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Inländerdiskriminierung

Sprachnachweis bei Ehegattennachzug aus dem Ausland

Der Dickicht des Paragraphenjungels im Aufenthaltsrecht - hier veranschaulicht anhand des Sprachnachweises beim Ehegattennachzug aus dem Ausland. Nicht nur Verwirrung pur, sondern auch kaum nachvollziehbar, was Gesetzgeber und Gerichte durchwinken.

Von Freitag, 08.04.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.04.2015, 16:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In der heutigen globalisierten Welt sind nicht nur Handels- und Wirtschaftsbeziehungen international, sondern auch zwischenmenschliche Partnerschaften. Das von der Verfassung geschützte Eheleben im Bundesgebiet wird aber durch das Erfordernis eines Nachweises über die deutschen Sprachkenntnisse erschwert. Nach einer Eheschließung stellt sich den Paaren immer wieder die gleiche Frage: Muss der ausländische Ehepartner vor Einreise nach Deutschland stets seine deutschen Sprachkenntnisse nachweisen?

§ 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: „Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn … der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann …“ Aber Achtung dies gilt auch für Ehegatten Deutscher siehe § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG: „§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 … ist … entsprechend anzuwenden.“

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Fiktives Beispiel
Zu dieser Frage folgender fiktiver Sachverhalt, welcher in der Praxis nicht selten vorkommt: Samuel aus Ghana heiratet Barbara aus Deutschland. Um im Heimatland der Barbara einreisen und leben zu können, muss Samuel vor Einreise nachweisen, dass er der deutschen Sprache mächtig ist. So will es das Gesetz. Der Nachzugswillige soll sich auf einfacher Art in deutscher Sprache verständigen können.

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Der Gesetzgeber beabsichtigte damit, dem nachziehenden Ehegatten die Integration im Bundesgebiet zu erleichtern und Opfern von Zwangsverheiratung ein eigenständiges Sozialleben zu ermöglichen. Vernünftig und plausibel, könnte man meinen.

Von diesem Grundsatz gibt es aber Ausnahmen, die es in sich haben. Denn das Gesetz verlangt nicht immer einen Sprachnachweis.

Abwandlung des Beispiels
Um das zu veranschaulichen, wandeln wir das Beispiel von Barbara und Samuel wie folgt ab: Wäre Barbara Spanierin, wohnhaft in Deutschland und erwerbstätig, müsste Samuel keinen Sprachnachweis über seine Deutschkenntnisse vorlegen. Barbara ist in diesem Fall Unionsbürgerin, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch macht. Und Samuel profitiert davon, dass die Regelung über die Sprachkenntnisse für den Nachzug zu einem Unionsbürger nicht gilt.

§ 30 Abs. 1 S. 3 AufenthG: „… nicht vorhandene Sprachkenntnisse sind unbeachtlich, wenn

  1. der Ausländer einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
  2. der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
  3. bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Abs. 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte oder
  4. der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf.“

Inländerdiskriminierung par excellence! Deutsche Staatsangehörige werden gegenüber EU-Ausländer schlechtergestellt. Bundesverwaltungsgericht hält diese Ungleichbehandlung für gerechtfertigt und sieht darin sogar die Vereinbarkeit mit europäischem Recht.

Dabei werden Ehegatten Deutscher nicht nur im Verhältnis zu Unionsbürgern schlechter behandelt, sondern auch im Verhältnis zu Angehörigen bestimmter Drittstaaten, weil diese mit Deutschland wirtschaftlich besonders verflechtet sind und sie deshalb kein Visum brauchen.

Damit noch nicht genug
Die Ungleichbehandlung geht aber noch weiter. Auch im Verhältnis zu Ehegatten von Hochqualifizierten, von selbständigen Forschern und sogar von Flüchtlingen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben, sind Ehegatten Deutscher in Bezug auf die nachzuweisenden Sprachkenntnisse schlechter gestellt.

So stellt sich zurecht die Frage, wie dieses Missverhältnis im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Regelung steht, dem nachziehenden Ehegatten die Integration im Bundesgebiet zu erleichtern.

Ist Barbara als deutsche Staatsbürgerin nicht gleichzeitig auch Unionsbürgerin? Und kann Sie als Deutsche nicht von ihrem Freizügigkeitsrecht in Deutschland Gebrauch machen? Doch, aber nur so:

Die Lösung bzw. Verwirrung?
Vor Einreise in das Bundesgebiet hätten die Eheleute Barbara und Samuel in einem Unionsland gelebt haben müssen. Barbara hätte dort zudem erwerbstätig gewesen sein müssen. In diesem Fall würde Barbara von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen. Einer gemeinsamen Rückkehr nach Deutschland stünde dann nichts mehr im Wege. Samuel könnte in diesem Fall nach Deutschland einreisen, ohne seine Deutschkenntnisse vorher nachgewiesen zu haben.

Die Verwirrung ist perfekt!? Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Dickicht des Paragraphenjungels des deutschen Aufenthaltsgesetzes, das jetzt auch vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet wurde. Aktuell Recht

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  1. Europa sagt:

    @Udo
    Recht muss ja auch nicht logisch sein, sondern für Ordnung in der Gesellschaft sorgen! Und wenn Recht logisch wäre, dann bräuchte man keine Anwälte, die einen verteidigen!

  2. Dirk sagt:

    Guter Artikel!

    MiGAZIN könnte in dem Zusammenhang auf die Anhörung im Innenausschuss hinweisen.

    Der Deutscher Bundestag Innenausschuss führt eine Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf Bündnis 90-Die Grünen zum Ehegattennachzug durch. Die Anhörung ist öffentlich und findet am 9. Mai von 14:00 bis 16:00 Uhr statt.

    Bei Interesse kann man sich anmelden unter innenausschuss@bundestag.de oder per Telefon im Sekretariat des Innenausschusses 030 227 32858.

  3. Leo Brux sagt:

    Ich zitiere mit besonderem Vergnügen diesen Absatz von
    Europa:

    „Ich hoffen ihnen ist bewusst, dass die von ihnen aufgezählten Nationen zum sogenannten “Westen” gehört und dass dies allesamt aufgeklärte Menschen sind die nicht aus rein finanziellen Gründen nach Deutschland kommen, sondern vllt auch weil Sie es hier schön finden und die Deutschen mögen. Diese Menschen haben ein ganz anderes Verständnis von Integration, als es die Menschen aus der Türkei und dem Rest des nahen Osten haben.“

    „allesamt aufgeklärte Menschen“ … „nicht aus rein finanziellen Gründen“ … „ganz anderes Verständnis von Integration“ …

    Wie Europa hier mal wieder generalisiert, das ist schwer zu übertreffen. Ob allerdings diese total aufgeklärten Menschen aus dem total aufgeklärten Westen alle einen Deutschen wie Europa gerne mögen werden?

    Ich hab in Deutschland schon einige Amerikaner kennen gelernt, denen wir Deutsche auf den Geist gegangen sind, weil wir irgendwie nicht amerikanisch (und damit richtig) ticken. Ich kenne zwei Italiener, jaja, Italiener, ob DIE so aufgeklärt sind?? Und die zwei sind garantiert NUR wegen dem Geld hier! (Die finden uns Deutsche generell ziemlich zum Kotzen.) Außerdem hab ich mal eine schwedische Nervensäge kennen lernen müssen … Und beim EPA in München, da arbeitet grade ein EU-Ausländer, und der arbeitet da nur, weil ihm beruflich nichts anderes übrig geblieben ist …

  4. Europa sagt:

    „Ich hab in Deutschland schon einige Amerikaner kennen gelernt, denen wir Deutsche auf den Geist gegangen sind, weil wir irgendwie nicht amerikanisch (und damit richtig) ticken. Ich kenne zwei Italiener, jaja, Italiener, ob DIE so aufgeklärt sind?? Und die zwei sind garantiert NUR wegen dem Geld hier! (Die finden uns Deutsche generell ziemlich zum Kotzen.) Außerdem hab ich mal eine schwedische Nervensäge kennen lernen müssen … Und beim EPA in München, da arbeitet grade ein EU-Ausländer, und der arbeitet da nur, weil ihm beruflich nichts anderes übrig geblieben ist …“

    Sie generalisieren und hetzen, Herr Brux. Ich behaupte nicht mal dass das unwahr ist, was Sie da oben geschrieben haben, aber man sollte es trotzdem nicht schreiben, weil es doch nur Hetze ist. Ganz ähnlich wie Sie mir auch immer unterstellen, wenn ich meine Erfahrungen die ich persönlich mit Muslimen gemacht habe, hier gepostet habe.
    Egal als wie unaufgeklärt Sie hier die Italiener Amerikaner Schweden und andere Ausländer erklären, so kann man schlussendlich immer noch sagen, dass es im nahen Osten und auch in der Türkei eine weniger aufgeklärte Gesellschaft gibt. Das ist so! Oder haben Sie schon gehört dass die Evolutionstheorie in Italien nicht in Schulen behandelt werden darf? Versuchen Sie nicht aus allen Völker der Erde nur noch einen grossen ekelhaften Einheitsbrei zu machen, sondern akzeptieren Sie einfach mal dass Menschen aus verschiedenen Gegenden der Erde auch einfach anders sind und sich anders benehmen und sich immer dem Land anzupassen haben in das sie auswandern und nicht umgekehrt. Thailand soll Thailand bleiben, die Türkei soll die Türkei bleiben und Deutschland soll Deutschland bleiben und was Deutschland ist, das entscheiden nicht Sie oder die Grünen, sondern das Volk und das ist mehrheitlich Deutsch und solange das so ist, müssen andere Nationalitäten sich anpassen, aber auch Religionen müssen sich den Gepflogenheiten eines Landes anpassen und wenn in einem Land Religionsfreiheit herrscht, dann sollte man noch mehr darauf achten, dass andere Religionen oder Weltansichten nicht von der eigenen Religion beeinträchtigt werden.

    „Ich kenne zwei Italiener, jaja, Italiener, ob DIE so aufgeklärt sind?? Und die zwei sind garantiert NUR wegen dem Geld hier!“

    Und wehe ICH hätte den gleichen Satz über Türken geschrieben. Dann wäre ich bei ihnen wahrscheinlich wieder nur ein Hetzer.
    Lieber habe ich Menschen die von vornherein sagen, ich bin nur wegen des Geldes hier und danach bin ich auch wieder weg, als wenn einer mir erzählt er wäre wegen der Religionsfreiheit hier, weil in seinem Herkunftsland kein so radikaler Islam praktiziert werden darf, als hier.
    Sie sollten unterscheiden von Problemen, die die Italiener mitbringen und von den Problemen die aus dem Nahen Osten eingeschleppt werden. Die sind nämlich von ganz unterschiedlicher Qualität, Herr Brux, aber Sie wollen es ganz offensichtlich wohl nicht wahr haben. Vorallem nach ihrem letzten Kommentar ist doch wohl klar, dass Sie eine leicht masochistische Ader haben und ihr Land und Kontinent wohl selbst nicht zu schätzen wissen.

    „Die finden uns Deutsche generell ziemlich zum Kotzen.“

    Was glauben Sie wie oft ich diesen Satz von Türken schon zu hören und zu fühlen bekommen habe und das waren nicht nur 2 sondern ein ganzes Fussballstadion.

  5. Kizushi sagt:

    Und um den Irrsinn perfekt zu machen:
    Hat das Ehepaar im Ausland geheiratet und da auch schon ein deutsches Kind zur Welt gebracht wird auch kein Sprachnachweis erforderlich.
    Oder um beim Artikel zu bleiben: Sind Barbara und Samuel verheiratet und Barbara wird schwanger und entbindet in Deutschland, dann darf Samuel auch einreisen ohne Sprachnachweis..

  6. Kizushi sagt:

    „Thailand soll Thailand bleiben, die Türkei soll die Türkei bleiben und Deutschland soll Deutschland bleiben und was Deutschland ist, das entscheiden nicht Sie oder die Grünen, sondern das Volk…“

    Der Großteil der Menschheitsgeschichte ist eine Geschichte der Migration. Die mal friedlicher und mal weniger friedlich ablief. Nur weil wir jetzt fast schon zufälligerweise seit 60 Jahren in einem stabilen Teil Europas leben können wir globale Entwicklungen nicht einfach aussitzen und hoffen, dass uns die „Fremden“ mit ihrer „Krankheit“ Armut nicht anstecken…

  7. Nkem sagt:

    Sprachnachweis bei Ehegattennachzug aus dem Ausland
    Leider ohne Hirn und verstand. Ungleichbehandlung verschiedener Nationalitäten.
    Der ein muß, der andere nicht. Ausserdem wissen viele nicht, das Leute wie ich mal soeben 645€ plus Bücher plus Fahrgeld zahlen müssen, weil Deutschland es so will. Zwangsverheiratung wird damit niemals vorgebeugt!
    Scheinehen auch nicht und die, die es ausbaden müssen, sind Menschen die sich lieben und hier zusammen leben möchten.
    Deutschland wie immer voller DISKRIMINIERUNG. Andere gegenüber und auch den eigene Leuten gegenüber.
    Eben alles estwas „rassistisch“

  8. gouvernator sagt:

    Die Sache ist doch gar nicht so unverständlich, wenn man an den Zweck der Regelung denkt:
    In manchen orientalischen Ländern besteht der Brauch der verabredeten Kinder- oder Jugendehe. De r(Nicht) Wille z.B. der Kind- Frau wird durch den Vater erklärt. Verbunden mit der Praxis, die Ehe in Deutschland leben zu wollen, (hier bekommt ein Kleinverdiener im Gegensatz zur Türkei üppige Sozialleistungen für den Nachwuchs), käme es ohne die Beschränkungsregelungen (Mindestalter und Deutschkenntnisse) zu noch höherer unliebsamer Einwanderung.. Wo steht geschrieben, dass die Ehe in Deutschland gelebt werden muss. Wer die Bedingungen nicht erfüllen will, kann sich doch im Herkunftsland niederlassen.

  9. BiKer sagt:

    @ gouvernator & alle anderen, die meinen, es gibt eine zuwanderung in die sozialsysteme

    die gibt es nicht. jeder, der familie zu sich holen will, aufenthaltserlaubnis verlängern will, sich einbürgern lassen will etc. muss die eigenständige sicherung des lebensunterhalts nachweisen. vorher geht nix. also hört auf, solche kommentare in die welt zu setzen, die zeigen, dass der autor nicht einmal das 1×1 des ausländerrechts drauf hat. ist doch peinlich.

  10. Pingback: Europäische Kommission – Visum zur Zusammenführung der Familie darf nicht vom Sprachtest abhängen | Migration und Integration in Deutschland | MiGAZIN