Anzeige

Bundesregierung

Komplette Realitätsverweigerer

Es liegen „keine spezifischen Erkenntnisse“ darüber vor, in welchem Umfang bei Migranten von Integrationsverweigerung gesprochen werden kann. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervor.

Mittwoch, 09.03.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 15.03.2011, 1:24 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Das Amt des Bundesinnenministers hat mittlerweile Hans-Peter Friedrich (CSU) inne. Das Kind, den sein Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) im September 2010 mit den vermeintlichen „10 bis 15 Prozent Integrationsverweigerern“ in den Brunnen geworfen hatte, sitzt immer noch tief.

Anzeige

Dabei handelt es sich um reine Konstruktion gewürzt mit einer Überdosis Realitätsverweigerung, wie sich nun herausstellt. Auf eine parlamentarische Anfrage der integrationspolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dagdelen, kann die Bundesregierung nicht nur das Kind im Brunnen nicht erklären, sie verstrickt sich auch in Widersprüche.

___STEADY_PAYWALL___

So beharrt die Bundesregierung mehrfach darauf, dass bereits aus der hohen Zahl der Verpflichteten, die einen Integrationskurs nicht beginnen, auf eine „Integrationskursverweigerung in nennenswertem Umfang“ geschlossen werden könne. Auf der anderen Seite muss sie aber auch zugeben, dass aus einer Nicht-Teilnahme nicht auf eine Integrationskursverweigerung geschlossen werden kann.

Anzeige

Komplette Integrationsverweigerer!?
Im weiteren Verlauf gibt die Bundesregierung sogar zu, dass bezogen auf Migranten „keine spezifischen Erkenntnisse“ dazu vorliegen, in welchem Umfang bei ihnen von einer Integrationsverweigerung gesprochen werden könnte!

Ein weiteres Kind lässt die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) in den Brunnen fallen. Sie versucht die Diskrepanz zwischen den vermeintlichen „10 bis 15 Prozent“ und den Angaben des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), der den Anteil der „Integrationsverweigerer“ auf nur ein Prozent taxiert, zu erklären. Laut Böhmer handelt es sich bei den Integrationsverweigerern des BAMF um eine „ganz kleine Minderheit“, die die Integration „komplett verweigert“.

Ohne Sinn
Endgültig als Farce entpuppt sich die Behauptung de Maizières aber mit der folgenden Antwort: „Die Bundesregierung ist sich dessen bewusst, dass schon die Bezifferung der Integrationsbereitschaft der Migranten je nach Auswahl und Gewichtung der herangezogenen Bewertungskriterien zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führt. Eine entsprechende Bewertung der Bereitschaft der Aufnahmegesellschaft, die Integration von Zuwanderern betreffend, hält die Bundesregierung nicht für sinnvoll. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass … divergierende Zahlenangaben Nachfragen hervorrufen.

In öffentlichen Statements bedienen sich Politiker einer einfacheren Sprache. In diesem Fall würden sie sagen: „Stimmt, die zahlenmäßige Bezifferung einer angeblichen Integrationsverweigerung ist willkürlich und macht keinen Sinn!“ Gefragt hatte Dagdelen nach dem Anteil der deutschen „Integrationsverweigerer“ ohne Migrationshintergrund.

Sport- und Sexualkundeunterricht
Ein drittes Kind im Brunnen lässt die Bundesregierung im Zusammenhang mit der vermeintlich fehlenden Teilnahmebereitschaft von muslimischen Schülern am Sport- und Sexualkundeunterricht erblicken. „Das Thema der fehlenden Teilnahmebereitschaft von muslimischen Schülern am Sportunterricht“ wird „in der öffentlichen Diskussion überschätzt“, so die Bundesregierung.

Sie bestätigt, dass eine fehlende Teilnahme am Sportunterricht „so gut wie nie auf religiöse Motive zurückgeführt werden kann“ und muslimische Schüler sogar „etwas häufiger“ am Sexualkundeunterricht teilnehmen „als Schüler anderer Religionszugehörigkeit aus muslimischen Herkunftsländern“.

Wer nun hofft, die Bundesregierung werde das gegenteilige Zerrbild über vermeintlich rückständige muslimische Eltern in der Öffentlichkeit nun entkräften, wird enttäuscht. Diese Zuständigkeit liege bei den Ländern. (bk)
Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Boli sagt:

    @Fikret

    Von mir werden “Graue Wölfe” jedenfalls NICHT akzeptiert.

    Das ist aus meiner Sicht nur der erste Schritt, sich von diesen radikalen Integrationsverweigerern ab zu grenzen. Sie haben hier mit den Grauen Wölfen das beste Beispiel von kompletten Integrationsverweigerern gegeben. Und egal um wieviel Prozent wir uns da unterhalten. Solche Leute können wir in unserer Gesellschaft wohl kaum gebrauchen oder?

  2. NDS sagt:

    @Manfred O.
    DITIB und Co zählen nicht, Bade ist sowieso links und dies passt mir nicht und außerdem sind das keine Argumente, sondern nur Relativierungen…
    Von wem müsste denn die Kritik kommen, damit Sie in Ihren Augen etwas wert ist? Von CSUlern über 60, die kein hochdeutsch sprechen können, die ihren Fuß noch nie vor den Freistaat gesetzt haben, aus ihrem dörflichen Milieu nicht rauskommen und alle Sarrazin (SPD!) als Volkshelden feiern (ist übrigens die sozio-strukturelle Beschreibung der Sarrazinanhänger in der SZ vom 8.1. (http://www.sueddeutsche.de/kultur/thilo-sarrazin-und-seine-leser-wer-hat-angst-vorm-fremden-mann-1.1043753)
    Das diese Wissenschaftler/innen die wichtigsten Integrationsforscher des Landes sind, kann man aus der Zitierhäufigheit ihrer Literatur in der Fachwelt ablesen. Fragen Sie mal beim DGS nach (http://www.soziologie.de/).
    Zur Integrationsleistung von Afrikanern: ich sage nicht, dass die Integration von Afrikanern ohne den Umstand, dass sie ihren Aufenthalt nur durch eine binationale Ehe mit einer Deutschen sichern, ohne diesen Umstand in jedem Fall anders verlaufen wäre. Ich sage nur, dass dies so ist, als Indikator verwendet wird und entsprechend das Ergebnis verzerrt. genau wie der Umstand, dass das „Schenken“ der dt. Staatsbürgerschaft an Spätaussiedler eben auch dazu geführt hat, dass ihre soziale Integration als politisch Gleichgestellte entsprechenden Einfluss hatte.

  3. Manfred O. sagt:

    @ NDS

    Ist Ihnen eigentlich klar, das sie mit der überspitzten Zuordnung des „von wem müßte denn die Kritik kommen“ genau das Gegenteil von DEM erreichen, was eigentlich Ihre Intention ist,und sich genau DER MITTEL bedienen, die Sie sonst anprangern ?

    Zur erwähnten Studie:

    Die genannten Ergebnisse sind föllig zutreffend, erkennen sie doch eine breite Käuferschicht, die sehrwohl Bildung aufweisst. Die Interpretationen der SÜDDEUTSCHEN dazu sind allerdings (genau nach der politischen Ausrichtung der SZ) konstruiert.

    So what ?

  4. Kemal sagt:

    angst essen seele auf

  5. Pingback: NPD-Verbot – Ablenkungsdebatte von der eigenen Unwilligkeit, in den eigenen Reihen aufzuräumen | MiGAZIN

  6. Pingback: Reicht das? – Innenminister stimmen für NPD-Verbotsantrag | MiGAZIN