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Das Volk oder ihre Hälfte? Treue oder ein bisschen von ihr?

Integration und Treue. Man würde vielleicht fragen, was das sachliche Konkretum mit dem melodramatischen Abstraktum zu tun hat. Nichts. Aber wer sagt denn, dass es hierbei um etwas Sachliches geht? Ankommen und sich einleben hat mit Sachlichem – Emotionslosem und Neutralem – in Wirklichkeit nichts zu tun. Denn es geht um Menschen.

Von Vykinta Ajami Mittwoch, 06.04.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.04.2011, 1:23 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Es gibt Geschehnisse, die einem unter die Haut gehen. Und bleiben. Momente, die bereichern und beflügeln, Menschen, die mit einfachen Handlungen die Seele berühren.

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Was kostet denn die Postkarte? – fragt die Touristin die Jungs. Es ist sehr heiß. Sommer in Bosra. An der Zitadelle verkaufen die 6 – 10 jährigen Kinder Postkarten. Sie albern herum, lachen und sehen glücklich aus, sind aber bitter arm. Der Eine guckt sie an und antwortet voller Stolz und Selbstbewusstsein: „Die schenke ich dir“. Die Ausländerin lacht und fragt noch einmal. Sie will die Karte kaufen. Der Junge guckt sie mit seinen großen dunklen Augen ernst an und wiederholt schon fast im Erwachsenenton: „Ich habe doch gesagt, ich möchte dir die Karte schenken“. Die Touristin kommt in Verlegenheit, sie kann doch nicht von einem bitterarmen Jungen einfach so ein Geschenk annehmen. Sie möchte schon kaufen, aber der Junge wird immer ernster und enttäuschter und erzählt was von der Ehre und Treue zu seinen Worten. „Nein, nein! Du hast es nicht verstanden, ich sagte, ich schenke sie dir. Gesagt ist getan“,- gibt er nicht auf. Sie nimmt das Geschenk entgegen. Der Junge sieht erleichtert aus. Stolz ist ihm ins Gesicht geschrieben.

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Die Ausländerin war ich, auf einer Studienreise in Syrien unterwegs. Vor einigen Jahren. Und der Junge? Ich wüsste gern, wer er war und was aus ihm geworden ist. Was ist aus dem kleinen Kind geworden, das mit seinen 10 Jahren von der Ehre und Worttreue sprach? Das die Wahl zwischen „seinen Worten treu bleiben“ oder „paar Pfund Verdienen“ hatte und sich für das Erste entschieden hat.

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Es geht um höhere Werte in dem Hier und Heute. Um die Treue bei der Migration und Integration.

Das deutsche Volk gleicht einer Ehe. Die Eheleute sind die Minderheits- und die Mehrheitsge- sellschaft. Und auch wenn diese Ehe als eine Zwangsheirat angesehen und auch so behandelt wird, ist es nicht Wahr, denn es wurde um die Hand der Braut angehalten und sie hat das Ja-Wort gegeben.

Hier könnte man einwenden, was das melodramatische Abstraktum mit dem sachlichen Konkretum zu tun hat. Nichts. Aber wer sagt denn, dass es hierbei um etwas Sachliches geht? Ankommen und sich einleben hat mit Sachlichem – Emotionslosem und Neutralem – in Wirklichkeit nichts zu tun. Denn es geht um Menschen. Um Menschen, deren Wurzeln von den Umständen, vom Leben selbst raus gezogen wurden. Die Gewürze der Migration sind Sehnsucht, vielleicht auch Schmerz, Hoffnung, Zurückblicken. Die der Integration – sich Einleben, das Sich-Neu-Finden, das Versuchen, manchmal Scheitern, Überwinden, Schritt für Schritt Weitermachen.

Da spielt in einer seltsamen Art und Weise auch die Treue eine Rolle. Treue zum Ursprung, zu den Wurzeln. Aber auch mit der Zeit zum neuen Leben und neuem Land. Treue zur alten und zur neuen Heimat.

Treue. Was ist das eigentlich? Das, was die Untreue, Unzuverlässigkeit, Misstrauen nicht sind und nie sein werden. Treue ist das, was die Seele zwiespaltet. Und das, was eine zwiegespaltene Seele wieder zusammenschweißt. Treue und Liebe zu den Wurzeln, zum ursprünglich Eigenem ist es, was einen in der neuen Heimat nicht ankommen lässt, was spaltet und schmerzt. Heilende Kraft entwickelt die Treue aber dann, wenn man sie erwiesen zu spüren bekommt. Treue und Liebe zur neuen Heimat sind nicht selbstverständlich, sie entwickeln sich im Laufe der Jahre. Und beruhen, wie jede Beziehung, auf Gegenseitigkeit.

Die neue Heimat ist erst ein Fremdkörper im Leben. Step by step, Schritt für Schritt zähmt man sie, wie der Kleine Prinz den Fuchs, man fängt an, sie zu mögen, ihre Straßen, ihre Leute, ihre Geschichte. Irgendwann merkt man, dass man ohne sie nicht mehr auskommt, wenn man verreist, zieht es einen wieder zurück. Man identifiziert sich mit ihr, man ist ein Teil von ihr und sie ist ein Teil von einem.

Bis irgendwann irgendwer und auch immer wieder erinnert: du gehörst hier nicht her.

Um es bildhaft zu schildern, nehmen wir mal die Ehe. Das deutsche Volk gleicht einer Ehe. Die Eheleute sind die Minderheits- und die Mehrheitsgesellschaft. Und auch wenn diese Ehe als eine Zwangsheirat angesehen und auch so behandelt wird, ist es nicht Wahr, denn es wurde um die Hand der Braut angehalten und sie hat das Ja-Wort gegeben. Nun, es hat sich im Laufe der Zeit so entwickelt, dass sich die Braut anders als erwartet raus gestellt hat.

Man hat Gastarbeiter gerufen. Gekommen sind aber Menschen.

Also gibt der Ehemann nach erfolgreichem langjährigem Zusammenleben der Frau und ihren Kindern Bescheid: hey, wisst ihr was, ihr und euer Kram, ihr gehört nicht hierher. Ich – ja, ich gehöre hierher, weil ich schon immer da war.

Treue klingt anders, formuliert sich anders und ist anders. Treue zur langjährigen friedlichen und erfolgreichen Zusammenarbeit. Tatsache ist, dass hierzulande, Christen und Muslime, Ausländer und Deutsche, Gastarbeiter und Einheimische friedlich und gut miteinander ausgekommen sind. Und nun, wo der Trend Richtung Islamophobie und Xenophobie geht, geht man mit dem Wind und tut so, als ob man nicht ein halbes Jahrhundert miteinander gelebt hat und man einander nicht kennt.

Actio gleicht reactio, drittes newtonisches Gesetz. Zumindest den Physikern unter den Politikern sollte das geläufig sein. Die Gesetze der Physik gelten auch in der Politik.

Zurück zum Jungen von Bosra. Zur Entscheidungsfähigkeit über das Übliche hinaus und zum Bewusstsein seiner Taten. Er hätte mir auch den Preis nennen und damit die Geschichte beenden können. Hat er aber nicht. Was hat er davon? Nichts und alles: wir haben uns nie wieder gesehen, aber seine Tat hat Gutes bewirkt. Was habe ich davon? Dasselbe wie er. Was haben denn Menschen von ihren du–gehörst-hier-nicht-her Aussagen? Nichts und alles. Nichts im Sinne von nichts zum Gemeinsamen beitragen können und alles im Sinne von alles zerspalten. Die Entscheidung zwischen „alles“ oder „nichts“ ist wichtig, weil sie nicht separat existiert, sondern vieles beeinflusst. Actio gleicht reactio, drittes newtonisches Gesetz. Zumindest den Physikern unter den Politikern sollte das geläufig sein. Die Gesetze der Physik gelten auch in der Politik. Platzzuweisungen drängen die Minderheit in eine Haltung der Defensive und produzieren gegenseitiges Misstrauen.

Ich mache es ganz nach Martin Luther King: I have a dream. Dass es in Deutschland an Jungs von Bosra nicht fehlt. Die Werte verinnerlichen weil sie solche erlebt haben, die frei und selbstbewusst sind, weil sie sich früh genug mit hier und heute identifizieren konnten und der Identifikationsprozess durch „Willkommen“ und nicht „Ausschließen“ geprägt war.

Und ich habe auch einen Albtraum, der ganz nach Friedrich ausfällt: ich habe einen Albtraum, dass ich eines Tages aufwache und die, die „nicht hierher gehören“ tatsächlich nicht da sind. Wochenmarkt am Maibachufer in stillem Geflüster…

Zurück zum Anfang. Es gibt Geschehnisse, die einem unter die Haut gehen. Und bleiben. Die aber nicht bereichern und nicht beflügeln. Und es gibt Menschen, die keine Handlungen brauchen, um zu zerstören – sie tun das mit Worten.

Nemo patriam, quia magna est, amat, sed quia sua (Seneca) – niemand liebt sein Vaterland weil es Groß ist, sondern weil es seines ist. Das Vaterland. Die Heimat. Von wem aber? Und wer darf es entscheiden? Cicero würde sagen, das Volk, denn Maximus magister populus – der wichtigste Lehrer ist das Volk. Das Volk und nicht ihre Hälfte. Genauso ist es auch mit der Treue: die ganze, und nicht ein wenig von ihr. Aktuell Meinung

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  1. MoBo sagt:

    @ Bleier: „die meisten“ „leben ihren Nationalstolz voll aus“

    kann ich so nicht unterschreiben. die die es tuen fallen natürlich auf, aber die anderen werden oft doch gar nicht mehr als „Türken“ wahrgenommen. außerdem natürlich sehen sich Menschen die immer „als Ausländer“ behandelt werden auch lange noch als Ausländer. wenn man schon im Kindergarten „der Türke“ ist, dann fühlt man sich halt auch eher als Türke als als Deutscher.

  2. Jos. Blatter sagt:

    Warum sollen die Türken in Deutschland nicht ihren Nationalstolz ausleben? Das ist ja wohl deren gutes Recht! Und hat auch nur positive Auswirkungen auf das deutsche Volk. Zeigt es doch auch den Einfältigsten unter den Pädagogisierten, wir wollen unter uns bleiben und diese Menschen auch. Was ist daran verwerflich? Es ist wesentlich ehrlicher einen Mesut Özil 90 Minuten lang als Vaterlandverräter auszupfeifen, als ein Wulff, aus reinstem Opportunismus, diese Menschen osman-islamischen Glaubens, dem deutschen Volk einzuverleiben.
    Das will niemand, es sind 2 Kulturen, die gegensätzlicher nicht sein können.
    Darum, Demokratie und Volksentscheid, für eine gerechte Lösung.

  3. Mika sagt:

    @Jos. Blatter
    „Darum, Demokratie und Volksentscheid, für eine gerechte Lösung“

    Um dann ´was zu tun? Deportation aller in Deutschland lebenden Migranten? Von welcher gerechten Lösung sprechen Sie denn? Und wie unterscheiden Sie denn die Migranten? Zählen denn Ihrer Meinung nach die Aussiedler und all die Koslowskis auch dazu? Offensichtlich haben Sie ein ganz anderes Demokratieverständnis als der Rest der Leute hier!

  4. gescheitergeist sagt:

    Also ich würde zu gerne mal von den richtigen „Vorzeige-Migranten“ oder allgemein „Muslimen“ etwas hören, die sich wirklich als deutsche identifizieren, hier leben und auch zu 100% loyal sind zu dem Land in dem sie leben. Gibt es überhaupt solche??? Die Meisten sind doch alle nationalistisch und leben in Ihrem Paralleluniversen!

  5. GisiK sagt:

    @gescheitergeist

    Ich denke Muslime die sich integrieren wollen, haben entweder keine zeit sich an die öffentlich keit zu bringen oder sind halt keine muslime mehr.

    Bei uns in Hamburg gab es so ne aktion, „Muslime für firden“, ist aber auch nur für paar tage gewesen.

    War für mich auch ein Überraschuung.

    Es waren Plakate an bahnhöfen und hatten verschiedene Verse aus dem Koran und Aussagen von M. und diese waren auf dem Hauptbahhof groß angebracht.

    Wundert mich nur das man kaum was davon gehort hat, weder in den Medien noch im zeitung??