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Daniela Kolbes Zwischenruf

Tut doch was! – Menschenunwürdige Flüchtlingspolitik in Griechenland

Der Schock saß tief und war fraktionsübergreifend. Bei einer Delegationsreise des Innenausschusses hatten fünf Bundestagsabgeordnete Mitte September die Gelegenheit, zwei griechische Auffanglager für Migrant(-inn)en zu besuchen.

Von Daniela Kolbe Donnerstag, 22.09.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 28.09.2011, 1:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Wir reisten nach Tychero und Fylakio direkt an der türkisch-griechischen Grenze im Evros-Gebiet. Auf diese Region, wo die Grenze aus rund 12 Kilometern Landgrenze und auf 180 Kilometer aus dem Fluss Evros besteht, konzentriert sich seit 2010 der Flüchtlingszustrom nach Europa.

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Aufgegriffene Personen werden in die berüchtigten Lager direkt an der Grenze gebracht, dort registriert und bis zu sechs Monate inhaftiert. Die Zustände sind entsetzlich, sie sind menschenunwürdig und beschämend. Bei unserem Besuch in Tychero sahen wir eine 100 qm große Zelle, die eher einem dunklen Kellerloch glich, in der etwa 40 junge Männer auf einem schmutzigen Matratzenlager hausten. Die Sanitäranlagen befanden sich in einem unbeschreiblich schlechten Zustand. Licht, warmes Wasser oder Heizung – Fehlanzeige. Die Menschen sind 24 Stunden der Enge, dem Schmutz und den miserablen Bedingungen ausgesetzt, ohne Möglichkeit diesen Raum auch nur kurz verlassen zu können. Sie klagen über die furchtbaren Zustände, das fehlende Licht, die schlechte Verpflegung und die mangelhafte medizinische Versorgung. Vertreter(-innen) von Ärzte ohne Grenzen berichteten uns, dass in der gleichen Zelle zuweilen 80 bis 100 Personen „untergebracht“ seien.

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Europa scheint an diesem Ort sehr weit entfernt.

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Die griechische Politik besteht darin, Migrant(-inn)en, bei denen Griechenland hofft, sie in die Türkei zurück schieben zu können, bis zu sechs Monate unter diesen unsäglichen Bedingungen festzuhalten. Das betrifft insbesondere Personen aus dem Iran, Irak oder Syrien. Auch Asylbewerber/-innen werden bis zu ihrem Anhörungsgespräch gefangen gehalten, was Monate dauern kann.

Währenddessen werden Menschen aus Ländern, in die Griechenland nicht abschieben kann, wie etwa Afghanistan, bereits nach ein bis zwei Tagen aus den menschenunwürdigen Zuständen entlassen. Mit einem Stück Papier, das sie auffordert, innerhalb von 30 Tagen das Land zu verlassen.

Diese Menschen machen sich aber natürlich größtenteils mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß auf den Weg nach Athen und in die Hafenstädte, um Griechenland in Richtung anderer EU-Länder den Rücken zu kehren. Das gelingt ihnen oft genug nicht oder erst nach Jahren.

Das führt dazu, dass sich allein in der Region Athen mehr als eine Million illegalisierte Personen aufhalten, zum Teil unter menschenunwürdigen Bedingungen, da für sie in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation kein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht und keinerlei Sozialsysteme oder Gesundheitsversorgung vorgehalten werden.

Dieser Zustrom von hunderttausenden Migrant(-inn)en ist eine klare Überforderung für das kleine Land. Das Thema Migration wird zunehmend zum Sprengstoff für die krisengeschüttelte griechische Gesellschaft. Aufgrund dieser Unsicherheit fallen die Propaganda und Gewalt rassistischer Menschenfeinde auf immer fruchtbareren Boden in der griechischen Gesellschaft. Vertreter(-innen) des UNHCR berichten von täglichen Übergriffen auf Migrant(-inn)en durch Nazi-Gruppierungen.

Die Situation in Griechenland ist aber kein griechisches Problem allein. Die Flüchtlinge wollen ja nicht nach Griechenland, sondern in andere Länder der Europäischen Union. Es ist eine europäische Herausforderung. Wir brauchen endlich eine Veränderung der europäischen Flüchtlingspolitik und eine Reform von Dublin II. Und wir müssen europaweit darüber diskutieren, wie wir besonders betroffene Staaten unterstützen können.

Gleichwohl, die Griechen aus ihrer Verantwortung zu entlassen, wäre grundfalsch. Es ist zu offensichtlich, dass die griechischen Behörden mit geringsten Mitteln die Situation in Fylakio, Tychero und anderswo dramatisch verbessern könnten, allein sie tun es derzeit nicht. Griechenland könnte Gelder aus europäischen Fonds zur Verbesserung der Situation abrufen, bleibt aber untätig. Diese Unfähigkeit und Unwilligkeit der griechischen Behörden ist unerträglich und darf von uns nicht hingenommen werden.

Was wir dringend brauchen, ist eine kritische Solidarität mit Griechenland. Unterstützung einerseits, energischen Druck die Situation zu verbessern andererseits. Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Das werden wir in den kommenden Monaten im Deutschen Bundestag diskutieren. Ich hoffe fraktionsübergreifend. Meinung

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  1. Anne sagt:

    Hoffen wirs. Aber ich fürchte, im BT wird man alles tun, um Dublin II zu halten und ja nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. Es ist beschämend, dass erst Gerichte feststellen müssen, dass die Verhältnisse in EU-Ländern eine Rückschiebung dorthin nicht zumutbar machen – und dabei sind sie ja noch sehr zurückhaltend.

  2. Relbrandt sagt:

    @Anne, hoffen wir nur, dass Europa diese hundertmillionen (sichtlich schwer integrierbaren und ungebildeten) Flüchtlinge, die sich nach Westeuropa aufmachen werden, wenn diese Barrieren erstmal fallen, auch noch vertragen wird. Irgendwann ist Schicht im Schacht, ich hoffe, das ist Ihnen klar.

    Ich frage mich: wohin mit diesen Menschen? Sie werden hier nicht glücklich werden, ohne Arbeit, ohne Tradition, ohne gesellschaftlichen Zugang, ohne Geld. Müsste man nicht andere Lösungswege suchen?

    Wenn es nach humanen Maßstäben gehen würde, müsste man wortwörtlich die halbe Welt aufnehmen.

  3. arabeska sagt:

    „Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Das werden wir in den kommenden Monaten im Deutschen Bundestag diskutieren. Ich hoffe fraktionsübergreifend“.

    Und um den Druck auf die Politik und ihre Repräsentanten zu erhöhen und einen gesellschaftlichen Diskurs anzustoßen, hat die taz eine öffentliche Aktion gestartet:

    http://bewegung.taz.de/aktionen/manifest/beschreibung

    Allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres sind 1674 Flüchtlinge im Kanal von Sizilien ertrunken. Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer verschärft sich – und Europa schaut zu. Wir wollen ein anderes Europa. Ein Europa, das wirklich für die Ideen der Humanität und Freiheit aller Menschen steht

    Erstunterzeichner: medico international | Pro Asyl | Amnesty International | Brot für die Welt | borderline-europe | Komitee für Grundrechte und Demokratie | Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten | MIGREUROP | BUKO – Bundeskoordination Internationalismus | Afrique Europe Interact | Netzwerk MiRA

  4. Snillisme sagt:

    „Ein Europa, das wirklich für die Ideen der Humanität und Freiheit aller Menschen steht.“
    100%ige Zustimmung!
    Vor allem die Konkretisierung ‚aller Menschen‘ ist erfreulich und läßt hoffen daß Sie dagegen angehen werden wenn für bestimmte Menschen die europäischen Freiheitsrechte nicht vollumfänglich verfügbar sind.

  5. Samson sagt:

    Ich bin dafür dass Anne, Frau Kolbe und Arabeska hier mit gutem Beispiel voran gehen sollten und fünf Flüchtlinge in ihrer Wohnung aufnehmen sollten.
    Abends nach der Arbeit können Sie dann für sie einkaufen und ihnen Deutsch unterrichten.
    Nicht immer nur fordern, sondern auch mal handeln!

  6. Naja sagt:

    Frontex weiter aufrüsten, die rechtlichen Hemmnisse für Abschiebungen senken, Rückführungsabkommen mit Drittstaaten aushandeln. Fertig.

  7. arabeska sagt:

    @Samson
    während Sie nur hetzen, handele ich – die „Obergutbürgerin“ in mehreren Vereinen, die sich für Menschenrechte einsetzen.
    Reiche Länder verschwenden Ressourcen, während in den meisten Ländern Menschen kaum Zugang zu ausreichender Nahrung und Bildung haben. Somit ist der Jetztmensch gerade im Begriff, sich gegenseitig zu beseitigen, obwohl es mehr Menschen gibt, als es je Menschen auf der Welt gab.

    Wenn der Mensch nicht bereit ist, jeden Menschen als Mensch anzunehmen, sollte man nicht mehr von „Menschlichkeit“ reden.
    Für Bürger Ihres Weltbilds eh ein Fremdwort !

  8. ZZieher sagt:

    Arabeska, Samson meinte nicht, in Vereinen rumsitzen und palavern, sondern handeln: Migranten aufnehmen, bei sich wohnen lassen, Menschlichkeit zeigen! Mit gutem Beispiel voran!

  9. jörg sagt:

    würde die grenzen aufgemacht, wie es die linken träumen, hätten wir in eienm jahr bürgerkrieg in ganz europa. wenn sie das möchten…bittesehr.

  10. Snillisme sagt:

    arabeska for president