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Interkulturelle Öffnung der Schule

Heterogenität und Mehrsprachigkeit sind die Regel, nicht die Ausnahme!

Kreativität, Kraft, Wissen und den Mut ein Leben lang lernen zu wollen, spielen eine besondere Rolle in der Entwicklung eines jungen Menschen zum Erwachsenensein. Welche Rolle spielt Migrationsbiographie in diesem Prozess?

Von Antonietta Patrizia Zeoli Dienstag, 18.10.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 13.11.2012, 8:03 Uhr Lesedauer: 11 Minuten  |  

What is true of race, gender, and religion is equally true of other aspects of identity. We are all members of different communities for different purposes at different times. Our tendency to define others by reference to any one particular characteristic can be problematic1

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Die Debatte zur interkulturellen Öffnung von Schule, Unterricht und Lehrerkollegien wird von Begriffen wie: Multikulturalismus, Integration, Inklusion und im günstigsten Fall von Super Diversity 2 getragen. Welche Zielgruppe ist eigentlich gemeint? Nach Schätzungen der International Organisation für Migration leben weltweit knapp 200 Millionen Migrantinnen und Migranten nicht im Geburtsland. Dies sind gut drei Prozent der Weltbevölkerung. Globalisierung, Klimawandel und wirtschaftliche Disparitäten werden zukünftig Aus- bzw. Zuwanderung verstärken. In den Schätzungen ist noch nicht die durch die Migrationserfahrung der Eltern geprägte Generation junger Menschen berücksichtigt. Wo vor zwanzig Jahren mit „Kontakte zu ausländischen Firmen“ der Austausch von Gütern und ökonomische Transaktionen gemeint war, prägen heute menschliche Mobilität und moderne Kommunikationstechnologie die internationalen Großkonzerne. Diese Entwicklung homogenisierender Gesellschaftsmuster historisch gewachsener Nationalstaaten in patriarchal angelegten kulturphilosophischen Diskursen sind in ihrer Anlage zur Beschreibung einer vielfach heterogenen gesellschaftlichen Realität nicht anwendbar. Der Umgang mit einer offenen dynamischen Gesellschaft stellt den Zustand der Demokratie vor Herausforderungen und auf die Nagelprobe.

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„Interkulturelle Öffnung einer Schule beinhaltet nicht nur die Einstellung von Lehrkräften mit Zuwanderungsgeschichte, sondern muss ein Bekenntnis aller schulischen Akteure sein, das sich zur Entfaltung der Nachhaltigkeit im Schulkonzept, in der Personalentwicklung, in den Kerncurricula und Partizipation der Elternschaft widerspiegelt.“

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Menschen können weder nach dem Muster des Multikulturalismus der 80er und 90er Jahre nach Herkunft, Ethnizität oder Religion gruppiert werden, noch kann auf Basis dieses Paradigmas gleichberechtigte Teilhabe von Minderheiten gefordert werden. Ein fehlerhafter Analogieschluss, der durch, zum Beispiel, die Unterstellung identischer Zuwanderungserfahrungen argumentativ nicht tragbarer wird. „Wir befinden uns geistig immer noch im 19. Jahrhundert“, so der Publizist und Migrationsforscher Mark Terkessidis. 3 Im Kontext von Zuwanderung wird allzu oft keinerlei Unterscheidung getroffen zwischen jenen

  • die kommen wollen („Ich kam als Mathematik Studentin aus Rumänien nach Deutschland. Die Liebe zu meinem deutschen Mann hat nach 20 Jahren Ehe dieses Land zu meiner Heimat und die unserer Kinder gemacht.“ Roswita Weber, 51),
  • die kommen sollen („Seit zwei Jahren lebe ich in Deutschland. Bayer suchte Chemieingenieure und es war ein leichtes aus England überzusiedeln.“ Aaron Schneider, 32),
  • die kommen müssen („Die lebensgefährliche Bootspassage von Tunesien habe ich aus Liebe zu meinen Kindern, Angst vor dem Terror im Dorf und aus reiner Verzweiflung gewagt.“ Mehdi Tammar, 26),
  • die kommen dürfen („Ich habe mir immer vorgestellt, in einem anderen Land als Portugal zu leben. Haben einfach geschaut, wo es für mich am einfachsten wäre, Fuß zu fassen. Ich bin schon lange kein Portugiese mehr, sondern Europäer.“ Manuel Ramelhe, 42).

Darin erschöpft sich die Differenz noch lange nicht:

  • die als „Gastarbeiter“ kamen und geblieben sind („Mich begrüßte ein deutscher Arzt am Frankfurter Bahnhof mit einer Zahnuntersuchung. Ich hatte einen Pappkoffer mit dabei. Nun leben ich seit über 30 Jahren in Deutschland, mein neues zuhause.“ Vincenzo Bafundi, 72)
  • die Kinder der sogenannten „Gastarbeiter Generation“ („Ich bin eine griechische Deutsche und noch nie zu Gast in Deutschland gewesen. Obwohl Düsseldorf mein zuhause ist, fühle ich mich mit Griechenland verbunden.“ (Eleana Vaja, 27)
  • die Pendel – Migranten („Im Winter kommen wir mit den Kinder nach Deutschland. Albanien hat uns nichts zu bieten. Dann arbeiten wir für eine Zeit, wo es etwas zu tun gibt und bleiben, wo man uns haben möchte oder wohl eher duldet. Dann ziehen wir weiter. Die Familie ist es nicht anders gewohnt.“ (Gjon Kastrioti, 42)
  • die deutsche Bildungselite mit Migrationshintergrund. („Meinen Facharzt mache ich noch in Deutschland. In einem Jahr wandern meine Familie und ich nach Istanbul aus. Es ist sicher spannend, sich im Land seiner Eltern einmal umzuschauen. Geboren und aufgewachsen bin ich und meine portugiesischstämmige Frau in Deutschland. Ich bin mit der kurdischen Tradition und der türkischen Sprache in Deutschland erzogen worden.“ Murat Tonk, 37)

Spätestens seit Beginn der Anwerbung haben wir im deutschen Schulsystem Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte, deren Zahl in den letzten Jahrzehnten signifikant gestiegen ist. In Nordrhein-Westfalen wird seit dem Jahr 2007 die Zuwanderungsgeschichte von Schülern öffentlicher Schulen erhoben. Dadurch ist es möglich, die Verteilung auf die Schulformen realistischer abzubilden (2008: Grundschule: 33,4%, Hauptschule: 37,6 %, Realschule 26,7%, Gesamtschule: 25,8%, Gymnasium 13,7%). Leider wird beim Merkmal Schulabschluss die Zuwanderungsgeschichte nicht erhoben. So erwerben 31,4 % der Schüler mit deutscher Staatsangehörigkeit die Hochschulreife, aber nur 12,8 % der Schüler mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Dies entspricht auch im Durchschnitt den aktuellen bundesweiten Daten (vgl. BAMF 2010, S. 19). Die Existenz von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungsgeschichte mit ihren besonderen Bedürfnissen und Fähigkeiten fand kaum Zugang in die Fachdidaktiken, die zum Teil bis heute Konzepte für nicht näher definierte homogene Lerngruppen entwerfen. Zu Beginn aller Forschungen steht stets die Defizitbeschreibung einer apokalyptischen, am Abgrund stehenden Schülerschaft, die sich insbesondere durch Bildungsferne, Armut und Migrationshintergrund auszuzeichnen scheint.

Eine gute Schule mit heterogener Schülerschaft braucht Lehrkräfte, die über Kompetenzen im Bereich der Zweitsprachendidaktik und -methodik verfügen. Im Bereich der Fehlerquellenanalyse können sprachliche Missverständnisse leichter identifiziert und somit ausgeräumt werden. Aber auch der Wert schätzende Umgang mit den Herkunftssprachen der Familien sollte wichtiger Bestandteil schulischen Lehrens und Lernens sein.

Die Lernmotivation und die Anstrengungsbereitschaft werden verstärkt. Insbesondere die Kinder der ersten Arbeitsmigranten fühlen sich den Zielen der Familie besonders verpflichtet. Familiäre Entbehrungen wurden hautnah erlebt. Aus der erfolgreichen Projektarbeit des Netzwerks der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte ist vor allem eines klar geworden: Zugewanderte Eltern haben ein sehr hohes Interesse am Bildungserfolg ihrer Kinder. Die Erfahrung der Migration weckt den Willen und die Kraft, der Nachfolge-Generation ein „besseres“ Leben zu ermöglichen, ohne die Wurzeln der Eltern in der Reflexion mit der Aufnahmegesellschaft verneinen zu müssen.

  1. Sheila S. Kennedy. Diversity an the Crisis of Public Confidence, 2011.Prometheus Books. New York 2009. S.52
  2. Steven Vertovic. Die Chimäre des Multikulturalismus. S. 72ff. In: Susanne Stemmler (Hg.) Multikultur 2.0. Wallstein Verlag, 2011.
  3. Mark Terkessidis. Interkultur. Bpb. S. 208ff. 2010
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  1. ZZieher sagt:

    @Mika

    Die Türkei ist auf alle Fälle ein Staat der Zukunft, es wird noch vieles passieren. Aber denken Sie nicht auch, dass der Reichtum erst bei der Bevölkerung ankommen muss? Sicher denken Sie das, und ich denke das auch.

    Werfen wir doch einen kurzen Blick auf das Bruttoinlandsprodukt:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Bruttoinlandsprodukt

    Hui, Platz 18! Gar nicht mal so übel. Das hätte ich nicht erwartet. Lassen Sie uns kurz noch das Pro-Kopf-Einkommen ansehen:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_Bruttoinlandsprodukt_pro_Kopf

    Hmm, Platz 58, das ist gar nicht so gut… allerdings ist dort Deutschland auch erst auf Platz 16. Na ja, kurz noch der Human Development Index angeguckt:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Human_Development_Index

    Die Türkei finden wir hier auf Platz 83, laut Legende aber immerhin ein hochentwickeltes Land! Allerdings hinter Staaten wie Kazachstan oder Aserbeidschan.

  2. Mika sagt:

    Und nochmal für Sie: es ist mitnichten ein Pleitestaat! Vielmehr erlebt es momentan einen wirtschaftlichen Frühling! Das muss sich erst einmal etablieren, bevor es bei den Menschen ankommt. Und ja, auch mir ist das wichtig!

    Und überhaupt, wir sind hier vom Thema abgekommen, aber egal…

  3. Fritz sagt:

    Natürlich, wir brauchen mehr Menschen weder richtiges Deutsch noch richtiges Türkisch nocht richtiges Englisch sprechen, aber dafür von jedem ein bisschen. Das nennt sich dann Mehrsparchigkeit. Lachhaft!

  4. Mika sagt:

    @Fritz
    Komme ich Ihnen vor, als dass ich weder richtig deutsch noch richtig türkisch noch richtig englisch sprechen kann? Aber natürlich bilde ich da eine Ausnahme….auch das ist lachhaft!

  5. Pingback: Etwas über die Vielfalt der MiGrus « BlogIG – Migrationsblog der InitiativGruppe

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