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OECD Studie 2011

Schlechte Noten für Deutschlands Integrationspolitik

Im Bereich der Integrationspolitik muss Deutschland deutlich besser werden. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Unter den 31 untersuchten OECD-Staaten liegt die Integrationspolitik der Bundesrepublik auf dem 20. Platz.

Freitag, 01.04.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

In Deutschland hat jeder fünfte Bürger einen Migrationshintergrund, Tendenz steigend. Im Bereich der Integrationspolitik liegt Deutschland dennoch unter den 31 untersuchten OECD-Staaten im unteren Drittel (Rang 20). Das geht aus einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung hervor, die den Reformbedarf für Deutschland im internationalen Vergleich analysiert.

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Chance statt Populismus
So liegt im internationalen Vergleich die Arbeitslosigkeit von Menschen, die in Deutschland leben, jedoch im Ausland geboren wurden, nach den Zahlen der OECD bei etwa 17 Prozent und damit deutlich höher als im Durchschnitt der OECD-Staaten (10,86 Prozent). Nur in Frankreich, der Slowakei, Belgien und Finnland ist die Situation noch schlechter. Auch bei den Hochschulabschlussquoten der Menschen, die im Ausland geboren wurden, liegt Deutschland lediglich auf Rang 27 aller OECD-Staaten.

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„Menschen mit Migra- tionshintergrund haben in der Bundesrepublik insgesamt schlechtere Teilhabechancen, etwa beim Zugang zu Bildung oder auf dem Arbeitsmarkt. Statt das Thema jedoch in populistischer Weise für Negativszenarien über den vermeintlichen Abstieg des Wirtschafts- und Sozialstandorts zu missbrauchen, sollte Zuwanderung vielmehr als Chance begriffen werden.“

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Eine soziale Schieflage, die große Potenziale gegenwärtiger und künftiger Generationen verspielt, könne Deutschland aber sich nicht leisten. „Menschen mit Migrationshintergrund haben in der Bundesrepublik insgesamt schlechtere Teilhabechancen, etwa beim Zugang zu Bildung oder auf dem Arbeitsmarkt. Statt das Thema jedoch in populistischer Weise für Negativszenarien über den vermeintlichen Abstieg des Wirtschafts- und Sozialstandorts zu missbrauchen, sollte Zuwanderung vielmehr als Chance begriffen werden, die es durch eine gute Integrationspolitik bestmöglich zu nutzen und zu fördern gilt“, so die Autoren der Studie. Sowohl mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der durch ungleich verteilte Verwirklichungschancen unterwandert werde, als auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und eines befürchteten Fachkräftemangels sei dies eine politische Notwendigkeit.

Mangelnde Repräsentanz der Bevölkerung
„Nachdem eine stringente Integrationspolitik über einen langen Zeitraum hinweg ausgeblieben ist, widmet sich die Bundesrepublik seit rund einem Jahrzehnt stärker diesem Thema. Trotz aller Bemühungen wird Zuwanderung jedoch in der öffentlichen Debatte häufig eher als Risiko denn als Chance diskutiert“, stellen die Autoren fest. Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des langfristig zunehmenden Fachkräftemangels sei das bedenklich. Denn ohne die Hilfe der hier lebenden Migranten bzw. ohne den Zuzug weiterer Fachkräfte könne das Problem kaum gemeistert werden.

Die Rangliste der Integrationspolitik © Bertelsmann Stiftung, bearb. MiG

Die Rangliste der Integrationspolitik © Bertelsmann Stiftung, bearb. MiG

„Ferner scheinen die politischen Strukturen unserer Demokratie generell mit der zunehmenden Heterogenität der Bevölkerung nicht ganz Schritt zu halten“, so die Autoren weiter. So repräsentiere beispielsweise die Sozialstruktur des Bundestages als zentrale Institution der demokratischen Interessenvertretung und Willensbildung diese Heterogenität nur unzureichend. Hinzu komme, dass auch in anderen wichtigen Entscheidungs- und Beratungsorganen und der öffentlichen Verwaltung Menschen mit Migrationshintergrund „nach wie vor unterrepräsentiert“ seien.

Ein Schlag ins Gesicht
Als sinnvolle Maßnahme werden der 2006 beschlossene „Nationale Integrationsplan“ und der im Jahre 2011 präsentierte „Nationalen Aktionsplan“ bezeichnet. Positiv sei auch die Aufwertung des Amtes der Integrationsbeauftragten, die damit in den Rang einer Staatsministerin rückte und Teil des Kabinetts wurde.

Die Studie: Der Länderver- gleich, an dem rund 80 international anerkannte Wissenschaftler mitgearbeitet haben, kommt für Deutschland zu einem insgesamt positiven Ergebnis: Die Forscher loben vor allem die sehr guten de- mokratisch-rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen (Platz 6), die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik (7) und die Umweltpolitik (5). Bemängelt werden hingegen die Integrationspolitik (20), die soziale Ungleichheit (17) und die Bildungspolitik (17). Die Studie kann als PDF-Datei kostenlos heruntergeladen werden.

Für den integrationspolitischen Sprecher der Grünen, Memet Kilic, ist der 21. Platz für die Amtsinhaberin Maria Böhmer (CDU) aber „ein Schlag ins Gesicht“. Dieses schlechte Ergebnis sei ein Beleg für die miserable Arbeit von Böhmer. „Unsere Forderungen nach vereinfachter Einbürgerung, einem besseren Bildungssystem und Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt werden von der Regierung einfach ignoriert“, so der Grünen Politiker.

Kanadische Leitwerte: Toleranz und kulturelle Gleichwertigkeit
Insgesamt wird Neuseeland mit seinem punktebasierten Zuwanderungssystem die beste Politik in der OECD-Welt attestiert. Auch Kanada gilt als sehr gelungenes Beispiel für die Integration und gesellschaftliche Teilhabe von Migranten. „Der kanadische Multikulturalismus beruht auf Leitwerten wie Toleranz und kultureller Gleichwertigkeit“ und nicht wie in Deutschland über eine vermeintliche Leitkultur. Durch diese Grundorientierung und entsprechende staatliche Fördermaßnahmen gelinge die Integration der jährlich rund 250.000 Migranten recht erfolgreich. Von Ländern wie Kanada oder Neuseeland könne Deutschland noch viel lernen. (eb)
Politik Studien

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  1. Sugus sagt:

    @ Leo Brux
    „Wie wollen Sie die Rückführung mit unserem Grundgesetz vereinbaren? Machen Sie mir bitte Vorschläge!“
    Es ist das Recht jedes souveränen Staates, Ausländer des Territoriums zu verweisen, und zewar ohne Begründung. Und es ist das Recht jedes Staates, aus Organisationen auszusteigen, die ihm so was untersagen wollen (in diesem Falle: die EU).
    Das ist für Deutschland ein unwahrscheinliches Szenario, aber kein unmögliches Szenario. Und vor allem: es wäre legal. Genauso könnte Spanien über Nacht alle Deutsche aus Mallorca rauswerfen. Das wäre deren gutes Recht.

  2. Europa sagt:

    @arabeska
    Die meisten in Deutschland wohnenden Migranten sind nicht aus Kriegsgründen aus ihrem Land geflohen, sondern aus finanziellen Gründen nach Deutschland gezogen. Ihren Vergleich finde ich einfach nur lächerlich und abolut unzutreffend, aber hauptsache irgendetwas schreiben um diesen blöden Rassisten eins reinzuwürgen. Sie sind so durchschaubar!

    @Karl Willemsen
    Die Sendung habe ich auch gesehn. Ich fands krass, mit welchen total naiven Vorstellungen die Menschen nach Europa gekommen sind. Als ob hier das Geld ohne Leistung, rückschlägen und durchhaltevermögen vom Himmel fallen würde.
    Einer von denen meinte, dass in seinem Herkunftsland die Kinder schon von klein an lernen, dass Europa eine art Paradies wäre. Ausserhalb Europas scheint ein total verzerrtes Bild vom Leben in Europa zu herrschen. Eigentlich müsste man die Leute nur in ihren Herkunftsländern besser informieren, dann würden die meisten von selbst einsehn, dass Europa kein Paradies ist und auch dort momentan grosse finazielle Probleme herrschen.

  3. arabeska sagt:

    @europa
    Erfreulich, dass ich so durchschaubar bin, denn genau das wollte ich erreichen.

    Der Text des Buches soll nicht politisch gelesen werden, etwa als Schilderung einer möglichen Entwicklung, sondern ist eine Art Parabel, die zu eigenem Denken und zum Mitgefühl, zu politischem Bewusstsein und zur Menschlichkeit helfen soll.

    Und genau das fehlt Ihnen, denn Sie folgen nur dem Mainstream und Ihren eigenen niederen Instinkten.

  4. Karl Willemsen sagt:

    @Europa

    Ich habe leider nur einen kleinen Ausschnitt des 90min-Films gesehen… aber allein die Tatsache, dass er weder auf der Mediathek von ARD, noch Arte oder Phönix nachzuschauen ist, und v.a.D. der denkbar schlechteste Sendeplatz (in der Nacht von So. auf Mo.!) zeigt mal wieder, dass den Film wohl nur möglichst WENIGE Zuschauer erreichen sollte!

    Während hingegen für das Buch, welches uns Arabeska wärmstens empfiehlt, massiv die Werbetrommel in den Mainstreammedien gerührt wird und man mit google-Treffern geradezu erschlagen!

    @arabeska

    vielen Dank für die Leseempfehlung, ich habe das kleine Büchlein anhand der zahlreichen Rezessionen in Netz & Interviews mit der Autorin quasi schon gelesen! :-)

    Wie wäre es, wenn Sie mal exclusiv fürs Migazin eine Buchkritik zu diesem hochinteressanten Werk schreiben würden? ich bin sicher, dass die hier als Gastbeitrag abgedruckt würde und es ergäbe sich dann auch bestimmt eine äusserst spannende Diskussion !

  5. Mika sagt:

    Eigentlich besteht das Hauptproblem darin, dass die meisten Menschen hier nicht merken, dass sie mit solch rassistischen (ja, Betonung liegt auf rassistisch) Äußerungen nicht merken, dass sie sich ins eigene Fleisch schneiden! Es wird hier mit Hilfe der Medien und allen voran der Politik diffamiert, was das Zeug hält. Wir sprechen hier von vier Millionen Moslems, die angeblich dieses Land überfremden….Hallo, geht´s noch? Angesichts der demografischen Entwicklung ein fataler Irrtum. Wo möchte man die Fachkräfte holen? Aus den eigenen Reihen wird das in Zukunft kaum zu bewältigen sein. Vielleicht ja aus Russland, denn die scheinen ja doch eher aus einem laizistischen und demokratischen Land zu stammen….Das würde doch passen: Sie haben den gleichen kulturellen Hintergrund; die gleiche jüdisch-christliche Leitkultur. Ach ja, was ist übrigens die jüdisch-christliche Leitkultur überhaupt? Kann mir das einer mal erklären? Ich bin doch „nur“ ein Moslem, der sich vom Sozialstaat ernährt und kein deutsch spricht und auch sonst in seiner eigenen Welt lebt. Und auch meine Eltern haben niemals in die Kassen eingezahlt, nein niemals….und von uns gibt es ja reichlich, wir sind ja ein homogenes Kollektiv, wir gehören ja alle in ein Topf!

  6. saggse sagt:

    „Ein Buch das zur Identifikation zwingt:
    “KRIEG – Stell dir vor er wäre hier” von Janne Teller (erschienen im Hanser Verlag)“

    Ein sehr wertvolles Buch, das man nicht kleinlich historisch hinterfragen oder nach hohlen Zähnen abklopfen sollte. Ist doch egal, ob die Visonen der Frau Teller mit Realität oder nur mit dem Amalgam aus der Science-Fiction-Kiste gefüllt sind. Es belegt doch zu allererst sehr schön, daß es Länder gibt, in denen man sogar masochistische Gesellschaftsvisionen zu Papier bringen und in Verzehr bringen kann, ohne befürchten zu müssen, Kopf, Kragen und anderer wichtiger Körperteile verlustig zu gehen. Das ist nicht überall so und das sollte man schätzen. Sehr gutes Buch das. Muß man nicht mal lesen, um es wertzuschätzen.

  7. Europa sagt:

    @Mika
    „…vier Millionen Moslems, die angeblich dieses Land überfremden….Hallo, geht´s noch? Angesichts der demografischen Entwicklung ein fataler Irrtum. Wo möchte man die Fachkräfte holen? Aus den eigenen Reihen wird das in Zukunft kaum zu bewältigen sein.“

    Jetzt mal ganz im ernst Mika: Sich die Fachkräfte aus fremden Kulturen zu holen hat sich als untragbar herausgestellt und ist auch, mit aller liebe zu ihrer naivität, nicht mehr mit den Menschen in Deutschland zu machen. Die Lösung des Problems kann langfristig nicht darin bestehn, dass im arabischen Raum sich wie die Karnickel fortgepflanzt wird und wir dann die Pflicht haben die überschüssige Bevölkerung (die meist auch noch von der untersten Schicht kommen) aufzunehmen. Dann kann man Europa inkl. Deutschland auch gleich schliessen, denn da wird ihnen auch der blödeste Schildbürger bestätigen dass das schief gehen wird. Die Deutschen müssen halt zum Kinder kriegen angeregt werden, das ist doch wohl die offensichtlichste Lösung. Meinetwegen mit 1000€ Kindergeld pro Monat. In Europa gibt es genügend Einwanderung aus fremden Kulturen die von uns nicht gesteuert werden kann (siehe Lampedusa, Griechenland). Wenn man aus dem Ausland Menschen anwerben will, dann bitte nur höchstqulifizierte mit Sprachkenntnissen, ansonsten sollte man doch bitte die Migranten in Deutschland mit Arbeit versorgen die jetzt Arbeitslos sind und von denen gibt es laut Statistik genug.
    Ihre Forderungen sind nicht nur falsch sondern auch unlogisch und vorallem nicht dem Wohl der deutschen Bevölkerung geschuldet.

  8. Nachdem sich bei uns nun auch die Bischöfe engagieren, dass wir uns alle lieb haben und dass alle am Geldkuchen partizipieren, na da kann mit Gottes Segen doch nichts mehr schief gehen in der Integrationsfrage, oder?

    http://www.donaufalter-zeitung.de/friends/parser.php?artikel=125