Europarechtswidrig
Niederlande schafft Sprachtest beim Ehegattennachzug für Türken ab
Die Niederlande hat auf den Druck des Europäischen Gerichtshofs reagiert und den Sprachtest beim Ehegattennachzug für türkische Staatsbürger mit sofortiger Wirkung abgeschafft. Damit gerät die Bundesregierung weiter unter Druck.
Von Ekrem Şenol Mittwoch, 28.09.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 04.10.2011, 23:54 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Niederlande hat auf den zunehmenden Druck des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) reagiert und den seit März 2006 geltenden Integrations-und Sprachtest für türkische Staatsbürger mit sofortiger Wirkung abgeschafft.
Damit sind türkische Ehegatten von der Verpflichtung befreit, grundlegende Kenntnisse der niederländischen Sprache nachzuweisen, wenn sie zu zu ihrem in den Niederlanden lebenden Partner ziehen wollen. Das teilte das niederländische Innenministerium am 23. September 2011 dem Parlament offiziell mit.
Niederlage vorgebeugt
Mitursächlich für Kurswechsel in den Niederlanden war ein Rechtsstreit eines türkischen Staatsbürgers vor dem Verwaltungsgericht Rotterdam. In einer mündlichen Verhandlung am 20. September 2011 – drei Tage vor dem Beschluss des Innenministeriums – bat die Behörde um Vertagung der Verhandlung. Der Rechtsstreit werde sich durch eine Beschlussfassung des Innenministeriums erledigen, lautete die Begründung, was auch tatsächlich geschah.
Rechtsanwalt Ejder Köse, der den Kläger vertritt, erklärte dem MiGAZIN, dass sich das Innenministerium damit eine weitere Niederlage und den möglichen Gang zum EuGH ersparen wollte. Der türkischstämmige Jurist verweist auf eine Stellungnahme der EU-Kommission an den EuGH vom 29. Juli 2011. Darin stellen die Kommissionsjuristen unter anderem fest, dass von türkischen Staatsbürgern kein Sprachtest abverlangt werden darf, weil es gegen EU-Recht verstößt.
Deutsche Regelung wackelt
Zurückgeführt wird der Verstoß auf das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei. Darin ist ein Verschlechterungsverbot verankert, das den EU-Staaten verbietet, die Arbeitnehmerfreizügigkeit türkischer Staatsbürger einzuschränken. Das Verbot greift laut EU-Kommission bereits dann, wenn der türkische Staatsbürger (vor der Einreise) beabsichtigt, von dieser Freizügigkeit Gebrauch zu machen.
Damit ging die Kommission auch auf Konfrontationskurs mit der deutschen Regelung. Die Bundesregierung hält nach wie vor an ihrer Rechtsauffassung fest, der ähnlich gestrickte deutsche Sprachtest sei europarechtskonform. Die Begründung lautet: Das Verschlechterungsverbot gelte nur für Arbeitnehmer, die sich bereits in Deutschland aufhalten.
Vorbild Niederlande
Mit dieser Begründung stand die Bundesregierung bereits vor dem Kurswechsel der Niederlande ziemlich alleine da und geriet massiv in Erklärungsnot. Nach dem Einlenken der Niederlande dürfte diese Not umso größer werden.
Denn die Bundesregierung hatte sich unter anderem an der niederländischen Regelung orientiert, als sie im Jahre 2007 den deutschen Sprachtest einführte. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Jahre 2008 erklärte sie, dass „bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen die Erfahrungen anderer Länder“ mitberücksichtigt werden.
Jetzt, wo die Niederlande den Sprachtest für türkische Staatsbürger abschaffen musste, wird spannend zu beobachten sein, ob sich die Bundesregierung den Nachbarn erneut zum Vorbild nimmt, und die europarechtswidrige Sprachtestregelung für türkische Staatsbürger ebenfalls für unanwendbar erklärt. Ausland Leitartikel
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