Abkassiert
Systematischer Abrechnungsbetrug bei Integrationskursen
Bei Integrationskursen kommt es offenbar systematisch zu Abrechnungsbetrug. In einem Testlauf hätten sich drei von vier Sprachkursen bereit erklärt, Anwesenheitslisten zu fälschen. Bundesinnenministerium will nun mehr Kontrollen und neues Zulassungsverfahren für Träger.
Dienstag, 26.07.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 27.07.2011, 22:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bei Integrationskursen kommt es offenbar zu systematischem Abrechnungsbetrug durch private Schulträger. Darüber berichtete Report Mainz am Montagabend. Zahlreiche Lehrkräfte und Verwaltungsmitarbeiter von Sprachschulen aus verschiedenen Städten Deutschlands berichten im Interview von manipulierten Anwesenheitslisten, falschen Abrechnungen und Kursen, die nur auf dem Papier bestehen. Verdeckt gedrehte Aufnahmen aus den vergangenen Tagen zeigen, dass bei Stichproben durch einen Lockvogel drei von vier Sprachschulen auf Anfrage zur Fälschung von Anwesenheitslisten in Integrationskursen grundsätzlich bereit waren.
Konfrontiert mit den Recherchen von Report Mainz räumt das Bundesinnenministerium Handlungsbedarf ein. Es nehme die Vorgänge ernst und werde „alle Vorwürfe sorgfältig prüfen lassen“. „Kriminelle Machenschaften zu Lasten des öffentlichen Haushalts“ würden „entschlossen verfolgt“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. „Zusätzlich werden die Kurskontrollen intensiviert.“ Weiter wird mitgeteilt: „Das Bundesministerium des Innern wird prüfen, ob Missbräuchen durch strengere Kriterien zur Zulassung als Träger von Integrationskursen begegnet werden kann.“ Anhaltspunkte aus dem Bericht von Report Mainz würden in die Planungen einfließen.
Versuchung verkleinern durch bessere Finanzierung
Die Innenexperten von SPD und Grünen zeigen sich entsetzt von den dokumentierten Zuständen bei Trägern von Integrationskursen. Sie fordern strengere Kontrollen und wollen die Vorgänge zum Thema im Innenausschuss des Bundestages machen. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, erklärt zu den Aufnahmen: „Das ist nichts anderes als ohne Unrechtsbewusstsein Straftaten begehen – das geht gar nicht in unserem Land. Das finde ich sehr bestürzend und völlig inakzeptabel, da muss man sofort einschreiten.“ Wiefelspütz fordert eine Überarbeitung des Kontrollsystems und eine bessere Finanzierung der Integrationskurse, um dem Missbrauch den Nährboden zu entziehen. „Die Rahmenbedingungen könnten besser sein und würden durch eine bessere Bezahlung auch dazu beitragen, dass die Versuchung in diesem Bereich zu unkorrekten Methoden zu greifen, abnimmt“, so Wiefelspütz.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Josef Winkler, fordert, das Bundesinnenministerium müsse nun alle Träger von Integrationskursen sorgfältig überprüfen. Bei Betrugsfällen müsse den Schulträgern konsequent die Zulassung entzogen werden. Weiter fordert Winkler im Interview: „Zeitnah muss die Bundesregierung uns im Parlament nochmal Rede und Antwort stehen über das, was sie selber an Erkenntnissen dazu hat, sie muss dann einen Plan vorlegen, wie sie das für die Zukunft verhindern will, dass solche Betrügereien stattfinden können, und wir werden das dann regelmäßig kontrollieren müssen.“
BAMF kündtigt Maßnahmenkatalog an
Der Präsident des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, räumt ebenfalls Handlungsbedarf ein. Er kündigt einen ganzen Katalog von Maßnahmen an, um Missbrauchsfälle künftig besser zu verhindern: „Wir werden die Einstufungstests besser dokumentieren lassen. Wir werden auch die Frage, in welches Kursmodul der Teilnehmer eingruppiert wird, dokumentieren lassen. Wir werden die Meldepflichten für jedes Kursmodul umstellen, wir werden die Teilnehmerlisten ändern, so dass es auch der handschriftlichen Abmeldung und Anmeldung des Teilnehmers bedarf, und wir werden natürlich daneben auch die Kurskontrollen erhöhen.“ Wörtlich sagt Schmidt: „Es handelt sich hier um ein hochkriminelles Zusammenwirken von Mehreren, um den Steuerzahler, das Bundesamt zu betrügen. Und wenn wir diese Hinweise haben, werden wir diesem Betrug auch schlicht und ergreifend nachgehen.“ Im vergangenen Jahr habe seine Behörde rund 1.500 Kurskontrollen durchgeführt und mehrere hundert Beanstandungen ausgesprochen. Sieben Kursträgern sei die Zulassung entzogen worden.
Zurzeit laufen nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge rund 7.500 Integrationskurse in Deutschland, 90.000 Teilnehmer nehmen an einem Kurs teil. Insgesamt 1.400 Kursträger – darunter Volkshochschulen wie auch zahlreiche private Sprachschulen – führen diese Integrationskurse für das BAMF bundesweit durch. Die Anwesenheitslisten sind Grundlage für die Abrechnung der Kurse durch die Träger mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Jedes Jahr gibt die Bundesregierung rund 218 Millionen Euro für Integrationskurse aus. (rm/sb)
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@RobNRW:
Wenn ein Teilnehmer aus persönlichen Gründen wegbleibt (und dabei übrigens weiter seinen Kostenbeitrag zahlt), dann ist das zwar nicht zu begrüßen, aber wo sehen Sie da den Betrug?
Die Anwesenheitslisten werden vom Kursleiter geführt…