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Wir brauchen endlich die transkulturelle Gesellschaft!

Die Anschläge in Oslo haben die Fundamente der europäischen Gesellschaften tief erschüttert. Wie können Deutschland und Europa auf die Drohungen aus den extremistischen Rändern der Gesellschaften am besten antworten?

Von Kamuran Sezer Dienstag, 26.07.2011, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 27.07.2011, 0:27 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Mit den abscheulichen und brutalen Anschlägen in Oslo hat die vermeintliche Islamkritik in Deutschland und in ganz Europa nun endgültig ihre Unschuld verloren!

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Konnten die sogenannten Islamkritiker stets auf den 11. September Bezug nehmen, so haben die Gegner der Islamkritik mit den Anschlägen in Oslo ein Datum, das die empirische Evidenz für ihre Kritik an der Islamkritik liefert. Dies jedoch kann und sollte für niemanden ein Trost sein:

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93 Menschen – darunter sehr viele Junge – sind bisher den Anschlägen zum Opfer gefallen. Da sind die Haut- und Haarfarbe sowie die religiöse Überzeugung und die ethnische Herkunft irrelevant – denn am Ende dieses schrecklichen Tates bleibt nämlich nur die einzig evidente Erkenntnis übrig, dass die Tränen, die nun über die Wange Europas rinnen, gleich sind!

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Aus diesem schrecklichen Ereignis müssen drei Lehren gezogen werden:

Erstens: Wieder auf die Mitte der Gesellschaft besinnen!
Wir müssen uns wieder auf die “Mitte der Gesellschaft” besinnen! Und vor allem sollten wir uns dabei bewusst machen, dass in der Mitte der Gesellschaft nicht einzig der “weiße Mann” Platz eingenommen hat. Sie ist schon lange multiethnisch und -religiös aufgestellt. Multikulti ist daher nicht tot! Die multiethnische und -religiöse Gesellschaft ist der einzige Lösungsweg, wenn man gesellschaftlichen Frieden und ökonomischen Wohlstand nachhaltig gewährleisten will!

Denn die Anschläge in Oslo haben uns auf schmerzvolle Weise vorgeführt, dass die Sicherheit einer Gesellschaft von ihren extremistischen Rändern bedroht wird – und nicht von konstruierten Geistern, die von politischen Partikularinteressen instrumentalisiert werden. Nach Oslo haben wir nun endgültig die Erkenntnis gewonnen, dass der Extremismus dunkle oder blonde Haare haben, die Mohammed Atta oder Anders Behring Breivik heißen können.

Zweitens: Weder Interkultur noch Multikultur – sondern Transkultur!
Die soziodemografischen Parameter sind irreversibel, und sie können nur mit einem Akt gewalttätiger Intervention rückgängig gemacht werden, welche die Grundlagen einer Gesellschaft fundamental erschüttern würde!

Wir werden nicht, sondern wir sind bereits eine multiethnische- und religiöse Gesellschaft, die nicht mit dem Deutschen oder dem Christentum anfängt und beim Türken oder dem Islam aufhört. In Deutschland leben über 90 Nationen, aus allen Ecken der Welt mit allen bekannten und unbekannten Religionen und Sprachen.

Deswegen ist eine transkulturelle Identität die unabdingbare Voraussetzung. Wir benötigen einen konsensualen Wertekonstrukt, unter diesem Dach, die verschiedensten Identitäten und religiöse Bezüge zusammengefasst werden können:

Das Konzept der transkulturellen Gesellschaft bildet damit einen referentiellen Mittelpunkt, die an alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen adressiert ist. Eine solche Gesellschaft stellt damit nicht nur an die Aufnahmegesellschaft Forderungen. Auch die Einwanderer sind aufgefordert, in diese Gesellschaft zu investieren. Traditionen, Gebräuche und Sitten müssen kritisch reflektiert und auf den Prüfstand gestellt werden.

Der effektivste Weg dorthin verläuft über gesellschaftspolitische Verhandlungsarenen. Im weitesten Sinne stellen die Islamkonferenz und der Integrationsgipfel solche oder ähnliche Verhandlungsarenen dar. Es muss jedoch kritisch angemerkt werden, dass diese in den vergangenen Jahren gemessen an deren originären Ideen politisch pervertiert aber zumindest deformiert wurden. Heute sind sie zahnlose Tiger, die beeindrucken aber keinen Sinn machen.

Die Verhandlungsarenen sind aber für die Bildung und Verstetigung der transkulturellen Gesellschaft wichtig. Denn dort funktioniert der Aushandlungsprozess jenseits der Profit- und Machtlogik politischer und ökonomischer Partikularinteressen und der Medien. Bei Letzteren muss gar kritisch angemerkt werden, dass sie sich einer “Empörungsindustrie” bedienen, von der sie nicht nur ökonomisch und politisch profitieren, sondern auch einseitige Zerrbilder der multiethnischen und -religiösen Realitäten in der Gesellschaft vermitteln.

Drittens: Anpassung des gesellschaftspolitischen Bildungsauftrags in den gesellschaftlichen Institutionen
Die multiethnische und -religiöse Gesellschaft muss zum Normalfall der gesellschaftlichen Realität werden! Hiervon sind wir in Deutschland noch ein ganzes Stück entfernt!

Gehört der Islam zu Deutschland oder nicht? Sind wir ein Einwanderungsland oder doch nicht? Benötigen wir eine aktive Einwanderungspolitik? Und wenn ja, wie soll die Integration der Einwanderer aussehen? Und nach welchen Kriterien beurteilen wir erfolgreiche Integration?

Diese Grundsatzdebatten sind aber Scheindebatten, die vom Wesentlichen ablenken: Es geht um die Zugänge und um die Verteilung von Macht und Wohlstand in der Gesellschaft. Die transkulturelle Gesellschaft wird funktionieren, wenn knappe und verknappte Ressourcen wie Arbeit, Bildung, Macht, Partizipation und Anerkennung allen Gesellschaftsmitgliedern gleichermaßen zugänglich gemacht werden. Dies wird nur gelingen, wenn in der Aufnahmegesellschaft, die im Zugang dieser Ressourcen im Vorteil ist, die Einsicht und Bereitschaft wächst, diese mit den bereits Eingewanderten und den noch zu Einwandernden teilt.

Diese Einsicht und Bereitschaft sind zwingende Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, da die soziodemografischen Parameter sich unumkehrbar verschoben haben. Wir können dies in den Geburtsanstalten der Krankenhäuser, in den Schulen, auf dem Wohnungsmarkt, in den Altenheimen der Nation – ja sogar in der deutschen U17-Nationalmannschaft beobachten.

Mit einer Verzögerung wird diese soziodemografische Realität auch die Unternehmen erreichen. Denn diese werden in weniger als zehn Jahren ihr Humankapital aus einem multikulturellen Arbeitskräfteangebot schöpfen. Die Gesamtgesellschaft und ihre Institutionen müssen mit einem klaren Bildungsauftrag auf diese – eigentlich bereits existente – gesellschaftliche Realität konsequent vorbereitet werden.

Wir brauchen endlich die transkulturelle Gesellschaft, die durch die Mitte der Gesellschaft akzeptiert wird. Denn sie ist die beste Antwort und der beste Weg, Brandstiftern allen Couleurs ihre Grenzen zu zeigen. Aktuell Meinung

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  1. Bicho sagt:

    Leo Brux,
    wenn bestimmte Phänomene besonders gehäuft im Zusammenhang mit einer bestimmten Religion auftauchen, dann sollte man sich diese mal genauer anschauen. Wenn es in katholischen Einrichtungen gehäuft zu sexuellen Übergriffen auf Kinder kommt, muss ich mir doch die katholische Kirche mal genauer ansehen. Was läuft da schief ? So geht es jedenfalls nicht und das hat die Kirche zu verantworten und kann sich nicht rauslavieren, es gäbe ja gar nicht DIE Kirche.
    Und wenn es in muslimischen Familien häufig zu Zwangsverheiratungen kommt (das sind nicht alles Salafisten), muss ich diejenigen fragen, warum wollen diese Menschen nicht, dass ihre Kinder eigenverantwortlich und frei ihr Leben leben ?

    Das geht so nicht. Und das muss konsequent verhindert werden, der Einzelne steht in Deutschland über der Sippe. Wer das negiert, erachtet die Grundrechte nicht als sinnvoll und kann demnach nicht integriert sein.

    Ja, auch pädophile Priester sind desintegriert. Nur, und das ist der Unterschied, Katholiken sind, weil sie lange Zeit hatten sich an die Freiheit zu gewöhnen, viel eher bereit, Kritik einzustecken und Selbstkritik zu üben. Der Katholikentag stand Kopf, viele sind sogar im Zuge dessen aus der Kirche ausgetreten.
    Das wünsche ich mir auch viel stärker bei Moscheevereinen und Islamverbänden in bezug auf Zwangsehen, Todesdrohungen an Apostaten, Terror u.ä. Nicht „Generalverdacht“ rufen, handeln. Islamische Frauenhäuser, wie wäre es damit ?

    Und was das Verhältnis von rabiaten Ansichten und rabiaten Taten angeht, die Übergänge können fließend sein. Aber eine freie Gesellschaft muss was aushalten, das stimmt.
    Ich bin ohnehin für vielmehr ziviles Engagement und weniger Staat. Ein selbstbewusstes Bürgertum lässt sich von Salafisten oder Neonazis nicht gängeln. Man sollte die eigentlich viel weniger ernst nehemen, das wollen die ja. Das sind meistens gescheiterte Existenzen, die eine straffe Identität brauchen.

    • Leo Brux sagt:

      Bicho,
      da wären also die Agnostiker oder Atheisten fein raus.
      Die sind dann keine Gruppe, also kann man ihnen als Agnostiker oder Atheisten nichts anhängen.

      Ich spiele da nicht mit und schlage vor:

      Wenn also demnächst wieder mal ein Mann drei Kinder umbringt, dann schauen wir drauf, ob er nicht Agnostiker ist. Und wenn, dann notieren wir uns das, und so sammeln wir systematisch über eine gewisse Zeit Schandtaten von Agnostikern und Atheisten. Wichtig ist auch, dass die Medien dann erwähnen, der Mörder sei Agnostiker, denn die Menschen müssen doch aufgeklärt werden über die Verbrechen der Agnostiker und Atheisten.

      Die Taten hängen gewiss mit dem Mangel an Gottesglauben zusammen. Das dürfte nicht schwer zu konstruieren sein.

      Wir wollen wissen, wie gefährlich Agnostiker sind, nicht wahr?

      Witzig finde ich diese Äußerung von Ihnen: … muss ich diejenigen fragen, warum wollen diese Menschen nicht, dass ihre Kinder eigenverantwortlich und frei ihr Leben leben?

      Also, wenn ich mir mal so anschaue, wie Eltern üblicherweise ihre Kinder erziehen … was es da alles gibt, und zwar in beide Richtungen … Ich sehe das Problem heute eher darin, dass Eltern ihren Kindern kaum noch Orientierung mitgeben können, weil sie selber von der Unübersichtlichkeit der Verhältnisse konfus gemacht worden sind, und weil die Unterhaltungsmedien dicht und dominant das Leben ihrer Kinder bestimmen. Ich würde also mein Hauptaugenmerk auf die destruktiven Wirkungen des technologisierten Alltags werfen. Selbstbestimmung ist heute überwiegend ein blindes launisches hektisches Agieren in Richtung Lustgewinn. Die Selbstbestimmung der Menschen hat längst angefangen, Amok zu laufen.

      Wieso soll da die zugegebenermaßen unangepasste und problematische autoritäre Erziehung in einigen islamischen Familien so ein großes Problem sein?

      In Indien lebt 1 Milliarde Menschen. Praktisch alle Ehen dort sind von den Eltern arrangierte Ehen. Das ist nicht unser Stil, nicht unser Geschmack, nicht unsere Kultur — aber wieso soll ich mich da aufregen und einer Gruppe Vorwürfe machen, weil es bei ihr gelegentlich noch vorkommt, dass eine Ehe ganz von den Eltern arrangiert wird? Und wenn, dann vielleicht auch im Einverständnis des Brautpaars mit der Entscheidung der Eltern? Das kommt dabei auch häufig vor.

      Wir leben in einem pluralistischen Land, und ich finde es nicht störend, wenn bei einer Gruppe auch arrangierte Ehen vorkommen. Üblich sind sie unter Deutschtürken ohnehin nicht mehr – die meisten Eltern wissen und akzeptieren es, dass sie allenfalls noch nicken oder kopfschütteln und warnen, aber nicht mehr entscheiden können, wenn ihre Kinder ihre Partner wählen.

  2. Gottlieb Wendehals sagt:

    So schlimm, indisch-arabische Zahlen bitte. Die Zahlen stammen aus Indien, nicht aus Arabien. Sie leiten sich von den Brahmi-Ziffern ab und wurden später von den Arabern übernommen.

  3. Bicho sagt:

    Leo Brux,
    Sie schreiben: “ Wir leben in einem pluralistischen Land, und ich finde es nicht störend, wenn bei einer Gruppe auch arrangierte Ehen vorkommen. “

    Das ist ein sehr wichtiger Punkt, wo unser beider Grundauffassungen in Sachen „Pluralität auseinandergehen: wir leben in gerade keiner Stammesgesellschaft, wo verschiedene Gruppen ihre Angelegenheiten halt so regeln, wie sie es gewohnt sind. Wenn die oder der Staatsbürger nicht verheiratet werden wollen, ist das das Ausschlaggebende. Dass der Individualismus beizeiten ausartet, heißt nicht, dass die Konsequenz die Rückkehr zum Tribalismus sein sollte.

    Ich sprach ja schon von Menschen wie Sabatina James. Sollen die sich einfach „ihrer Gruppe“ unterordnen ? Nein !

  4. EdN sagt:

    @ So Schlimm „Kannst du mir eine einzige größere Gesellschaft in Zeiten der Globalisierung nennen, deren Identität nicht aus unterschiedlichen kulturellen Einflüssen bestehen würde?“

    Es geht doch gar nicht darum, grundsätzlich kulturelle Einflüsse zu vermeiden. Die wird es immer geben. Das Problem sind Vielvölkerstaaten. Da waren nicht nur in der Geschichte instabiler (Österreich- Ungarn z.B.). Wir haben ja auch vor noch nicht so langer Zeit erlebt, wie die von Diktaturen zusammengehaltenen Völkergefängnisse Osteuropas zusammengebrochen sind.

    So etwas muß nicht erneut künstlich geschaffen werden.

    • Leo Brux sagt:

      EdN,
      Deutschland wird ja nun kein Vielvölkerstaat. Die Migranten integrieren sich nach und nach. Deutsch setzt sich sprachlich durch, deutsche Verhaltensweisen auch, leicht angereichert durch ein paar neue kulturelle Elemente, und ich hoffe, dass sich VIELE von diesen eingewanderten kulturellen Elementen bei uns heimisch machen können. Auch der Islam als Religion, zum Beispiel.
      Vielfalt ist was Schönes und Interessantes, außerdem auch noch nützlich.

  5. BiKer sagt:

    @ bischo

    sie schreiben: „Wenn die oder der Staatsbürger nicht verheiratet werden wollen, ist das das Ausschlaggebende.“

    das aber widerspricht sich mit dem, was leo schreibt doch überhaupt nicht. er meint doch nur, dass arrangierte ehen sein können. sie allerdings beschreiben hier zwangsehen.

    • Leo Brux sagt:

      Bicho,
      lesen Sie halt nochmal, was ich geschrieben habe.
      Oder erklären Sie uns, warum man in Deutschland arrangierte Ehen rechtlich verbieten muss.

      Es gibt vieles in unserer pluralistischen Gesellschaft, das uns nicht gefällt, das wir nicht als typisch für unsere Kultur erachten, das wir vielleicht auch für schädlich halten – und trotzdem lassen wir es zu, weil wir eben keine totalitäre Gesellschaft haben wollen, sondern eine, die großzügigen Spielraum lässt.

      Und wenn jetzt eine in Deutschland lebende Hindufamilie für ihren Sohn eine Ehe mit einer anderen Hindufamilie arrangiert, und sich die beiden Brautleute auf ihre Eltern verlassen … ja mei, muss ich mich da politisch einmischen? Ich würde mich lieber einmischen, wenn die Söhne täglich nach der Schule stundenlang Gewalttraining per Videogaming betreiben. Zum Beispiel.

      Aber ich weiß schon, es geht ja nicht um Hindus, es geht nur um die TÜRKEN. Denen MUSS man einfach IMMER was anhängen. Vieles andere mag auch schlimm sein, aber solange es nicht um Türken geht, ist es einigermaßen egal.

  6. Cenki sagt:

    @Leo Brux

    Sie schrieben, dass Sie die Evangelikalen schon die Hälfte der Weltmacht erreichen könnten. Wen/was meinen Sie genau damit? Könnten Sie näheres dazu erläutern? Ich interessiere mich auch thematisch zum Thema Islam und GG. Faktisch ist es richtig, wenn eine Religion sich über das GG stellen kann, so lange keine Straftatrelevanz vorliegt. Aber wie sieht es mit dem Islam aus? Sind Sie der Meinung, dass der Islam keine Gefahr für das GG darstellt? Oder hätte der Islam schon längst als Religion anerkannt werden müssen? Integration ist ja schliesslich keine Einbahnstraße.
    MfG
    Cenki

    • Leo Brux sagt:

      Cenki,
      der Islam ist in Deutschland selbstverständlich als Religion anerkannt; wo es noch hakt, ist: Welche Vertretung des Islam kann als Religionsgemeinschaft“ im Sinne einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden.
      Hier ist ein Artikel von mir, in dem ich mir das komplizierte Problem selber vor Augen führe:
      http://initiativgruppe.wordpress.com/2011/02/16/islamische-religionsgemeinschaften-bald-anerkannt/

      Bezüglich der Evangelikalen in den USA:
      Da gibt es auch recht verschiedene Richtungen und Intensitäten; aber eine starke Strömung, von der es heißt, dass sie wenigsten ein Fünftel der Wählerschaft stellt, hält folgendes für richtig:

      In der Bibel – Apokalypse des Johannes – ist der Weltuntergang für die Zeit vorhergesagt, in der zunächst die Juden wieder ganz Palästina besiedeln, daraufhin der Antichrist die Mächte des Bösen gegen Israel ins Feld führt und die Juden zum großen Teil vernichtet (zu diesen Mächten des Bösen gehören: die islamischen Länder, Europa und die UN), woraufhin wiederum die USA, geführt von Jesus Christus (in Person! – „the Second Coming of Jesus Christ“) die Schlacht Armaggedon gegen die Mächte des Antichrist führt und gewinnt – und alle Guten werden an diesem Tag in den Himmel erhoben, alle Bösen in die Hölle verdammt, und die Geschichte der Menschheit ist hiermit beendet.

      Das ist so verrückt, dass man kaum glauben kann, dass es überhaupt jemanden gibt, der sowas glaubt, aber es soll der Glaube von mindestens einem Viertel der US-Wählerschaft sein, u. a. auch von Sarah Palin (die Kirche, der sie in Alaska angehört, glaubt es), Thomas DeLay (der hat es öffentlich kund getan), wohl auch Mike Huckabee (er hat die Juden aufgefordert, ganz Palästina in Besitz zu nehmen und die Araber zu vertreiben – das sei Gottes Wille).

      Die Jewish Lobby in Israel ist auch deshalb so stark, weil sie von den „christlichen Zionisten“ unterstützt wird, und deren Zahl geht noch weit über die Zahl der Armaggedon-Zionisten hinaus.

      Wenn sich sowas in Luxemburg abspielen würde, wär es einfach nur skurril. Aber wir müssen damit rechnen, dass Personen, die die geschilderten Vorstellungen ganz oder im Ansatz teilen, in den USA auch einmal den Präsidenten stellen können — und die USA verfügen über etwa die Hälfte der Feuerkraft der Erde – atomar und biologisch und chemisch möglicherweise sogar noch mehr als die Hälfte. Dann könnte die Politik der USA die Verhältnisse im Nahen Osten bewusst eskalieren … Wozu sich um Global Warming, Ökologie, Weltfrieden kümmern – wir sind alle in Gottes Hand, und der Weltuntergang steht ohnehin bevor …

      Islam als Gefahr fürs Grundgesetz:
      Wenn tatsächlich alle 4 Millionen Muslime in Deutschland Salafisten wären, dann hätten wir da ein Problem.
      Aber es sind nur einige tausend, eine verschwindend kleine Sekte, die uns nur insofern beschäftigen muss, als in ihr junge Menschen so radikalisiert werden könnten, dass sie dann – eigentlich gegen ihre eigene salafistische Organisation, die durchaus der Gewalt abschwört – terroristisch aktiv werden.
      Selbst das bedeutet keine Gefahr für das GG, aber natürlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

      Islam und Grundgesetz sind ebenso vereinbar wie Katholizismus und Grundgesetz.
      Das Grundgesetz verbietet es den Katholiken nicht, ihre traditionalen Wege zu gehen. Die mir (selber katholisch) nicht gefallen, die aber deswegen noch nicht grundgesetzwidrig sind. Denn das Grundgesetz bindet den Staat und bindet die Bürger an die legitim beschlossenen Gesetze des Staates, es bindet die Bürger darüberhinaus nicht privat oder in ihren Organisationen. Wenn das GG die Gleichberechtigung von Mann und Frau fordert, braucht deshalb die katholische Kirche noch keine weiblichen Pfarrer und Bischöfe zu erlauben. (Sie sollte es tun, aber aufgrund des Gebots der Religionsfreiheit und weil es kein Gesetz gibt, das Gleichberechtigung in allen Vereinen und Organisationen und Firmen fordert, ist das Verhalten der Kirche hier GG-kompatibel.) – Was für die katholische Kirche gilt, gilt auch für islamische Religionsgemeinschaften.

      Ein Bürger darf auch dann noch gegen den Bau einer Moschee protestieren und die Politik auffordern, den Bau zu verhindern, wenn der Bau nach Recht und Gesetz bereits beschlossen ist und der Moscheeverein nun ein Recht hat zu bauen. Was nicht geht, das wäre ein Staatshandeln gegen den nach Recht und Gesetz beschlossenen Bau der Moschee.

  7. Snillisme sagt:

    Und weil so immens viele Frauen mit ihrem Wunsch katholische Priesterin werden zu wollen vom Papst grausam enttäuscht werden, deshalb müssen muslimsche Väter und Onkels und Cousins auch ein bißchen drauf achten, notfalls mit Nachdruck, daß die Mädels keine Dummheiten anstellen. Ist doch bei allen Religionen dasselbe. Klingt logisch, oder!?

  8. hannibal sagt:

    @ LB

    …wir sind alle in Gottes Hand, und der Weltuntergang steht ohnehin bevor…

    Jetzt, wo ich DAS gelesen habe, bin ich beruhigt, da mir jetzt klar ist, das
    man SÄMTLICHE Ihrer Worte und Traktate nicht erstnehmen kann.

    • Leo Brux sagt:

      hannibal,

      …wir sind alle in Gottes Hand, und der Weltuntergang steht ohnehin bevor…

      WENN Sie LESEN könnten, dann hätten Sie bemerkt, dass ich hierbei die Position meiner Todfeinde, der US-Evangelicals, zu referieren versucht habe.
      Dass Sie diese Leute nicht ernst nehmen, könnte für Sie sprechen, ich meine aber, dass es auch wiederum ein Fehler ist. Vielleicht geht der Kelch an uns vorüber, vielleicht aber auch nicht, und dann kriegen wir mal einen Armaggedon-Präsidenten …

      („Nach mir Armaggedon!“)

  9. Cenki sagt:

    @leo

    vielen dank für deine ausführlichen erklärungen. der islam ist offiziell als religion nicht anerkannt… viele „moscheen“ fungieren als gemeinnützige eingetragene vereine, so dass diese rechtlich keinen unterschied zu einem schützenverein oder kanuverein haben. das ist auch genau das problem, denn ein e.v. hat mitglieder. so auch in den moscheevereinen. die politik sagt dann aber: ihr habt ja nur 200 mitglieder, in unserer großstadt leben aber 20.000 muslime, so dass ihr ja nur einen bruchteil repräsentiert. es wird also stillschweigend und bewusst verkannt, dass man diese zahl der mitglieder getrost mal um den faktor 5-10 erweitern kann. in einem kanuverein, kann ich ohne ordentliches mitglied zu werden nicht am vereinsleben aktiv teilhaben. in einer moschee geht das schon. ihre ausführungen zum GG und islam bzw. christentum finde ich schlüssig. aber es werden immer wieder die verse mit „tötet die ungläubigen“, oder arme abhacken etc. aufgeführt, so dass der islam mit dem GG nicht vereinbar sei.

    mfg
    Cenki

    • Leo Brux sagt:

      Cenki,
      es gibt zahlreiche Gerichtsurteile, in denen der Islam als Religion voll anerkannt wird. Auch verfassungsrechtlich wird er als Religion voll anerkannt. In NRW hat man inzwischen auch einen Weg gefunden, mit den Islamverbänden den Religionsunterricht vorzubereiten. Es gibt noch mehr Beispiele aus dem Staatshandeln. Etwa, wenn es um den Bau von Moscheen geht, oder um halal-Speisen in Kindergärten. Das alles bedeutet schon sowas wie eine offizielle Anerkennung des Islam. Die Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts steht noch aus, weil man sich auf gewisse Modalitäten noch nicht einigen konnte.

  10. Cenki sagt:

    @leo

    ok, dann hatte ich sie missverstanden. diese anerkennung von der sie sprechen ist natürlich schon klar. ich habe mir auch ihren link zum thema körperschaft durchgelesen. sehr informative und differenziert dargestellt. danke!