Lamyas Welt
Bitte belegen Sie Ihre Islam-These, Herr Friedrich!
Wenn jemand die These aufstellt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, aber nicht erklärt, warum, bleibt diese These als reine Behauptung im Raum stehen. Behauptungen sind unbelegte Aussagen – nicht mehr. Verkauft werden sie der Bevölkerung aber als Grundwahrheit.
Von Lamya Kaddor Montag, 07.03.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.03.2011, 3:11 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Hans-Peter Friedrich schaffte das, was vor einiger Zeit auch der niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan und dem Bundespräsidenten Christian Wulff gelang: Er sorgte gleich nach Amtsantritt für Aufregung, weil er „Islamisches“ ansprach. Friedrich dürfte allerdings einen Zeitrekord aufgestellt haben, denn er verkündet noch am gleichen Tag: „Aber dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt.“ Wie schon in den anderen beiden Fällen nimmt der Rückgriff auf das Stichwort „Islam“ auch diesmal wieder Dimensionen an, die unser Land der Dichter und Denker im Grunde ad absurdum führen.
Aus den inzwischen bekannten Richtungen gibt es viel Lob für Friedrich, aus den anderen viel Schelte. Das Pingpong-Spiel geht in eine neue Runde. Politiker aller Parteien tadelten den Bundesinnenminister. Islamische Interessensverbände kritisierten ihn scharf, darunter auch der Liberal-Islamische Bund (LIB). Binnen kurzer Zeit erreichten mich und den LIB daher zahlreiche Emails, alle mit ein und derselben Stoßrichtung – hier eine kleine Auswahl:
„Sehr geehrte Frau Kaddor, solange sich Muslime mit Sprengstoff bepackt inmitten unschuldiger Frauen und Kinder im Irak/Afghanistan feige in die Luft sprengen, wird der Islam nicht zu Deutschland gehoeren. Deutschland ist von seiner Kultur und Geschichte her das Land der Dichter und Denker, aber nicht das Land der Kopftuch-und Burkafetischisten.“
„guten abend. schön wärs, wenn der der islam da bliebe – wo er hingehört…in seinem ursprungsland. man hat hier einfach keine zeit für solche hirngespinnste und unfug derengleichen !!!!!“
„da kann der lib noch so viel kreide fressen. das gesindel kommt nach deutschland, setzt sich in das von deutschen gemachte nest und plündert die sozialsysteme. muslime- denkt an zenta.“
„Hey Moslems, wenn es euch in Deutschland nicht gefällt haut doch einfach wieder ab. Verschwindet dahin wo ihr oder eure Eltern hergekommen seid.“
Die Einseitigkeit und Ähnlichkeit des „Denkens“ ist verblüffend. Geht es um diese Leute, Herr Friedrich? Will man diese bedienen? Will man wirklich deren Wählerstimmen einfangen? Man darf übrigens davon ausgehen, dass alle anderen Kritiker des Friedrich’schen Diktums ähnliche Reaktionen erreicht haben – vor allem wenn sie bekennende Muslime sind.
Ein Grund für die Irrgänge der Islamdebatte liegt darin, dass ständig etwas vergessen wird: Derjenige, der eine These in den Raum wirft, sollte diese zunächst belegen. Erst so wird die Basis für eine sachliche Diskussion geschaffen, und demokratische Politiker mit Verantwortungsgefühl dürften nur daran Interesse haben. Wenn also jemand die These aufstellt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, aber nicht erklärt, warum (der bloße Verweis auf eine christliche „Leitkultur“ reicht nicht aus, unser christliches Erbe in Deutschland ist zwar eine Tatsache, schließt aber die Zugehörigkeit des Islam nicht aus!), bleibt diese These als reine Behauptung im Raum stehen. Behauptungen sind unbelegte Aussagen – nicht mehr. Verkauft werden sie der Bevölkerung aber als Grundwahrheit – man konstruiert sozusagen eine Realität. Es bleibt somit selbstverständlich, die Unwissenheit jenes selbst erfundenen Berufszweigs der sogenannten Islamkritiker und ihrer politischen Profiteure nicht nur zunächst weiter festzustellen, sondern sie herauszufordern. Ich würde mir wünschen, dass sie zunächst einmal belegen, wieso der Islam nicht zu Deutschland gehört und wie mit den Allseits bekannten historischen Einflüssen des (islamischen) Orients in Wissenschaft, Musik, Literatur, Philosophie, Religion oder Politik zu verfahren ist?
Damit scheint es vorerst allerdings nichts zu werden. Man greift lieber weiter in die Mottenkiste der Rhetorik – jüngstes Beispiel der Journalist und Intellektuelle Matthias Matussek. Auch Matussek ist nur in der Lage, eine Behauptung aufzustellen. Die Mühe, seinen Lesern zu erklären, warum der Islam nicht zu Deutschland gehört, macht er sich nicht. Was ihn aber nicht davon abhält, genau das ausgerechnet von den Kritikern Friedrichs zu verlangen – selbst wenn es sich wie in meinem Fall nur um ein kurzes Statement handelt:
„Die Vorsitzende des liberal-islamischen Bundes wird schon orientalisch-bunter. Sie verteidigt die Ehre. Sie nennt die Ministeraussage eine „Ohrfeige ins Gesicht der Muslime“ und hält sie für „politisch wie historisch falsch“. Und wie wäre es, historisch, richtig? Fehlanzeige.“
Und statt des für Matussek so wichtigen ultimativen Beweises, fällt dem ehemaligen Chef des Kulturressorts beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL nichts weiter ein, als Folgendes:
„Sagen wir es so: Ich habe einige muslimische Freunde. Trotzdem gehört der Islam nicht zu Deutschland, geschichtlich, er gehört nicht in unsere historisch-religiöse DNA, denn die ist, allen Unkenrufen zum Trotz, immer noch christlich.“ Aktuell Meinung
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@pinetop
„Eine Religion, die fordert, dass von Menschen gemachte Gesetze den göttlichen Gesetzen untergeordnet sind. Wie stellen Sie sich die Integration einer Religion vor, die für Abtrünnige den Tod fordert? Glauben Sie wirklich einer demokratischen und offenen Gesellschaft damit einen Dienst zu erweisen?“
Das ist das typische Stammtischgerede und eine Scheindebatte. Es erreicht die Leute, die es betrifft, gar nicht. Im Ernst, kennen Sie persönlich Muslime im In- und Ausland, die göttliche Gesetze fordern? Kann man auch gar nicht, wenn man nur all-inclusive Urlaub in Ägypten oder Tunesien macht und auch hier einem Dialog mit Andersgläubigen besser aus dem Weg geht.
Auch wenn bei manchen gläubigen Muslimen die individuelle Freiheit weniger ausgeprägt sein mag, ist jedoch die Fürsorge und der Zusammenhalt in der Familie, für Freunde und Nachbarn bestimmend für das Zusammenleben. Warum ist das für unsere offene, demokratische Gesellschaft schädlich ?
Ich fühle mich bei einem großzügigen Muslim eher zu Hause als einem frustrierten, menschenfeindlichen deutschen Kleinbürger.
Wir wollen dann mal festhalten: Nach Herrn Friedrich gehören Rassismus, Antisemitismus und Nationalsozialismus zu Deutschland. Diese Ideologien haben schließlich das Nachkriegsdeutschland entscheidend geprägt.
@aloo masala
gratuliere, auf den punkt gebracht, die übliche rassismuskeule gefunden
deutschland besitzt eine über 1000jährige geschichte aus der hervorragende menschen hervorgingen, vom komponisten bis hin zum genius einsteins
worauf reduzierst du sie wieder, auf ein paar jährchen
danke für die keule, aber die trifft nicht mehr
@ Arabeska,
es ist Ihr gutes Recht vor den Tatsachen Augen und Ohren zu verschließen und Andersdenkende mit dem Vorwurf des Stammtischs zu bedenken. Ich möchte mich deshalb nur mit dem Hinweis begnügen, dass vor einem Jahr ein bekennender Atheist im Iran hingerichtet wurde.
Da für Sie persönliche Gespräche eine größere Bedetung zu haben scheinen als religionskritische Auseinandersetzungen möchte eine anschließende Bemerkung machen. Ich schätze Menschen, die sich bewußt sind, dass Wissen fehlerhaft sein kann und die Dogmen jeder Art einer ständigen kritisch-rationalen Überprüfung aussetzen.
In persönlichen Gesprächen mit Moslems erlebte ich immer wieder, dass mein Bekenntnis zur Gottlosigkeit eine geradezu mit Händen zu greifende Verachtung oder gar Hass zu Folge hatten.
@ Einstein wurde aber von den Deutschen aus Deutschland vertrieben…
@MoBo
Er wurde von den Nazis aus Deutschland getrieben! Das waren zwar Deutsche, aber nicht jeder Deutsche war ein Nazi.
@mobo, das habe ich nie bestritten, ich sagte hervorgebracht oder ?
das die braunen idioten diese menschen verjagten mit ihrem hass ist absolut nicht hinnehmbar, und trotzdem auch diesen zeiten wurden genies geboren siehe w.v. braun der letzlich das nasa-programm voranbrachte sowie diverse andere persönlichkeiten
deswegen aber keine reduzierung auf immer nur diese jahre
@ Thomas: warum „immer“ reduzieren, das ist das erste mal im Migazin, dass ich es mal anspreche. ich finde es nur schwierig sich mit Namen schmücken zu wollen, die das eigene Volk aus dem Land getrieben hat.
Ich finde es überflüssig auf so eine Debatte einzugehen und ständig darüber zu reden, ob der Islam zu Deutschland „gehört“ oder „nicht gehört“.
Diese ganzen Verbände, die nur eine Minderheit von Muslimen repräsentieren, und denen kein einziger muslimischer Theologe vorsitzt, sondern lauter Ingenieure, Juristen, Politologen und Zahnärzte, sollten bei solchen Aussagen, einfach mal leise sein und sich um Basisarbeit kümmern, was sie kaum bis gar nicht machen.
Stattdessen gründen sich immer neue Vereine, die sich dann Repräsentanten der Muslime nennen usw. Diesen Vereinen steht kein einiziger Theologe oder seriöser Islamwissenschaftler vor. Wie sollen die denn dann den Islam repräsentieren. Immer wieder äußert man sich zu der Sache und zu der Sache. Wenn ein einziges Wort in Zeitung über diese Vereine steht, werten sie das als großen Erfolg, obwohl sie sich dabei ziemlich täuschen und es nicht bemerken.
Wie schade diesen Leuten, die ihre Zeit sinnvoller investieren und nutzen könnten.
@pinetop
Was können liberale, moderate Muslime in unserem Land dafür, dass im Iran Atheisten hingerichtet und in Afghanistan Diebe gesteinigt werden ?
Dass Sie viele schlechte Erfahrungen bei Gesprächen mit Muslimen gemacht haben, ist bedauerlich. Seit vielen Jahren habe ich als Nicht-Gläubige sowohl beruflich als auch privat Kontakte zu Muslimen. Niemals wurde ich als bekennende Nichtgläubige dafür angegriffen. Die meisten können Ihre Religion problemlos mit den Menschenrechten, Demokratie und Pluralismus vereinbaren.
Es gibt sicherlich auch Muslime, die Steinigungen befürworten, genauso wie es Deutsche gibt, die Kannibalismus schätzen.
Für die Fanatiker beider Seiten ist der moderate Islam ein Horror, für die einen, weil er nicht so viel Angriffsflächen bietet, für die anderen, weil er nicht genügend Identität schafft.