Türkei nach den Wahlen
Die Rolle der Frau – sie dreht sich
Nach den türkischen Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag ist viel los in der Türkei. Unter anderem wird erstmals eine Frau für das Amt des Parlamentspräsidenten gehandelt. Es wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Von K G Donnerstag, 16.06.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.06.2011, 0:38 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nicht nur die AKP mit Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan hat am Sonntag in der Türkei einen Sieg davon getragen, sondern auch die türkischen Frauen. Erstmals in der Geschichte des Landes sind 78 weibliche Abgeordnete in das 550 Sitze umfassende Parlament eingezogen, 28 mehr als noch im Jahr 2007. Damit ist der Frauenanteil in der türkischen Volksvertretung von 8,9 auf 14,2 Prozent gestiegen. Die Repräsentation der Frauen in der Türkei ist also auf dem Vormarsch – auch wenn sie damit noch unterhalb des weltweiten Durchschnitts von 19,3 Prozent liegt.
Zudem hat erstmals eine Frau die Chance, zukünftig das zweitwichtigste Amt der Republik zu bekleiden. Nimet Çubukçu, seit 2007 Familienministerin, könnte von Ministerpräsident Erdoğan für die Wahl des Parlamentspräsidenten am 29. Juni vorgeschlagen werden. Die Bedeutung, die diesen femininen Strömungen innerhalb der türkischen Politik zukommt, mag aber nur verstehen, wer um die Rolle der Frau in der türkischen Gesellschaft weiß.
Mängel und Chancen
Die Türkei wird von der EU regelmäßig daran erinnert, dass noch viel zu tun ist, bevor der Weg für eine EU-Mitgliedschaft frei ist. Bei dem Thema „Frauenrechte“ und „Gleichberechtigung“ sieht sie ebenfalls noch wichtigen Handlungsbedarf. So bemängelt die EU-Kommission in ihrem letzten Fortschrittsbericht, dass der sogenannte „gender gap“ in der türkischen Bevölkerung schon in der Grundschule angelegt ist.
Denn insbesondere in ländlichen Regionen gibt es eine große Anzahl von jungen Mädchen, denen keine richtige Schulbildung zukommt. Dies hat gravierende Konsequenzen: Türkische Frauen sind in der Politik und auf dem Arbeitsmarkt generell unterrepräsentiert. Sind türkische Frauen aber gut ausgebildet, stehen ihnen viele Möglichkeiten offen. Ein Ländervergleich aus dem Frühjahr ergab, dass in den türkischen Führungsetagen jede vierte Position mit einer Frau besetzt ist, in den Vorstandsetagen kommen türkische Frauen auf 14 Prozent. Zum Vergleich: Der EU-Schnitt liegt hier bei mageren drei Prozent.
Gewaltproblem ungelöst
Und das ganze ohne staatlich angeordnete Frauenquoten und trotz mangelhaften Betreuungsmöglichkeiten für Kinder. Dennoch: Der Zugang zu weiterführender bzw. höherer Schulbildung bleibt Frauen nicht selten verwehrt. Dazu kommt, dass die Gewalt an Frauen nach wie vor weit verbreitet ist. Das Spektrum reicht von häuslicher Gewalt, Zwangshochzeiten von jungen Mädchen bis hin zu Ehrenmorden. Es existieren zwar längst staatliche Maßnahmen, die diesen Entwicklungen entgegenwirken sollen, die Kommission vermisst aber bislang messbare Fortschritte. Das generelle Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen im Alltag zu bekämpfen, bleibt ihrer Ansicht nach eine überaus wichtige Herausforderung der türkischen Gesellschaft.
Derlei Verhaltensweisen können nur langsam verändert werden, da sie ein Bindeglied zwischen den Generationen darstellen und somit in ihren Grundsätzen immer weiter gegeben werden. So kritisiert die Kommission beispielsweise auch, dass das Rollenbild der Frau in der türkischen Gesellschaft schon in den gängigen Schulbüchern zementiert wird.
Umso wichtiger sind lebendige Gegenbeispiele, Vorbilder, Repräsentanten, die in der Öffentlichkeit auftreten und von jungen Menschen wahrgenommen werden. Frau Çubukçu könnte dabei einen wichtigen Beitrag leisten – oder aber auch die übrigen 78 Volksvertreterinnen. Aktuell Ausland
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Nach Budget-Halbierung Regierungsbeauftragter für Reform der Integrationskurse
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- „Hölle“ nach Trump-Sieg Massenabschiebungen in den USA sollen Realität werden
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
Ein wirklich peinlich-devoter Artikel. Gottseidank kommt zum Ende doch noch das Wesen des islamgeprägten Türkentums zur Sprache – Gewalt gegen Frauen. Ungelöst.
Das ist nämlich die Realität und das geht uns auch in Deutschland an.
Diese Verhaltensweisen sind aus dem Orient nach Mitteleuropa, also mitten unter uns getragen worden.
Die Rolle der Frau dreht sich im Islam der türkischen Community, allerdings nur im Kreis, in einer Spirale der Gewalt.
Das ist leider die Realität – auch in Marxloh oder Ehrenfeld.
Wir und die, das unvereinbare Gesellschaftsentwürfe.
Frau Nimet Çubukçu hat erst kürtlich vorgeschlagen, die Schule solle Werte vermitteln, die auf dem „Glauben an Gott“ basieren und dies in islamischer Terminologie. Angeblich wurde auch über die Möglichkeit getrennter Klassen für Jungen und Mädchen diskutiert. Die Schule solle Werte vermitteln, die auf dem „Glauben an Gott“ basieren.
Übrigens,
Im türkischen Schulsystem ist zwar Religionsunterricht als Pflichtfach per Verfassung vorgeschrieben. Alle Schüler außer Christen und Juden werden in sunnitischer Religion unterwiesen, ob ihre Eltern wollen oder nicht.
Das nationale Erziehungsministerium (MEB) sieht jedoch keinen Grund, etwas am Unterricht zu ändern, da sich das Gericht auf den Artikel 2 des 1. Zusatzprotokolls zu den Europäischen Menschenrechtsverträgen bezog. Dieses Zusatzprotokoll hatte die Türkei nur mit dem Vorbehalt unterschrieben, dass die Einheit des Unterrichts nicht verletzt werden dürfe.
Die Empfehlung des Rats, dem Unterrichtsministerin Nimet Çubukçu vorsitzt, läuft auf eine Abschaffung der einheitlichen achtjährigen Schule hinaus. Damit könnten Schüler und Schülerinnen schon in der fünften statt erst in der neunten Klasse auf eine Predigerschule wechseln. Genau um dies zu verhindern wurde die achtjährige Einheitsschule auf Druck des Militärs einst eingeführt.