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Ausländerbehörde

Sachverständigenrat fordert Reformen

Der Wandel der Ausländerbehörden – einst mit dem Ziel ausgestattet, Zuwanderung zu begrenzen, sollen sie immer mehr eine Willkommenskultur vermitteln. Der SVR legt eine Studie vor und fordert Reformen.

Freitag, 19.08.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Der erste Kontakt zwischen Zuwanderer und Staat findet in aller Regel in der Ausländerbehörde statt. So ist aufseiten der Zuwanderer der erste Eindruck von der neuen Heimat alles andere rosig. Lange Wartezeiten, schlechte Erreichbarkeit, unfreundliche Beamte oder mangelnde Transparenz – das ist nicht einmal eine abschließende Aufzählung der Gründe.

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Hoheitsaufgaben mit einer Willkommenskultur verbinden
Das überrascht nicht, sind Ausländerbehörden traditionell nichts anderes als Ordnungsbehörden, deren Aufgabenverständnis sich lange Zeit an der Vorgabe einer Zuwanderungsbegrenzung auszurichten hatte. Erst seit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 und verschiedenen Verwaltungsreformen sind sie aber auch in die Integrationsförderung eingebunden und angehalten, sich hier serviceorientiert zu verhalten. Damit stehen Ausländerbehörden vor der Herausforderung, die Erfüllung staatlicher Hoheitsaufgaben mit einer Willkommenskultur zu verbinden.

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Ein Muss für ein Einwanderungsland, das auf hochqualifizierte Zuwanderung angewiesen ist. Denn der „Umgang mit ausländischen Fachkräften ist prägend für das Image eines Standortes bei Neuzuwanderern und deshalb ein Faktor für die Standortwahl“, so der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), die am Mittwoch die Ergebnisse einer Fallstudie vorgelegt hat.

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Ausländerbehörde als Dienstleistungsorganisation
Sie analysiert, inwieweit sich Ausländerbehörden als Serviceeinrichtung für hoch qualifizierte Zuwanderer verstehen und entsprechende Angebote machen, die auf ihre Handlungsspielräume zugeschnitten sind. In der Fallstudie „Die Visitenkarte einer Stadt? Ausländerbehörden und ihr Angebot für hoch qualifizierte Migranten“ wurden die Ausländerbehörden in Berlin, Hamburg und Frankfurt a.M. untersucht. Qualifizierte Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten wurden nach ihren Erfahrungen mit Ausländerbehörden und Mitarbeiter von Ausländerbehörden nach ihrer Sicht der Dinge gefragt.

Das Ergebnis der Studie: In den drei untersuchten Städten ist ein Wandel der Ausländerbehörden zu serviceorientierten Organisationen zu erkennen. Es wurden zahlreiche Veränderungen initiiert wie z.B. neue Organisationsstrukturen, Mitarbeiterschulungen, Maßnahmen zur Qualitätssicherung und beschleunigte Abläufe durch elektronische Ausländerakten. Auch in den behördlichen Leitbildern und dem Selbstverständnis der Mitarbeiter ist ein Wandel der Ausländerbehörden zu mehr Serviceorientierung zu erkennen.

Der erste Eindruck entscheidet
In Berlin, Hamburg und Frankfurt/Main wurde der Dienstleistungscharakter vor allem gegenüber der Gruppe der Hochqualifizierten gestärkt. Dabei wurde durch räumliche und institutionelle Trennung zwischen verschiedenen Zuwanderergruppen versucht, das Spannungsverhältnis zwischen Ordnungs- und Servicebehörde aufzulösen. Mit dem Business Immigration Service (BIS) in Berlin und dem Hamburg Welcome Center (HWC) wurden zusätzliche Anlaufstellen für ausländische Fach- und Führungskräfte geschaffen. Beide Einrichtungen waren Vorreiter. Sie zeigen beispielhaft, dass zusätzliche Anlaufstellen für ausländische Fachkräfte sinnvoll sind. Darüber hinaus müssen aber alle Ausländerbehörden ihre Serviceorientierung stärken, nicht nur für Hochqualifizierte, sondern für alle Kunden.

Der SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Klaus J. Bade betonte: „Ausländerbehörden tragen in der Einwanderungsgesellschaft eine oft unterschätzte Verantwortung. Die ersten Erfahrungen mit diesen Behörden sind vielfach entscheidend für das Bild ausländischer Zuwanderer von ihrer neuen Heimat. Ausländerbehörden agieren in einem Spannungsfeld von restriktiver Schicksalsverwaltung und einladender Integrationsförderung. Sie haben mit Kontrolle und Abwehr ebenso zu tun wie mit Aufnahme und Hilfestellung bei der Erstintegration.“ Bis zum Zuwanderungsgesetz 2005 stand die abwehrende Kontrolle im Vordergrund. „Die Serviceorientierung muss zum Markenzeichen der Ausländerbehörden werden“, forderte Bade. Das sei bundesweit bislang unterschiedlich gelungen.

Fünf-Punkte-Reform
Ausländerbehörden sollten sich, so der SVR, darüber im Klaren sein, dass sie ihre Funktion als „Visitenkarte“ nur dann positiv erfüllen können, wenn Handlungsspielräume bestmöglich genutzt werden. Der SVR empfiehlt hierfür vor allem folgende fünf Reformen:

1. Serviceorientierung stärken
Der Dienstleistungscharakter von Ausländerbehörden ist ein wichtiger Standortfaktor. Indem sie Serviceorientierung in ihrem Selbstverständnis verankern und in eine kundenfreundliche Praxis umsetzen, können Ausländerbehörden eine Atmosphäre schaffen, die Neuzuwanderern das Gefühl vermittelt, in Deutschland willkommen zu sein. Hierfür muss die interkulturelle Kompetenz von Mitarbeitern weiter gestärkt werden. Außerdem sollte der Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund erhöht werden.

2. Schnelle Entscheidung
Ausländerbehörden sollten ihre Spielräume insbesondere nutzen, um möglichst rasch über Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigungen zu entscheiden. Langwierige Prozeduren wirken auf potenzielle Zuwanderer ebenso abschreckend wie auf mögliche Arbeitgeber. In jedem Falle sollten von den Behörden realistische Einschätzungen geliefert werden, wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist.

Download: Die Untersuchung: „Die Visitenkarte einer Stadt? Ausländerbehörden und ihr Angebot für hoch qualifizierte Migranten“ finden Sie zum Download hier.

3. Transparenz erhöhen
Wenig Transparenz bei Entscheidungen kann zu Vertrauensverlusten führen oder sogar den Verdacht von Willkür oder Diskriminierung wecken. Durch umfassende Informationen über die Rechtslage und die Grundlage von Entscheidungen kann dieser Gefahr vorgebeugt werden.

4. Sprachkompetenz steigern
Ausländerbehörden sollten Beratung auch in englischer Sprache anbieten. Dies ist nicht nur eine symbolische Geste, sondern hat unmittelbare praktische Relevanz. Es dient auch dazu, den Zuwanderern in einer fremden Umgebung mehr Sicherheit zu vermitteln. Wichtige Informationen sollten grundsätzlich mehrsprachig verfügbar sein.

5. Lotsenfunktion übernehmen
Die Aufgaben von Ausländerbehörden gehen über ausländerrechtliche Fragen im engeren Sinne hinaus. Als zentrale Anlaufstelle sollten sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch Lotsenfunktionen für ausländische Neuzuwanderer übernehmen, sie gegebenenfalls an entsprechende Anlaufstellen, z.B. für die Wohnungssuche, weiter verweisen und sie auf andere Informationsmöglichkeiten und Hilfestellungen hinweisen. Bedingung hierfür ist eine ausreichende Vernetzung mit den relevanten Institutionen vor Ort, auch mit Migrantenorganisationen.

„Ob es gelingt, zureichend Hochqualifizierte für Deutschland zu gewinnen, hat viel mit der Attraktivität des Standorts zu tun“, erklärte Bade. „Und die hängt auch davon ab, ob Neuzuwanderer von Bürokratie abgeschreckt oder ob sie serviceorientiert begleitet werden.“ Auch die Regierungskoalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag die Absicht bekundet, den Dienstleistungscharakter der bisherigen Ausländerbehörden zu stärken. (hs)
Leitartikel Politik Studien

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  1. Udo sagt:

    In meinem Landkreis ist die Ausländerbehörde immer noch Teil des Ordnungsamtes und so verhalten sich die Mitarbeiter auch.
    Ausnahme: Man drückt den Neueinwanderern jetzt einen Flyer der Caritas in die Hand, das war wohl das Ergebnis der intensiven Schulungen…

  2. Dirk sagt:

    In Frankfurt/Main gibt es noch viel zu tun.

    Jeden Morgen lange Schlangen:
    http://www.flickr.com/photos/63743209@N04/5803246599/

    Jeden Morgen werden Wartende abgewiesen:
    http://www.flickr.com/photos/63743209@N04/5803251157/

    Die 5 Punkte gehen in die richtige Richtung, aber viel wichtiger ist doch der gesetzliche Rahmen, Deutschland bricht weiterhin EU-Recht u.a. Inländerdiskriminierung.