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Leos Wochenrückblick

Ausbildung, BILD, Roma, Koran und Islam

Die Themen der Woche: Der vermeintliche Erfolg in der Jugendausbildung; wie BILD hetzt - eine Analyse, Roma-Diskriminierung, Koran-Verbrennung, Islam an der Uni und Landesbischof contra Friedrich

Von Leo Brux Montag, 11.04.2011, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 18.04.2011, 0:25 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Bildungsministerin Schavan legt den Jugendausbildungsbericht 2011 vor, spricht von Erfolgen, die Medien klatschen Beifall. Weil sie sich nicht die Mühe machen, den Bericht selbst zu studieren und gegebenenfalls ein wenig nachzudenken. Das aber passiert auf den Nachdenkseiten :

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Da werden dann irgendwelche Statistiken herausgepickt, die Ministerin Schavan als Jubelmeldungen verkündet. Mit der tatsächlichen Lage auf dem Ausbildungsmarkt haben solche Meldungen kaum etwas gemein. Die Darstellung des BMBF ist eine Beschönigung der Lage, um nicht zu sagen, die Bildungsministerin betreibt reine Propaganda zugunsten der Spitzenverbände der Wirtschaft und zulasten hunderttausender junger Leute. Und die veröffentlichte Meinung plappert das munter nach. …

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Die Rheinische Post titelt: „Lage auf dem Ausbildungsmarkt verbessert sich“. Das ZDF meldet, „eine gute Nachricht“ oder „ein tolles Signal an die jungen Leute“. Der Spiegel jubelt: Juhu, wir werden weniger. Die Zeit setzt sogar noch eine Falschmeldung in die Überschrift: „Mehr Ausbildungsplätze für Schulabgänger“.

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Journalisten scheinen nicht mehr viel Zeit zu bekommen, sich um ihr Thema richtig zu kümmern.

Wie ein Medium hetzen kann, referiert der „Spiegelfechter“ Jens Berger – ebenfalls für die Nachdenkseiten – in seiner Rezension der BILD-Analyse des Otto-Brenner-Instituts. BILD arbeite nicht journalistisch …

Um journalistischen Mindeststandards zu genügen, müsste die Bild nicht nur journalistisch arbeiten, sondern zunächst einmal überhaupt den Vorsatz haben, den Leser zu informieren.

Das ist bei der Bild aber gerade nicht der Fall.

Die Bild bildet die Realität nicht ab, sie versucht die Wirklichkeit nach ihrer Weltsicht zu formen, und wenn ihr das nicht gelingt, beschreibt sie eben eine Scheinrealität.

Was nicht in das Raster der Bild-Meinung passt, wird ignoriert. Statements werden nicht rezipiert, sondern selbst produziert.

Als Musterbeispiel untersuchen die Autoren der Studie die BILD-Kampagne gegen die „Pleite-Griechen“ Januar – Mai 2010. Jens Berger fasst den Umgang der Zeitung mit der Migrantenthematik zusammen:

Bild hetzt! – gegen alles, was nicht ins erzkonservative, stets nationalchauvinistisch geprägte Raster der Bild passt.

Bild hat sich Sarrazin, wie ein Bauchredner seiner Puppe bedient.

Bild hetzt gegen Migranten, gegen den Islam, gegen Linke, gegen die 68er und ihre Erben, gegen liberale Werte und gegen Arbeitslose sowie Hartz-IV-Empfänger.

Bild ist sozialdarwinistisch bis ins Mark und steht dabei weit außerhalb des ansonsten gesellschaftlich tolerierten politischen Spektrums.

Bild blockt die Empörung vieler Menschen über soziale Ungerechtigkeiten gegen die „Gewinner“ aus den Verteilungskämpfen ab und lenkt den Zorn auf die sozial an den Rand Gedrängten, auf Minderheiten und auf Ausländer.

Bild schürt den „Klassenkampf im Armenhaus“.

Diese Hetze zeigt – anders als die politischen Kampagnen – auch sehr wohl ihre Wirkung.

Wenn man der Frage nachgeht, warum Teenager in der brandenburgischen Pampa, in der es fast keine Migranten gibt, ausländerfeindlich werden, findet man die Antwort in der Bild.

Und mit der Sarrazin-Kampagne ist es Bild gelungen das politische Spektrum ins Rechtspopulistische zu verschieben.

Über die Aufregungen zum Thema Islam in Europa verliert das Neue Deutschland nicht das Schicksal der Roma aus den Augen.

Am heutigen Internationalen Tag der Roma wird die Minderheit wieder auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen. Roma werden alltäglich diskriminiert und leben in ärmlichen Verhältnissen. Vor allem in Osteuropa sind sie zudem häufig Opfer rechtsextremer Gewalttaten. Als »eine Dritte Welt in der Ersten Welt« beschrieb Nadine Papai von der Internationalen Romani Union (IRU) die Situation vieler der zehn bis zwölf Millionen Roma, die in der Europäischen Union leben.

Etwa 90 Prozent von ihnen sind arbeitslos. Nur etwa 42 Prozent der Roma-Kinder absolvieren die Grundschule.

„Selber schuld! Unfähige Leute!“ – Diese populistische Reaktion ist naiv und kontraproduktiv:

Diskriminierung und Ausgrenzung hätten einen »Produktivitätsverlust und weniger Einnahmen« zur Folge, »da möglicherweise potenzielle Talente vergeudet werden«, erklärte die Kommission.

Laut Rudko Kawczynski, Präsident des European Roma and Travellers Forum, sind mehr als 90 Prozent der europäischen Roma arbeitslos.

Diese Quote soll deutlich gesenkt werden, dadurch würden sich zugleich die Sozialausgaben verringern und mehr Bürger würden Steuern zahlen.

Die Weltbank geht davon aus, dass dies einigen EU-Staaten einen wirtschaftlichen Nutzen von rund 0,5 Milliarden Euro pro Jahr bringen würde.

Eine solche ökonomische Begründung von Maßnahmen gegen diskriminierende Strukturen mag Moralisten zynisch erscheinen. Aber nur eine nüchterne Nutzenkalkulation versetzt die Berge des Geldes und der Macht.

Über die Verbrennung des Koran durch den US-amerikanischen Pastor Jones und der darauf folgende Mobangriff im afghanischen Masar-i-Sharif mit 8 toten UN-Mitarbeitern wurde zwar gebührend berichtet, sie wurde aber eher wenig kommentiert.

Im Tagesspiegel versucht es Malte Lehming. Einerseits habe der Pastor grob verantwortungslos gehandelt, denn er habe um die gefährlichen Folgen seiner Tat gewusst; andererseits liege das Verbrechen bei den Mördern. Der letzte Satz zieht das Resümee:

Wer Terry Jones verachtet, beachte ihn möglichst wenig.

Nichtbeachtung scheint auch in der islamischen Welt üblich gewesen zu sein. Außer aus Afghanistan hat man kaum etwas über Proteste, überhaupt über Reaktionen vernommen.

Sollte der Eindruck stimmen, so wird man wohl auch den Mordmob in Afghanistan weniger dem Islam als den besonderen lokalen Bedingungen dort zuschreiben müssen.

Für unsere Islamfeinde war diese gelassene Reaktion dann doch wohl eine Enttäuschung.

Der Islam hält Einzug an einigen deutschen Universitäten. Zum Beispiel in Frankfurt. Am Montag geht es dort los. Zunächst kommt Masterstudiengang. Im Laufe des Jahres sollen zwei Professuren eingerichtet werden. Der focus berichtet darüber. Vize-Präsident sieht die möglichen Leistungen für die Forschung und für die Integration. Aber er rechnet auch mit Gegenwind:

Theologie sei ein umstrittenes Feld, allein schon die Frage, ob die Texte historisch seien oder nicht. Es werde nicht einfach eine Glaubenstradition fortgesetzt, sondern etwas verändert im Reflexionsprozess. „Das wollen fundamentalistisch angehauchte Kreise nicht“, fügte Lutz-Bachmann hinzu, „in allen Religionen wohlgemerkt“.

Die Süddeutsche Zeitung interviewt den neuen evangelischen Landesbischof in Bayern und fragt, wo er sich mit der bayerischen Landesregierung anlegen könnte …

Wo könnte der neue Landesbischof mit der Regierung aneinander geraten?

Bedford-Strohm: Zum Beispiel beim Thema Islam. Wir müssen die Muslime stärken, die sich für einen liberalen, demokratiefreundlichen Islam einsetzen. Wir dürfen sie nicht schwächen, indem wir signalisieren: Ihr gehört nicht zu uns. So aber wurden die Äußerungen des neuen Innenministers Hans-Peter Friedrich verstanden. Wir sollten die Vielfalt der Religion nicht als Gefahr, sondern als Chance begreifen.

Braucht Bayern eine Islamkonferenz?

Bedford-Strohm: Das wäre sicher eine Möglichkeit, manche Irritationen zu vermeiden. Es hängt alles davon ab, dass Menschen sich achten lernen, einander vertrauen können. Freunde können sich auch kritisieren.

Das katholische Domradio berichtet, was der bayerische Innenminister Herrmann dazu sagt:

„Ich stimme Herrn Bedford-Strohm zu, dass wir die Muslime stärken müssen, die sich für einen liberalen, demokratiefreundlichen Islam einsetzen.“

Gleichzeitig lässt der Innenminister die liberale Islamische Gemeinde Penzberg im Verfassungsschutzbericht erwähnen und bemüht sich um die Ausgrenzung des Islam überhaupt.

Ja was nun?!

„Niemand darf öffentlich eine Bekleidung tragen, die dazu bestimmt ist, das eigene Gesicht zu verhüllen.“

Das sagt das neue französische Burka-Verbots-Gesetz, das ab Montag gelten soll. Anzunehmen, dass es darüber kommende Woche in den Medien einiges zu berichten und kommentieren gibt. Vorab schon mal etwas auf meinem Blog. Aktuell Meinung

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  1. keton sagt:

    @ MoBo
    Man könnte auch Sie und Leo Tse Dong als Stalinisten bezeichnen.
    Warum?
    Systemkritik war auch in sozialistischen Systemen nicht verboten. Aber man wußte was sich gehörte, wollte kein asozialer Querulant sein und unterließ es deshalb im Wissen um die Folgen die es nach sich gezogen hätte.
    Islamkritik ist selbstverständlich auch erlaubt, aber wer sich dazu erdreistet ist ein Hetzer, sehr wahrscheinlich ein Nazi und gehört am besten gleich irgendwo gemeldet.
    Sie erkennen die Parallele?

    @ arabeska
    „Für mich sind diese (paranoiden) Hetzer im Forum zwanghafte Persönlichkeiten, die es schwer annehmen können, dass es in allen Lebensbereichen keine Absolutheit, keine unveränderlichen Prinzipien gibt. Das starre Festhalten am Überkommenen auf allem möglichen Gebieten führen zum Dogmatismus, zu Prinzipien, Vorurteilen und zu verschiedenen Formen des Fanatismus. Je starrer man sie vertritt, desto intoleranter wird man jedem gegenüber, der sie angreift oder in Frage stellt.“
    Danke für diese offenherzige Kritik an bestimmten Ausprägungen des Islam.

  2. Leo Brux sagt:

    keton,
    erneut leugnen oder übergehen Sie den Unterschied zwischen Kritik und Hetze. Versuchen Sie doch einmal selbst, den Unterschied zu definieren oder zu erläutern!

    Bezüglich der Kritikfreiheit in kommunistischen, stalinistischen Regimen: Bemerkenswert, keton, wie Sie die sich die Geschichte zurechtbiegen. Sie sollten mal die Historiker konsultieren, die über das Thema schreiben.

    Fühlen Sie sich hier in Deutschland und im MiGAZIN stalinistisch behandelt, keton?

  3. keton sagt:

    @ Leo Brux
    Solange Kritik auf Fakten basiert gibt es keinen Grund dies als ‚Hetze‘ zu diffamieren. Das wäre mein Kriterium.

    • Leo Brux sagt:

      keton,
      ich erinnere mich an einige Hetze gegen „Neger“, die – da waren die Hetzer überzeugt – ganz auf Fakten basiert hat. Aus den Geschichtsbüchern können wir lernen, dass der Antisemitismus sehr wohl harte Fakten benannt hat – etwa die ganz und gar überproportionale Beteiligung von Juden an Revolutionen (Oktoberrevolution, oder denen in Berlin und München), an Fakten über die Kriminalität im Berliner Scheunenviertel, an Fakten bezüglich der Vorherrschaft „DER“ Juden im Bankensektor und bei den Warenhäusern, etcetera. Auch dass da eine Verschwörung dahinter sein musste, war den Antisemiten schlicht ein Faktum.

      Es kommt also darauf an, was man zum Faktum erklärt, bzw. wie man damit umgeht.

      Die Grünen profitieren von der Debatte um Sarrazin und von der Hetze gegen Muslime, weil sie das Drittel der Bevölkerung ansprechen, dass eine solche Hetze nicht mag. Ich konnte das in München direkt erleben, als es um die Sendlinger Moschee ging. Die Grünen sind nach Umfragen die einzige der fünf Bundestagsparteien, in denen negative Urteile über Muslime klar in der Minderheit sind. Es gibt sie auch, aber vergleichsweise sehr viel weniger als bei den anderen vieren. Am stärksten scheinen die Vorurteile bei den Wählern der Linken zu sein …