück. Am Montag hielt er eine polarisierende Rede in Düsseldorf, die sich im Wesentlichen nicht von der vorigen unterscheidet. Er warnte – wie gewohnt – vor Assimilation, vor Ausländerfeindlichkeit und bekannte sich zur Integration.
„Die Beitrittsverhand- lungen mit der Türkei beenden, solange die Türkei die Religionsfreiheit nicht achte.“
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Deutsche Politiker entrüstet!
Fast einhellig ist die Meinung – sogar parteiübergreifend – deutsche Politiker von Rang und Klang zeigen sich entrüstet über die Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan.Was war jedoch geschehen? Hatte Erdogan etwa die Bürgerinnen und Bürger mit türkischer Zuwanderungsgeschichte zur Illoyalität oder zu verfassungswidrigen Handlungen gegen Deutschland angestachelt oder gar aufgerufen, verstärkte Lobbyarbeit zugunsten des EU-Beitritts zu betreiben? Nein, der Streit entbrannte an seiner Äußerung, dass türkische Kinder zuerst Türkisch und dann Deutsch lernen sollen! So fühlte sich etwa Unions-Fraktionschef Volker Kauder auf den Plan gerufen. Seine Forderung: Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden, solange die Türkei die Religionsfreiheit nicht achte.
„Die erneute dogmatische Haltung gegen den Türkeibeitritt dürfte das „C“ in der CDU wieder mehr in den Vordergrund rücken und in den kommenden Landtagswahlen, die eine oder andere Stimme einbringen.“
Herr Kauder kommt jedoch gute sechs Monate, vielleicht sogar fünf Jahre zu spät. Denn seit 2006 geht es in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ohnehin nicht mehr weiter, allein in den letzten sechs Monaten wurde kein weiteres Kapitel – von insgesamt 35 – eröffnet. Folglich darf man Kauders Kritik als kleine Wahlkampfparole werten. Die erneute dogmatische Haltung gegen den Türkeibeitritt dürfte das „C“ in der CDU wieder mehr in den Vordergrund rücken und in den kommenden Landtagswahlen, die eine oder andere Stimme einbringen.
Der Türkei-Experte der FDP-Bundestagsfraktion Serkan Tören kritisiert derweil Kauders Äußerungen scharf, bezeichnet sie als populistisch und verweist auf den Koalitionsvertrag. Sich mit Blick auf die angeblich mangelnde Religionsfreiheit in der Türkei für einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen auszusprechen, entspreche in keiner Weise dem Koalitionsvertrag. In diesem Zusammenhang müsse Kauder auch die Situation der muslimischen Minderheiten in Griechenland erwähnen.
Erdogan als Wahlkämpfer in Deutschland?
Die Parlamentswahlen in der Türkei finden am 12. Juni 2011 statt, sodass man Erdogans Auftritt in Deutschland allein vor diesem Hintergrund interpretieren könnte. Denn 1,3 Mio. in Deutschland lebende türkische Wähler dürften wählen, wenn sie denn auf türkischem Boden wären. Bundeskanzlerin Merkel hatte derweil Grünes grünes Licht für den Vorschlag des türkischen Ministerpräsidenten gegeben, in Deutschland lebenden Türken die Stimmabgabe in türkischen Konsulaten und in der türkischen Botschaft zu ermöglichen. Allerdings hat der Vorsitzende der Wahlkommission (YSK) in der Türkei Ali Em – türkischen Zeitungsberichten zufolge – keine solche Anfrage von der türkischen Regierung erhalten. Ali Em erklärte weiter, dass die Stimmabgabe im Ausland in den dort ansässigen Konsulaten erst zu den nächsten Wahlen stattfinden könne. Erdogan als Wahlkämpfer in Deutschland? Folglich, nein!
„Kommissionspräsident Barroso hatte bereits vor den Beitrittsverhand- lungen in 2005 die Türkei aufgefordert, die Köpfe und Herzen der Menschen in Europa zu gewinnen.“
Schadet Erdogans Auftritt dem EU-Beitrittsprozess der Türkei?
Der SPD-Politiker Martin Schulz erklärte, dass Erdogans Politik für einen Beitritt der Türkei sicherlich kontraproduktiv sei. Dem mag man beipflichten. Während Erdogan im Nahen und Mittleren Osten zu den beliebtesten Politikern zählt, hat er in Europa seit Jahren einen schweren Stand. Dies liegt an seinen patriotischen Auftritten in Europa, teils an der allgemeinen Ablehnung eines EU-Beitritts sowie an der kulturellen Verschiedenheit der Türkei. Kommissionspräsident Barroso hatte bereits vor den Beitrittsverhandlungen in 2005 die Türkei aufgefordert, die Köpfe und Herzen der Menschen in Europa zu gewinnen. Wann und ob dies gelingt, bleibt auch in Zukunft mehr als fraglich. Aktuell Meinung
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Nur mal so nebenbei zu den hier gewählten nicknames:
Kosmopolit ist kein Kosmopolit, Eurpa hat wenig Sinn für Europa, Pragmatikerin ist unpragmatisch, Realist unrealistisch … Hab ich jemand vergessen? –
Da zeigt sich ein interessantes Muster. Die Damen und Herren genieren sich ihrer eigenen Wirklichkeit und verstecken sie hinter einem schönen Namen, dessen sie nicht würdig sind. Erinnert an Orwells 1984: Newspeak. Krieg ist Frieden …
Ich überleg mir, ob ich nicht demnächst mit dem nick „Islamkritiker“ hier auftreten soll.
—
Leser,
Sie haben einfach recht. Glücklicherweise ist das, was Boli oder der antikosmopolitische Kosmopolit, der assimilierte Schneider und der schiefe Leon vorbringen, einfach nur missgünstiges Gewäsch – und für unser praktisches Leben ohne Bedeutung.
Eigentlich ist es ein Kompliment für die Türkei oder Ägypten, wie diese Herren diese zwei Länder schon auf Augenhöhe mit Deutschland sehen. In solchem eins-zu-eins-Vergleich haben natürlich die Türkei und noch mehr Ägypten einiges aufzuholen, aber das ist nur eine Frage der Zeit. In dreißig Jahren sind sie Deutschland vielleicht schon überlegen!
Die Türkei und Ägypten entwickeln sich rasant in die richtige Richtung. Deutschland wird eher misslauniger und vor allem barbarischer. Sarrazin meinte sogar: Deutschland verblödet. Hat er seine eigenen Fans damit gemeint?
@Leser
“sowie meinen Vätern und Großvätern, die einst dieses Land ab 1961 MIT aufgebaut haben”
Also du darfst jetzt aber nicht wieder den typischen Fehler machen und glauben die Türken hätten den Deutschen geholfen ihre vom krieg zerstörten Häuser wieder aufzubauen. Da irrst du leider sehr. Als die Türken 1961 ankamen war schon alles aufgebaut und man brauchte “nur” noch Gatsarbeiter um die Fabriken ans laufen zu kriegen. ich will damit nciht behaupten, dass ihr Deutschland nicht hilfreich wart, aber die Drecksarbeit haben die Trümmerfrauen erledigt und nicht die Türken. Sonst hätten die Deutschen ja in der Zwischenzeit von 1945 bis 1961 in Ruinen gelebt haben müssen. Kann sein dass türkische Zeitungen das Heute ein bisschen anders darstellen wollen, so ist es aber nicht.
“Um mal auf das Thema des vorliegenden Artikels zurück zu kommen, finde ich gut, dass Erdogan gesagt hat, dass WIR uns nicht assimilieren sollen, jedoch integrieren! Denn ich gebe ungern meine ursprüngliche Herkunft und Kultur gegenüber solchen Leuten wie sie auf, die mich vllt. als Deutschen mit türkischem Migrationshintergrund formell wahrhaben, letztlich trotz dieser Tatsache ein lebenlang als TÜRKE deklarieren werden, wenn ich Sie mal auf der begegne.”
Also ich versuche dich zu verstehen: Du willst nicht Deutscher werden weil du von den Deutschen niemals als Deutscher akzeptiert werden wirst und deshalb berufst du dich jetzt auf die Worte Erdogans und glaubst, indem du dich deinen türkischen Wurzeln zuwendest und assimilation als Verbrechen gegen die Menschheit verurteilst, dass du dann eher akzeptiert wirst? Verkürzt willst du uns damit doch nur klar machen, dass IHR der Meinung seid: “Einmal Türke, immer Türke”
“genauso wie die seit 2001 deutlich spürbare, von den Medien angestachelte Islamphobie.”
leider darf ich dir hierauf nicht antworten da mein Beitrag sonst nicht online gehen würde.
@Realist:
„Also du darfst jetzt aber nicht wieder den typischen Fehler machen und glauben die Türken hätten den Deutschen geholfen ihre vom krieg zerstörten Häuser wieder aufzubauen.“
Die Wortwahl war unglücklich gewählt. Ich bitte um Entschuldigung und gebe Ihnen selbstverständlich in dieser Sache recht.
„Also ich versuche dich zu verstehen: Du willst nicht Deutscher werden weil du von den Deutschen niemals als Deutscher akzeptiert werden wirst und deshalb berufst du dich jetzt auf die Worte Erdogans und glaubst, indem du dich deinen türkischen Wurzeln zuwendest und assimilation als Verbrechen gegen die Menschheit verurteilst, dass du dann eher akzeptiert wirst? Verkürzt willst du uns damit doch nur klar machen, dass IHR der Meinung seid: “Einmal Türke, immer Türke”
Es hat wirklich nichts damit zu tun, was ich sagen, beweisen oder können muss, um von der überwiegenden Anzahl der sesshaften Bevölkerung als „Deutscher“ angesehen zu werden. Denn Deutscher bin ich (rein formell gesehen). Das sichert mir zumindest das „wichtigste Dokument unseres demokratischen Selbstverständnisses und die freiheitlichste Verfassung, die Deutschland in seiner Geschichte je hatte“ (Prof. Dr. Norbert Lammert) zu (vgl. Art. 116 GG). Dennoch werden Sie doch trotz dieser Tatsache nicht denken, wenn Sie mich auf der Straße von weiten sehen (schwarze kurze Haare, dunkler Teint), dass ich Deutscher im engeren Sinne bin, geschweige denn „soweit“ in diese Gesellschaft integriert bin, dass Sie vor sich nicht evtl. (!) einen straffälligen Jugendlichen, arbeitslosen Deutschlandhasser sehen, sondern einen angehenden Mediziner, Lehrer oder Juristen, der ein Teil dieser Gesellschaft sein möchte, es aber nie so richtig wird. Ich scheide ja schon allein am Aussehen aus (um es jetzt mal banal auszudrücken). Deshalb halten viele wir ich, dass nehme ich jetzt mal an, an ihrer „Herkunft“ fest.
Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen…Meine eigentliche Message besteht bzw. bestand darin, dass ich mich für ein gemeinsames Zusammenleben ausspreche (mit allen dazugehörigen geregelten Faktoren).
Wie einst Martin Luther King sagte: „I HAVE A DREAM“ …
Ich verstehe abseits von Integration die Assimilation neben der häufigen Interpretation der Aufgabe der eigenen kulturellen Identität als Anpassung an das Land (hier: Deutschland) durch z.B. Erlernen der Sprache, Verinnerlichung herrschender Werte und Normen, sich anpassen an kulturelle Gegebenheiten et cetera pp.
@Loewe:
„Sarrazin meinte sogar: Deutschland verblödet. Hat er seine eigenen Fans damit gemeint?“
Eine gute Frage…
“genauso wie die seit 2001 deutlich spürbare, von den Medien angestachelte Islamphobie.”
leider darf ich dir hierauf nicht antworten da mein Beitrag sonst nicht online gehen würde.“
Das auch der Islam von Menschenhand LEIDER nicht mit dem Reinen gewaschen wird, ist mir ebenso bewusst. Ich kann mir vorstellen, worauf Sie hinaus wollen….Aber da wären wir nach einer Runde Riesenrad am gleichen Standpunkt
„Er war’s….Nein er….Du bist schuld, nein du…“