Bilkay Öney
Initiative für Doppelpass und Abschaffung des Einbürgerungstests
Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney will den Einbürgerungstest abschaffen und Kindern von Ausländern die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen. Angesichts veränderter Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat stünden die Chancen gut.
Dienstag, 26.07.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 31.07.2011, 22:31 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Mit 1,28 Millionen Ausländern und 2,7 Millionen Einwohnern mit Migrationshintergrund ist Baden-Württemberg in Deutschland das Bundesland mit dem höchsten Migrantenanteil. „Die Zahlen stellen uns vor eine Herausforderung“, so Baden-Württembergs Integrationsministerin Ministerin Bilkay Öney (SPD). Der Integrationspolitik komme deshalb ein hoher Stellenwert zu.
Integration sei eine gesamtstaatliche Aufgabe, die in alle gesellschaftlichen Bereiche hineinwirke. „Das neue Ministerium für Integration will den Integrationsprozess in Baden-Württemberg mit eigenen Initiativen gestalten, aber auch Einfluss auf die Integrationspolitik des Bundes nehmen“, betonte die Ministerin am Montag in Stuttgart. Dem Dialog mit den maßgeblichen Organisationen und Verbänden sowie öffentlichen Institutionen messe sie ganz besondere Bedeutung zu.
„Die Migranten haben Anspruch auf gesellschaftliche Solidarität. Ohne eigene Anstrengungen kann Integration aber nicht gelingen“, sagte die Ministerin. Von den Migranten erwarte sie insbesondere, dass sie die bestehenden Sprach- und Bildungsangebote annehmen. Sprache und Bildung seien der Schlüssel für Chancengerechtigkeit und beruflichen Aufstieg.
Anerkennung ausländischer Abschlüsse
Ministerin Öney: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Migranten den Anschluss an die Gesellschaft verlieren, weil sie nicht ausreichend Deutsch sprechen, eine ungenügende Schulausbildung haben und deshalb keine qualifizierte Arbeit finden.“ Der sich abzeichnende Mangel an Fachkräften in technischen und sozialen Berufen erfordere, in die Köpfe der Migranten zu investieren. Gut ausgebildete Migranten würden immer mehr zu einem Standort- und Wettbewerbsfaktor. „Jeder Euro, der in wirksame Integration investiert wird, ist gut angelegt“, so die Ministerin. Die Bertelsmann Stiftung habe die Kosten unzureichender Integration in einer Studie aus dem Jahr 2008 auf deutschlandweit jährlich bis zu 15,6 Milliarden Euro beziffert.
Kritisch bewertete Öney die nach wie vor bestehenden Hürden bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen. Sie würden bei den betroffenen Menschen den Integrationsprozess erheblich beeinträchtigen. Sobald das Anerkennungsgesetz des Bundes verabschiedet sei, werde ihr Ministerium ein Landesanerkennungsgesetz für die in die Landeszuständigkeit fallenden Berufe, insbesondere Ingenieurs- und Erziehungsberufe sowie Lehrkräfte, auf den Weg bringen.
Diskriminierung von Migranten ist ein besonderes Problem
Ein besonderes Problem sieht Ministerin Öney in der offenen und verdeckten Diskriminierung von Migranten und anderen Minderheiten. Der Integrationsprozess müsse deshalb zwingend von Maßnahmen zur Antidiskriminierung begleitet werden. Sie selber beabsichtige, in ihrem Ministerium eine zentrale Anlaufstelle einzurichten, die Fälle von Diskriminierung aufspürt und erfasst.
Nach Angaben der Ministerin gibt es bislang keine verlässlichen Erkenntnisse zu der Frage, wie die Menschen in Baden-Württemberg die Migration bewerten. Ein Forschungsauftrag, den ihr Ministerium vergeben will, soll hier „Licht ins Dunkel“ bringen und eine Debatte über das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen anstoßen. Stärker als bisher sollen die Wünsche und Bedürfnisse der Mehrheitsgesellschaft berücksichtigt werden.
Aus für Optionspflicht und Einbürgerungstest
„Integration muss zu einem Markenzeichen eines weltoffenen Baden-Württemberg werden“, sagte die Ministerin. Mit einem Bündel von Maßnahmen will ihr Ministerium den Migrantinnen und Migranten signalisieren, dass sie im Land willkommen sind. An erster Stelle stehen Initiativen für ein liberales Einbürgerungsrecht, ein unbürokratischeres Einbürgerungsverfahren sowie eine gemeinsame Einbürgerungskampagne.
Konkret geht es um die Abschaffung des Einbürgerungstest und der Optionspflicht im Staatsbürgerschaftsrecht. Heute soll das Kabinett einen Entwurf beraten. Öney möchte, dass in Deutschland geborene Kinder dauerhaft in den Genuss des Doppelpasses kommen. Angesichts der Doppelpassquote von über 50 Prozent bei Einbürgerungen sei es nicht mehr zeitgerecht, an der Optionspflicht festzuhalten. Dazu benötigt Öney aber noch eine Mehrheit im Bundesrat. Angesichts veränderter Mehrheitsverhältnisse stünden die Chancen aber gut. Der Einbürgerungstest soll ersten Informationen zufolge durch ein Einzelgespräch ersetzt werden.
Mehr Migranten in die Verwaltung
Zu einem weltoffenen Baden-Württemberg gehört laut Öney auch, dass sich die kulturelle und sprachliche Vielfalt im öffentlichen Dienst widerspiegelt. Das Ministerium für Integration werde deshalb auf einen höheren Anteil von Migranten in der Verwaltung des Landes hinwirken und plant in einem ersten Schritt eine gemeinsame Kampagne mit dem Innenministerium. „Von dieser Kampagne können auch Impulse für kommunale Initiativen ausgehen“, so Öney.
Denn die Kommunen leisteten einen wichtigen Beitrag zur Integration. Zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden werde das Ministerium für Integration ausloten, wie die Rahmenbedingungen für die kommunale Integrationsarbeit verbessert werden können. Vorstellbar sei, dass die Kommunen durch eine Änderung des Fördersystems mehr gestalterische Freiheit für ihre Integrationsarbeit bekommen. Davon könnten auch die kommunalen Partner wie Kirchen und Wohlfahrtsverbände profitieren. (bk)
Leitartikel Politik
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Rechtsradikalismus ist auch ein vager Begriff.
@ Fikret
Ich kenne nur „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ von Udo Jürgens.
Sollten Sie allerding jemanden kennen, ddem „der Teufel“ schon mal begegnet ist: Er möge sich bei mir melden.
Also ist Bilkay Öney in ihren Augen rechtsradikal?
„Bilkay Öney betont die Bringschuld der Migranten“
Bisher leider nur leere Worte…
„Bringschuld der Migranten” ist für mich eine leere Worthülse. Kein Mensch weisst was gemeint ist. Also, „Flatus vocalis“.
@Fikret:
Erstaunlich finde ich, dass viele Migranten aus den unterschiedlichsten Ländern offenbar keine großen Probleme haben und Angebote zur Sprachförderung durchaus an- und ernstnehmen. Wie es scheint sondern sich meist nur die Zuwanderer aus der Türkei ganz bewusst immer noch ab. Und das schon in der dritten Generation.
Ich selbst bin auch der Meinung, dass Integration nicht einseitig gelöst werden kann. Aber der gute Wille der türkischen Migranten ist mE nicht immer erkennbar.
Julia,
in den Integrationskursen sind nur Migranten der ERSTEN Generation.
Und die Türken unter ihnen schneiden nicht schlechter ab als die anderer Nationen und Kulturen.
Wie wollen oder können SIE den „guten Willen der türkischen Migranten“ einschätzen? Haben Sie da so viele persönliche Erfahrungen, dass Sie das so generell behaupten können?
@ LB
Sie behaupten hier bewußt die Unwahrheit:
In den Integrationskursen sind nur Migranten der ERSTEN Generation ?
Auf Grund des Aufenthaltsgesetzes für Ausländer kann jeder zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet werden, wenn er in besonderer Weise integrationsbedürftig ist und die Ausländerbehörde ihn zur Teilnahme auffordert.
Auch innerhalb von Familien zuziehende.
Das ist doch die erste Generation,
hannibal.
Erste Generation heißt: im Ausland geboren und dort zur Schule gegangen.
Ich mach Integrationskurse, seit es solche gibt, und ich hatte nur und ausschließlich Erwachsene, die direkt eingewandert waren, entweder vor kurzem oder schon vor längerer Zeit – aber immer Leute, die keine deutsche Grundschule besucht hatten. Einmal hatte ich einen, der hatte das letzte Jahr Hauptschule gemacht. Ohne Erfolg natürlich. Der war aber auch eine Ausnahme.
@ Julia , Viele türkeistämmige Migraten haben ebenso keine Probleme. Bei zahlenmäßiger Vergleich fällt das auf, da sie in Überzahl sind, Ich habe z.B. keine Probleme gehabt. Die rechsradikale Kreise nutzen die nackte Zahlen aus. Diese Typen wollen auf einmal „demokratisch“ aussehen.
@ Bicho, Rechsradikalismus ist kein waager Begrif, sondern ist klar definiert. Siehe „Mein Kampf“ oder auch “ Manifest des Nowegischgen Massenmörders“. Neuerdings wollen sie demokratisch aussehen, sind aber nicht demokratich, sondern Gewaltätig
@hannibal
„Wenn Sie damit die Vorreiter-Rolle z.B. der Niederlande meinen, die (nur als ein Beispiel von vielen) bei mangelnder Integrationsleistung die Sozialhilfe kürzen oder ganz streichen, bin ich da ganz bei Ihnen.“
–> Niederlande ist ein gutes Beispiel. Ich finde es auch gut Sozialhilfe jemandem zu streichen, der sich nicht integrieren lassen will. Obwohl in meinem Post habe ich eher an die Hinnahme von Mehrstaatigkeit gedacht (ist ganz nebenbei ja auch das Thema des Artikels hier, falls Sie es noch nicht gemerkt haben ;))