Critical und Incorrect
Muslime und Pawlow
Der Islam gehöre historisch eigentlich nicht zu Deutschland, so der neue Innenminister Friedrich. Und mit kalkulierbarer Zuverlässigkeit liefern sämtliche islamische Institutionen, Verbände, Initiativen und selbsterklärte Muslimvertreter, in Voll- und Teilzeit, empörte Stellungnahmen ab - über unsinnige Erklärungen und Pressemitteilungen.
Von Prof. Dr. Sabine Schiffer Freitag, 11.03.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 15.03.2011, 1:25 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die CSU hat nach dem Abgang Karl-Theodor zu Guttenbergs anscheinend ein Profilierungsproblem. Und wie es in den letzten Jahren üblich geworden ist, könnte ein kleiner Skandal um Islam und Muslime hier helfen. Der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich erfüllt damit alle Erwartungen. Der Islam gehöre historisch eigentlich nicht zu Deutschland – oder so ähnlich, erklärt er. Und mit kalkulierbarer Zuverlässigkeit liefern sämtliche islamische Institutionen, Verbände, Initiativen und selbsterklärte Muslimvertreter, in Voll- und Teilzeit, empörte Stellungnahmen ab. Und dann befinden wir uns wieder mitten drin im üblich gewordenen Reigen von Meinungen versus Tatsachen.
Das erinnert an den Pawlowschen Hund, der das klassische Konditionieren so schön vorführt. Beim Experiment mit dem Hund führt Pawlow vor, wie zwei unterschiedliche Reize miteinander verknüpft werden können. Zunächst wurde der Hund mit Futter und einem Klingeln gleichzeitig gelockt. Später dann erfolgte nur noch das Klingeln und der Hund kam angedackelt in freudiger Erwartung seines Futters. So wie jahrelang die Themen Islam und Terror miteinander verknüpft wurden, so funktioniert der eine Reiz inzwischen auch ohne den anderen – und hat sich auf die Innenpolitik verlagert. Und gut konditioniert reagieren viele Betroffene: Empörung ergießt sich ins Internet und darüber hinaus. Ja, sogar das Selbstverständliche wird extra erklärt. Sollte jemand den fast bösartigen Gedanken gehabt haben, dass hier Aufregung inszeniert werden soll, um von anderen Problemen abzulenken, dann ließe sich so eine Szenerie mit den langjährig abgerichteten Muslimen und „Muslimfreunden“ kalkulieren. Das Ganze ist so lächerlich, dass man in Verzweiflung ausbrechen könnte über die pawlowschen Reiz-Reaktionen.
Nun, auf die historischen Reduktionen von Herrn Friedrich gehen wir hier gar nicht ein. Auch das wäre zu lächerlich, wie sich gleich herausstellen wird. Versuchen wir es mit einer Gegenprobe – um etwas Licht ins aufgeregte Dunkel zu bringen: Beginnen wir mit der Fragestellung, wann eigentlich Deutschland anfängt und was demnach historisch dazu gehört und was nicht? Die Aufklärung ist jedenfalls eine französische Erfindung und die Demokratie gehört historisch wohl auch nicht zu Deutschland. Dennoch wollen wir sie nicht mehr hergeben! Ja, und je nach zeitlicher Definition müsste man feststellen, dass weder das Christentum, das Judentum, noch der Islam, weder das Bier, die Kartoffeln, die Pizza, die Nudeln noch der Döner, weder das Farbfernsehen, das Internet noch Bayern historisch zu Deutschland gehören. Und sicher noch vieles mehr, das man heute sogar als urdeutsch empfindet – wie beispielsweise das Bier, das im alten Ägypten zuerst gebraut wurde.
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Danke Frau Schiffer!
Ein Mensch ohne Vergangenheit hat keine Zukunft!
Unter diesem Aspekt ist es beschämend was deutsche Politiker behaupten.
Grüße Jakob
Unter welcher Patent-Nr. ist „Die Aufklärung“ denn seinerzeit im Pariser Patentamt angemeldet worden? Sorry, aber wenn das jetzt keine historische Reduktion auf Kinderquartett-Niveau ist („…mein Auto ist 5 km/h schneller…“)?
Ich erinner mich, zum Jahrtausendwechsel macht eine Zeitung eine Umfrage, wer wohl die einflussreichste Persönlichkeit des 2. Jahrtausdend war, Ergebnis: Gutenberg (der mit einem „t“, Erfinder des Buchdruckes). Andere meinten Luther wegen der Bibelübersetzung ins Deutsche, etc…
Darüber kann man trefflich streiten, aber eines ist wohl klar: die Aufklärung lässt sich unmöglich nur einem oder einer Nation (wie albern!) zuschreiben!
Ich halte es mit Zeller, der totalitäre Nationalsozialismus gehörte zweifelsfrei zu D, der totalitäre Kommunismus gehörte zweifelsfrei zu D, da hat uns der totalitäre Islamismus gerade noch gefehlt!
Die ersten beiden Ismen haben wir gottseidank so halbwegs überwunden, wobei mir persönlich der Anteil von Nazis & Kommunisten auch heute immer noch zu hoch ist…
Allerdings gebe ich eines klar zu Bedenken unabhängig von all den Ausführungen oben. Angekommen hängt natürlich auch immer absolut damit zusammen ob etwas angenommen wird. So und jetzt frage ich in die Runde wann das denn jemals bei türkischen Einwanderern der Fall war. Sie sollten eigentlich nach Rotationsprinzip gut alle zwei – fünf Jahre gehen und die Türken die dann durch schleifen lassen der gesetzlichen Vorgaben und auf drängen der Industrie doch bleiben konnten sassen ihrerseits auf gepackten Koffern.
Genau genommen war also das Ankommen und Annehmen beiderseits nicht wirklich vorgesehen was bis Heute dazu führt das ein Dazugehören bezogen auf die Bedeutung dieses Wortes überhaupt nicht der Fall ist.
Beispiel: In einem Bericht über Duisburg-Marxloh wurden Jugendliche gefragt, wie sie denn ihre Zukunft sehen. Sie haben fast alle gesagt: Raus aus Marxloh! Also raus aus der Ghettozugehörigkeit in die Zugehörigkeit der gesamten Gesellschaft. Aber selbst wenn es dem einen oder anderen gelingen wird ist damit noch nichts garantiert da sich die Fronten und die jeweilige Einrichtung in eigenen Lebensbereichen mittlerweile so stark verhärtet hat, das es in der Tat vor allem für die muslimischen Migranten als auch für die Mehrheitsgesellschaft unterschiedliche Realitäten gibt bezüglich Zugehörigkeit.
Und NDS hat dies schon einmal gut erkannt als er schrieb, das sich mittlerweile in Europa im Bezug zu Muslimen eine Gesamteuropäisches Gemeinschaftsgefühl entwickelt, also Europäer gegen Muslime. Dies wurde aber schlicht auch dadurch begünstigt, das sich die Integrationsprobleme in allen europäischen Ländern mit hohem Anteil von Muslimen an der Gesamtbevölkerung (ab ca. 1 Millionen auch je nach Gesamtbevölkerungsanzahl) ohne Zweifel gleichen und sich das Bewusstsein darüber europaweit bzw. in allen westlichen Staaten breit macht.
Es ist doch klar, die CSU braucht dringend ein neues Feindbild !
Vielleicht weiß noch der eine oder andere, dass in der Zeit des Kalten Krieges alle gegen „den Russen“ waren. Privat kannte kaum jemand einen „Russen“, trotzdem war klar, dass der Russe gefährlich ist. Dieser Standpunkt war damals und ist auch heute nicht das Resultat einer wirklichen Auseinandersetzung. Nein, es sind die Medien die vorgeben, wer der „Feind“ ist. Dazu gibt es dann, dem jeweiligen Beweisziel angepasst, entsprechende Informationen.
Und so wird auch heute mit Menschenbildern Politik gemacht, gestern war der Russe das Opfer, heute Türken und Araber.
So gesehen gehört das Grundgesetz auch nicht zu Deutschland weil es uns von den Amerikanern aufgedrängt wurde!?
[…]
Der immer wiederkehrende Streit, ob „der Islam“ zu Deutschland gehört oder nicht, ist wirklich längst langweilig, nervig und führt nicht einen Schritt weiter. Die Aussage „Der Islam gehört (nicht) zu Deutschland“ ist allerdings ziemlich inhaltsleer. Ich kann mir manches vorstellen, von dem gesagt wird, es gehöre zu Deutschland. Antworten auf die Frage erhält man am ehesten von Menschen, die – wenn man so will – nicht zu Deutschland gehören, die unser Land aber als Touristen, Interessierte an Kunst, Literatur, Politik, Sport etc. ein wenig kennen bzw. ihre Bilder im Kopf von Deutschland haben. Dann bekäme man Antworten wie: Schloss Neuschwanstein, Heidelberg, der Kölner Dom, Heine, Goethe, Kant, Beethoven, Hitler, Adenauer, Brandt, Kohl, Michael Schumacher, Beckenbauer etc.
Das Christentum oder das Judentum sind keine deutschen „Erfindungen“ und werden vermutlich auch nicht als Deutschland zugehörig genannt.
Unnötig zu erwähnen, dass dies auch für den Islam gilt.
Wenn ich jedes Phänomen, das es in Deutschland gibt, als zu Deutschland gehörig bezeichnen würde, dann gehören selbstverständlich auch der Buddhismus, Genitalverstümmelung, Folter oder Kannibalismus zu Deutschland.
Die Frage ist einerseits nichts sagend, andererseits bietet sie die Projektionsfläche für alle möglichen emotionsgeladenen Interpretationen. Man stelle sich vor, etwa Frau Steinbach käme auf die Idee zu sagen: Die deutsche Sprache gehört zu Polen. Plausibel begründen ließe sich das damit, dass es in Polen mittlerweile nicht nur vereinzelte deutsche „GastarbeiterInnen“ gibt, die im Alltag (auch) Deutsch sprechen; auch einzelne deutschstämmige Polen tun das. Und historisch gesehen gab es Zeiten, in denen Deutsch in polnischen Gebieten sogar Amtssprache war.
Aber existierende Begründungen allein verleihen einer Aussage noch nicht unbedingt Sinn.
Warum stellt man nicht die Frage, um die es wirklich geht? Akzeptieren wir, dass es ethnisch, kulturell, religiös in diesem Land eine große Vielfalt gibt? [echte Homogenität gab es zwar nie, aber die Vielfalt hat doch bei vielen Indikatoren deutlich zugenommen]. Noch wesentlicher ist zu fragen: akzeptieren wir, dass nicht mehr nur der Mainstream Macht und Einfluss hat, sondern dass Minderheiten heutzutage gleiche Rechte für sich beanspruchen (können)? – Woran man sieht: uns Menschen geht es letztlich im Kern um Macht und Einfluss; nur, das verschweigen wir gern als moderne, aufgeklärte, tolerante Zeitgenossen.
Herr Diekelmann,
Sie haben den Nagel punktgenau auf den Kopf getroffen.
Vielen Dank!
Grüße, nds
Das islamische Moralsystem besteht zu großen Teilen aus eben diesem Kampf um Macht und Einfluß.
Und ebenso unverkennbar ist es, daß diese Macht wesentlich weiter ins Private reinregiert als man das im Abendland gewohnt war, um es mal höflich zu formulieren.