Niedersachen
Neuer Integrationsbeirat – Mitgestaltung oder Schaufensterpolitik?
Mit dem Weggang von Honey Deihimi fällt auch die Stelle des Integrationsbeauftragten weg. Ministerin Özkan schafft dafür einen beratenden Integrationsbeirat. Die Opposition läuft Sturm: Schaufensterpolitik und Placebo-Beirat, sind die Vorwürfe.
Mittwoch, 24.08.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 11.12.2013, 14:05 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Niedersachsens Sozial- und Integrationsministerin Aygül Özkan (CDU) richtet einen Integrationsbeirat ein. Damit fällt die Stelle des bisherigen Integrationsbeauftragten weg. Die bisherige Beauftragte, Honey Deihimi, wechselt ins Bundeskanzleramt. Ihre Ombudsaufgaben sollen von der Härtefallkommission oder vom Petitionsausschuss des Landtages übernommen werden.
Zu den Aufgaben des neuen Beirats sollen laut Auskunft des Ministeriums Beratung und die Gestaltung der Integrationspolitik in Niedersachsen gehören. „Wir setzen als Landesregierung auf direkte Kommunikation mit den Institutionen, Vereinen und Verbänden – besonders mit Migrantenselbstorganisationen. Wir wollen auch das Fachwissen und die Erfahrungen aus der Praxis nutzen, die überall in Niedersachsen vorhanden sind“, erklärte Özkan gestern in Hannover.
In dem Beirat sollen für die Integration relevante Organisationen und Persönlichkeiten ehrenamtlich vertreten sein. Dazu zählen zum Beispiel Migrantenselbstorganisationen wie die Arbeitsgemeinschaft Migranten und Flüchtlinge Niedersachsen und andere landesweit tätige Organisationen wie die Griechische, Spanische, Italienische und Türkische Gemeinde, die Wohlfahrtsverbände, die Kommunalen Spitzenverbände, DGB und Unternehmerverband Nord sowie weitere landesweite Interessenvertretungen wie der Landesseniorenrat und Einzelpersonen.
Ministerium hat Federführung
Auf diese Weise soll der direkte Austausch zwischen gesellschaftlichen Gruppen und der Landesregierung institutionalisiert werden. Der Beirat wird sich aus den berufenen Mitgliedern unter dem Vorsitz der Integrationsministerin zusammensetzen. Aus seinen Mitgliedern wählt der Beirat einen stellvertretenden Vorsitzenden. Die Geschäftsführung übernimmt aber das Grundsatzreferat der Abteilung Integration.
„Darüber hinaus habe ich als Integrationsministerin selbstverständlich immer ein offenes Ohr für alle Anliegen und Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern oder Verbänden zur Integration in Niedersachsen. Integration hat in der Arbeit der Landesregierung einen ganz besonderen Stellenwert – bei all unseren politischen Entscheidungen – ob bei Gesundheit, Pflege, Sozialpolitik, Kinder- und Jugendpolitik, Seniorenpolitik. Integrationspolitik ist das Zukunftsthema in unserer Gesellschaft“, so die Ministerin.
Placebo-Beirat
Das sehen Oppositionspolitiker anders. Die integrationspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Silke Lesemann, kritisiert vor allem die Streichung des Integrationsbeauftragten. Der Vorstoß der Ministerin, die Härtefallkommission oder der Petitionsausschuss könnten die Ombudsaufgaben der ehemaligen Integrationsbeauftragten wahrnehmen, sei zynisch. „Der seit Jahren schwelende Streit um die Härtefallkommission, die im Zweifel gegen die Antragsteller entscheidet, ist auch der Ministerin bekannt. Und eine Petition im Landtag, die sich gegen Regierungsentscheidungen richtet, hat in der Regel überhaupt keine Chance auf Berücksichtigung, weil sie von der Mehrheit weggestimmt wird“, so die Kritik von Lesemann.
„Frau Özkan installiert ein Gremium, das zwar Kritik üben darf, aber ansonsten die Ideen der Ministerin zur Kenntnis zu nehmen hat. Der Integrationsbeirat hat keinerlei Befugnisse. Rat oder Vermittlung suchenden Menschen wurde mit der Integrationsbeauftragten eine feste Anlaufstelle genommen“, so die SPD-Politikerin. Die Ministerin wolle zweimal im Jahr den Beirat einberufen, um ihre Politik zu erklären. „Sie sieht das Gremium als weiteres Organ zur Verkündung ihrer Vorstellungen. Sie will Kommunikation von oben nach unten“, erklärt Lesemann. Ein Beirat sei dann sinnvoll, wenn er zu einem System mit weiteren Instrumenten gehöre, etwa einer Integrationsbeauftragten oder einem Integrationsausschuss des Landtages. Doch so, wie sich Frau Özkan das vorstelle, sei der Beirat eine Placebo-Veranstaltung.
Schlechtes Zeugnis
Scharfe Kritik an der Abschaffung des Integrationsbeauftragten kommt auch von den Landtagsgrünen. „Ministerin Özkan stellt der bisherigen Stelleninhaberin das denkbar schlechteste Zeugnis aus, wenn sie deren Stelle quasi für überflüssig erklärt“, sagte die migrationspolitische Sprecherin Filiz Polat. Auch die bisherige Konzeption dieser Stelle sei verbesserungswürdig. „Wir fordern eine unabhängig agierende Beauftragte als Stabsstelle, die die Interessen der Zugewanderten und deren Familien formuliert, anstatt wie bisher den MigrantInnen die Position der Landesregierung näher zu bringen“, erklärte Polat.
Mit dem neuen Beirat baue Özkan eine „Parallelstruktur“ auf, da das Land Niedersachsen bereits über eine Integrationskommission verfüge. „Das ist eine Provokation und Respektlosigkeit gegenüber den amtierenden Kommissionsmitgliedern“, so Polat abschließend.
Schaufensterpolitik
In eine ähnliche Richtung kritisiert auch die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann: „Das ist eine reine Schaufensterpolitik der Sozialministerin. Ein solcher Integrationsbeirat hätte keinerlei Entscheidungskompetenz. Notwendig wäre es, den zuständigen Gremien Entscheidungskompetenzen zu geben. Diese Gremien gibt es bereits. Deshalb muss die beim Landtag angesiedelte Integrationskommission endlich die Rechte eines Ausschusses des Parlamentes erhalten – dazu gehört auch, Beschlüsse selbstständig zu fassen.“ (bk) Leitartikel Politik
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Soweit mir bekannt, hat Frau Özkan bei ihren „Landsleuten“ kein standing, Ich frage mich, wie sie die Leute gewinnen möchte. Sei es für unser Land, sei es für Kooperationen, sei es für die gesellschaftliche Teilhabe. Der Islambeirat wurde auch einst sehr hoch gelobt und nun? Integrationspoltik mutiert immer mehr und mehr zu einer politischen Show. Und wir müssen diesen ganzen Budenzauber auch noch finanzieren.