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Eigentor

Kicken verboten!

Die iranische Regierung erlaubt ihren Frauenfußballern zu kicken, nur wenn sie ein Ganzkörper Outfit und dazu ein Kopftuch tragen. Bei der FIFA ist dagegen der „Hidschab“ unerwünscht. Wie die iranische Frauen Fußballnationalmannschaft in Amman Opfer dieses „Kopftuch-Streits“ wurde.

Von Dienstag, 07.06.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.06.2011, 1:58 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Spieler der iranischen Frauen Fußballnationalmannschaft müssen die traurige Nachricht nur wenige Minuten vor dem Spielbeginn in den Katakomben des Stadions erfahren haben. Die Gesichter sprachen für sich, als sie das Spielfeld betraten. Der Ball stand, wie bei jedem Spielanfang in der Mitte. Dann folgten die Nationalhymnen. Die gegnerische Mannschaft aus Jordanien stand vor ihnen. Und bevor das angepfiffen wurde, pfiff der Schiedsrichter die Partie auch schon aus. Die Entscheidung 3:0 für Jordanien.

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Was war passiert? FIFA schloss das iranische Team wegen ihrer islamischen Bekleidung von der Qualifizierung der Asiengruppe für die Olympiade 2012 in London aus. Das Spiel ist beendet, damit auch der Traum dieser Frauen. Fassungslosigkeit bei der iranischen Mannschaft. Alles umsonst, dachten sie in diesem Moment.

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Anschließend geht ein Foto durchs Netz. Man sieht die Frauenfußballer völlig am Boden zerstört. Sie halten die Hände vors Gesicht. Ihre Tränen aber lassen sich trotzdem nicht verstecken. Das Foto betitelten die meisten Medien hierzulande: „Die iranische Frauenmannschaft weigert sich das Kopftuch abzulegen“.

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Als hätten diese Frauen in Wirklichkeit die Chance gehabt, sich Für oder Gegen das Kopftuch zu entscheiden. Fakt ist: Die iranische Nationalmannschaft ist wie Millionen andere Frauen im Iran auch gesetzlich verpflichtet, ein Kopftuch zu tragen. Sonst droht ihnen eine Haftstrafe.

Die FIFA weiß das und es ist nicht das erste Mal, dass sie sich mit dem iranischen Frauen Nationalfußball Verband darüber streitet. Wieso also entscheidet sich die FIFA nur wenige Minuten vor Spielbeginn, die Bekleidung diese Frauen nicht zu akzeptieren?

Die offiziellen iranischen Nachrichten Agenturen berichten, dass der iranische Nationalfußball Verband, der FIFA ein Muster des „islamischen Trikots“ zugeschickt und sich eine Art Sondergenehmigung eingeholt hätte.

Die FIFA hingegen behauptet, dass sie sich auf eine Kopfbedeckung in Form einer Kapuze geeinigt hätten. Dabei sei es der FIFA aus „Sicherheitsgründen“ wichtig gewesen, dass bei den Frauen die Ohren und der Hals frei bleiben.

Wie auch immer. Der Streit führte letzten Endes dazu, dass die FIFA diese Frauen kurz vor ihrem ersten Spiel aus dem Wettbewerb rausschmiss. Eine regelrechte Demütigung für diese Power Frauen vor laufenden Kameras. Selbst die jordanischen Fans zeigten Mitleid.

Da stellt sich die Frage, wo denn bei der FIFA die Chancengleichheit bleibt.

Diese Frauen sind Opfer ihrer Staatsmacht, die ihnen strikt vorweist, ihren Kopf zu bedecken, und zwar so wie Teheran das will und nicht wie FIFA es vorschreibt. Demzufolge soll hier klar und deutlich die iranische Regierung als Haupt verantwortlicher für das „Scheitern“ genannt werden.

Dennoch sollte die FIFA sein Verhalten überdenken. Nicht das iranische Regime wurde durch den „Rauswurf“ bestraft, sondern diese Frauen, die trotz massiver Hindernisse hart für das Turnier trainiert hatten. Es dürfte wohl kaum die richtige Entscheidung gewesen sein, das Talent dieser Frauen zu ersticken.

Dazu ein Zitat von einem der Fußballerinnen, die ich im Sommer 2006 in Teheran interviewte: „Es ist Gott weiß nicht bequem für uns, mit diesem Outfit zu spielen. Aber wir tun es. Aus Leidenschaft zum Fußball und aus unserem Recht heraus. Wir wollen damit den traditionellen Männern in diesem Land zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Mit oder ohne Kopftuch: Wir werden spielen und wir können es genauso gut.“

Dabei darf nicht vergessen werden, dass Frauenfußball nach der islamischen Revolution gänzlich verboten wurde. Diese Frauen haben es dennoch geschafft, eine Nationalmannschaft in einem Land aufzustellen, in der Frauen verboten ist, ein Fußballspiel der Herren im Fußballstadion anzuschauen.

Zunächst erlaubte das Mullah-Regime den Frauen nur in den Hallen zu kicken, um bloß keine große Aufmerksamkeit zu erwecken. Erst 2006 fand in Teheran das erste Fußballspiel der iranischen Fußballnationalmannschaft der Frauen in einem Stadion statt. Der Gegner war das Frauenteam des Berliner Vereins BSV Al-Dersimspor aus Kreuzberg.

Unter Berücksichtigung dieser Historie hat sich die FIFA durch diese Entscheidung auf die falsche Seite gestellt. Diese Frauen hätten nicht ausgegrenzt, sondern gefördert werden müssen. Sie hätten keinen Rausschmiss, sondern Respekt verdient!

Es bleibt zu hoffen, dass der Kampfgeist dieser Frauen ihnen auch in Zukunft die Kraft gibt, weiter zu kicken und noch viele Tore zu schießen. Aktuell Meinung

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  1. Iranopoly sagt:

    @boxvogel

    nein, der anischt bin ich nicht. wie denn auch? mit minirock und spagetthiträger wird man/frau nicht unterm azaditurm durchlaufen können.

    nur, es liegen keinerlei anzeichen vor für die annahme, die iranerinnen würden diese kleiderordnung ablehnen – von daher ist nicht von einem zwang zu sprechen.

    woher weiß man das die mehrheit der frauen diese kleiderordnung nicht unterstützt. den gegenteiligen eindruck hatte ich bisher nicht auf meinen iran-aufenthalten. selbst die die in tehran gegen das kopftuch sind, unterstützen eine gewisse hijaborientierung unterhalb des halses. in iran möglicherweise so rumzulaufen wie in paris, berlin und london gilt selbst unter liberalsten iranerinnen als verpöhnt. das merkt man immer dann wenn diese herrschaften nach europa zu besuch kommen.

    der artikel ist lediglich der träger einer politischen haltung die die autorin zum ausdruck bringen möchte. die botschaft von frau hosseinpour ist eindeutig: das kopftuch sollte weltlichen dingen nicht voranstehen (sprich, die FIFA hat nicht sooooo unrecht). das mag ihre sicht sein – sie jedoch auf DIE iranerinnen zu reflektieren ist genau der gleiche ansatz den necla kelek und Co gehen.

    Sie fragen was so schlimm daran ist, wenn jeder so ist wie er sein will . Ich frage was ist, wenn die demokratische Mehrheit der iranischen Frauen dahinter steht? sprechen wir ihnen dann den willen ab – und das aus europa heraus? wer sind wir denn? das einige damen dagegen sind ist mir schon klar. ist es aber die mehrheit, oder sind die die mehrheit die sich jahrzehntelang den hijab erkämpft haben, nachdem er ihnen im atatürkischen stile im iran vom kopf gerissen und durch pariser mode ersetzt wurde?

    und das iran ne diktatur ist, habe ich jetzt mal dezent überlesen:

    salam und schöne grüße

  2. KTL sagt:

    Was dann jetzt, Boxvogel, haste die Seiten gewechselt?

  3. Boxvogel sagt:

    Dann muß ich es nochmal anmerken: Der Iran ist eine Diktatur – nur damit es diesmal nicht überlesen wird.
    Ich halte absolut nichts davon Jemanden etwas aufzuzwingen, weder das Ab- noch das Anlegen des Kopftuchs. Ich weiß nicht ob die Mehrheit dafür oder dagegen ist, dies tut aber auch nichts zur Sache, ist Kleidung doch Privatsache und hat Niemanden zu interessieren, schon gar nicht einen Staat.
    Mal andersrum, in Deutschland ist die Mehrheit gegen das Kopftuch, dürfen wir dieses jetzt verbieten? Wohl eher nicht, wird ja sofort nach den Grundrechten geschrien, da gilt dieses Prinzip auf einmal nicht mehr.

  4. saggse sagt:

    Die FIFA ist ein korrupter Verein. Keine Frage, aber sie ist ein Verein, der Vereinsregeln festlegen kann. Wenn der Golfclub von Knistermeckelfingen das Tragen weißer Socken verbietet, darf er das auch und wer da mitspielen will, muß halt die weißen Socken zu Hause lassen, es zwingt ihn ja niemand im Verein Mitglied zu werden. Außerdem sollte man als Zuschauer schon Männlein von Weiblein unterscheiden können, wenn man Lodda Matthäus oder Maradonna, ganz zu schweigen von Özil, in so einen Taucheranzug steckt, würden die locker auch als Frauen-Fußballer durchgehen und da wäre doch die Chancengleichheit dahin.

  5. Boxvogel sagt:

    @KTL: Ich wechsle niemals die Seite – ich bin immer auf meiner. :))

    Ausserdem spricht ja sonst kein Niqab-Befürworter mit mir, schon gar Keiner der mir den Iran als demokratischen Staat verkaufen will. Diese Gelegenheit muß ich nutzen, sind die Antworten ja sehr demaskierend.

    Ich will eben nur, dass man Niemanden seinen Willen aufzwingt, weder den Frauen im Iran, noch mir in Deutschland und das tut mein Lieblingsfeind ja gerne.

  6. Fikret sagt:

    Eigenartig!

  7. Bierbaron sagt:

    @ Iranopoly

    Es ist eben keine freie Entscheidung: Iranische Frauen werden, wie im Artikel geschrieben, zum Tragen des Kopftuchs verpflichtet. Dies ist eine politische Einmischung – auch in die Sportbekleidung der iranischen Fußballspielerinnen. Laut FIFA-Statuten ist jede politische Einmischung in die Belange des Fußballs verboten, die Disqualifizierung der weiblichen, iranischen Fußballsmannschaft also rechtens.

    Ob wir nun, wie im Artikel gefordert, den Unterdrückten helfen, indem wir die Instrumentarien der Unterdrückung akzeptieren, ist eine Frage, die jeder nur für sich beantworten kann. Ich muss es ganz entschieden verneinen…

    Grüße
    Bierbaron

  8. Kalif Harun al Pussah sagt:

    Tja, so ist das nun mal. Eine israelische Basketballerin darf noch nicht einmal mit T-Shirt unter dem Trikot auflaufen: http://www.israelnetz.com/themen/sport/artikel-sport/datum/2011/06/10/basketball-em-aus-wegen-religioeser-ueberzeugungen/

    Warum gründen die nicht einfach einen eigenen Verband (z.B. alle islamischen Länder unter der Führung der Achse Türkei-Iran, plus China und Russland), dann haben die auch einmal die Chance einen Pokal mit nach Hause zu nehmen!? ;-)

  9. Iranopoly sagt:

    @boxvogel

    in iran wird gewählt: den präsidenten, das parlament, der expertenrat und so weiter. keiner in iran steht ausserhalb der verfassung.

    in deutschland wählen wir hingegen weder den bundeskanzler noch den präsidenten. tolle demokratie.

    eine demokratie muss nicht sekular sein um eine demokratie zu sein. demokratie heisst nichts weiter als ein vom volk durch wahlen legitimierter staat.
    und nochmal: es ist kein zwang, die frauen im iran stehen hinter der kleiderordnung.

    @bierbaron

    die frauen des iran stehen hinter der kleiderordnung. das kann man aber nur wissen, wenn man auch den iran kennt und zwar nicht nur aus hören und sagen.

    und vor allem: warum juckt es keine anderen sportverbände? es ist nur die korrupte FIFA die so herrenmenschlich entscheidet.

    die FIFA auflösen und ausserhalb europas neu gründen!

  10. Europa sagt:

    Ich habe letztes mal auch ein Bericht im Fernsehen gesehn, indem ein Mädchen und andere Frauen gegen das Kopftuch waren und dieses auch nicht tragen wollten und dann dazu gezwungen wurden.

    Menschen die Behaupten, dass die Frauen im Iran das Kopftuch freiwillig tragen, weil es ihnen „gefällt“ sind ganz einfach Lügner oder Männer dievon diese patriarchalischen Absurditäten nicht betroffen sind und sie weiterhin unterstützen wollen. So einfach ist das hier in Deutschland!