Internet-Koffer der USA
Das digitale Werkzeug für Meinungsfreiheit?
Schatten-Internet aus dem Koffer - damit will die US-Regierung die Internetzensur von repressiven Staaten bekämpfen. Kritikern geht dieser Eingriff zu weit. Das sei eine Einmischung in innere Staatsangelegenheiten.
Von K G Mittwoch, 15.06.2011, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 17.06.2011, 4:13 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die US-Regierung will mit neuen Mitteln die Internetzensur von repressiven Staaten bekämpfen. So hat sich jetzt das US-Department unter der Führung von Hillary Clinton „Kommunikationsfreiheit“ ganz groß auf die Fahnen geschrieben. Mit 2.000.000 US-Dollar finanzierte das Ministerium bereits die Neuentwicklung eines sogenannten „Schatten-Internets!“
Die gesamte Hardware-Technik passt in einen Aktenkoffer. Mithilfe dieser Ausrüstung soll den Aktivisten, vor allem in Ländern, wie Syrien, Iran und Libyen ermöglicht werden, einen eigenen Internetzugang zu bauen! Eine Art „paralleles Telekommunikationssystem” der unabhängig von den jeweiligen staatlichen Netzbetreibern funktionieren soll. Denn die Erfahrung zeigt, dass die autoritären Regierungen während sich anbahnender Unruhen rasch Internetverbindungen und damit den Kontakt zwischen den Oppositionellen, aber auch zur Weltöffentlichkeit blockieren.
Funktionsweise des „Internet-Koffers”
Nach einem Bericht der New York Times ist die «Open Technology Initiative», eine Non-Profit-Organisation an der New America Foundation für die Erfindung des „Internet-Koffers” zuständig. Dieser Koffer enthält kleine drahtlose Antennen, die den Bereich der Netzabdeckung erhöhen könnten, ein Laptop, um das System zu verwalten, USB-Sticks und CDs, die die Software auf mehrere Geräte verbreiten.
Das Prinzip dieser technischen Lösung heißt: „Mesh-Netzwerk”. Hier werden mehrere Geräte wie Mobiltelefone, oder wie PCs und Laptops, gleichsam mit zahlreichen einzelnen Knotenpunkten miteinander verbunden. Dadurch können Informationen, in Form von Mails oder Videos von Knotenpunkt zu Knotenpunkt weitergeleitet werden, bis sie ihr Ziel erreichen. Der größte Vorteil bei diesem System besteht darin, dass sich das Netz automatisch neu einrichten kann, wenn ein Knoten oder eine Verbindung blockiert oder ausgefallen ist. Die Daten werden sodann umgeleitet und das Netzwerk bleibt nach wie vor betriebsfähig.
Aber hier geht es nicht nur um die freie Informationsübertragung, sondern auch um den Schutz dieser Menschen. Wie hoch ist das Risiko, dass die Benutzer dieses Systems, von ihren Regierungen überwacht und festgenommen werden können?
Josh King, ein Mitarbeiter dieses Projekts, nimmt in einem Interview Stellung dazu: „Es gibt keine 100-prozentige Sicherheitsgarantie. Aber unser größtes Ziel ist natürlich für die höchste Sicherheit zu sorgen, sodass die Benutzer nicht geortet werden können. Da man durch diese Methode sein Gerät bei unterschiedlichen Funk-Wellenlängen einloggen kann, hoffen wir, dass demzufolge die Gefahr durch die Staatskontrolle entdeckt zu werden sinken wird.“
Allein die Ankündigung dieser „technologischen Freiheit“ löst in Teheran heftige Reaktionen aus. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Ramin Mehmanparast, warnt die USA vor der Durchführung eines „Schatten-Internets“ im Iran: Die Amerikaner sollen sich von der iranischen Cyber-Welt fernhalten, weil das Ganze doch am Ende nur ihnen selbst großen Schaden heraufbeschwören werde.
Cyber-Front?
Dabei ist die Cyber-Initiative der Obama-Regierung nichts anderes als eine „neue Front“. Denn seit Jahrzehnten investieren die Vereinigten Staaten in TV- und Radiosendungen wie „Voice of America“ oder „Radio Free Europe“. Diese Sender sollen täglich die neuesten Nachrichten, aber auch politische Analysen in diktatorische Staaten per Satellit und in jeweiliger Landessprache bringen und dadurch die Bevölkerung informieren.
Aber Kritiker des „Schattennetzwerks“ fragen, ob die Verbreitung eines solchen Systems und die heimliche Einführung des „Internet-Koffers“ im Iran oder in anderen Ländern, nicht zu weit gingen, und so als eine Einmischung in innere Staatsangelegenheit gelten könnte?
Josh King lehnt diesen Vorwurf vehement zurück: „Wir machen ja nichts anderes als den Menschen, denen ihre Regierungen den Internetzugang gesperrt haben, die Möglichkeit zu geben, wieder diesen nutzen zu können“.
Diese Notwendigkeit „Freiheit im Internet“ scheint der US-Regierung viel zu bedeuten. Die zwei Millionen Dollar für das „Internet-Koffer“- Projekt ist nur Teil einer 70 Millionen schweren Großkampagne, die das US-Außenministerium unter Präsident Barack Obama bis Ende 2011 ausgeben wird.
Freiheitsbewegung durch das Internet
Die US-Außenministerin Hillary Clinton kommentiert die Anstrengungen ihres Amtes gegenüber der New York Times: „Immer mehr Leute benutzen das Internet, Mobiltelefone und andere Technologien, um ihre Proteste gegen Ungerechtigkeiten zum Ausdruck zu bringen“. Die technische Unterstützung der freien Meinungsäußerung, so Clinton weiter, sei deshalb eine historische Chance für die USA, positiven Wandel in der Welt herbeizuführen.
Aber warum wollen Amerikaner wirklich die „Demokratie Bewegungen“ unterstützen, oder geht es ihnen dabei doch um ihre eigenen Interessen?
Kritiker behaupten, dass es schwierig ist, einen Unterschied zu machen. Clay Shirky, ein Assistenzprofessor an der New Yorker Universität, der ein Kenner des Internets und der sozialen Medien ist, sagte in einem Interview: „Man kann nicht behaupten, alles was wir wollen ist, dass die Leute ihre Meinungen äußern können und nicht dass wir die diktatorischen Regime stürzen wollen” – hier geht es also um beides!
Klar ist, dass die Amerikaner nur dann glaubhaft sein werden, wenn sie keine Ausnahme machen, sondern ihre „neue technologische Errungenschaft” allen Freiheitsbewegungen weltweit anbieten.
In welchem Ausmaß Projekte wie der „Internet-Koffer“ tatsächlich die gewünschte Wirkung erzielen werden, wird sich außerdem noch zeigen müssen. Aktuell Ausland
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