Zeitfrage
Der Doppelpass wird kommen. Das ist Tradition.
Die SPD entfacht mit ihrem aktuellen Vorstoß erneut eine Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft. Sie möchte die Streichung der Optionspflicht. Ekrem Şenol ist überzeugt, dass das nur eine Zeitfrage ist. Er vertraut auf die gesetzgeberische Tradition.
Von Ekrem Şenol Freitag, 04.11.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.11.2011, 6:38 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Gesetze mit gesellschaftspolitischem Charakter hinken der Realität meist hinterher. Das war schon immer so. Gesetze passen sich den Gegebenheiten aber an. Auch das war schon immer so und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Bestes Beispiel ist Paragraph 218 des Strafgesetzbuches, der die Tötung von ungeborenem Menschenleben legalisiert – auch Abtreibung genannt. Im Lichte dieser gesetzgeberischen Tradition ist auch die generelle Hinnahme der Mehrstaatigkeit keine Frage des „Ob“, sondern des „Wann“.
Als SPD und Grüne 1998/1999 die doppelte Staatsbürgerschaft generell erlauben wollten, konnten sie sich gegen den heftigen Widerstand der CDU nicht durchsetzen. Von Wolfgang Schäuble (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) initiiert, wurde eine beispiellose Kampagne gegen den Doppelpass gestartet, die ihren Höhepunkt im hessischen Wahlkampf 2000 mit Roland Koch (CDU) an der Spitze fand.
Mit einer Unterschriftenaktion konnte der CDU-Politiker die Stimmung im Wahlkampf derart polarisieren, dass ihm schließlich der Wahlsieg gelang. Damit ging die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat verloren und SPD und Grüne sahen sich gezwungen, auf einen faulen Kompromiss einzugehen. Auf Vorschlag der FDP wurde das weltweit beispiellose Optionsmodell eingeführt.
Seitdem gilt: Wird ein Kind in Deutschland geboren und hat eines seiner Elternteile ein unbefristetes Aufenthaltsrecht seit acht Jahren, hat das Kind beide Staatsangehörigkeiten. Mit Eintritt der Volljährigkeit muss es sich dann aber entscheiden – spätestens bis zum 23. Lebensjahr. Andernfalls geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren.
Heute, gut zehn Jahre später, schaut die Welt anders aus. Die einstigen Argumente der Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft waren damals für Viele noch nachvollziehbar. Sie beschworen Loyalitätskonflikte herbei, spielten mit Ängsten und beriefen sich auf den seit 1913 geltenden Status quo: Doppelpass als absolute Ausnahme, was damals noch einigermaßen noch zutraf.
Seit einigen Jahren ist die Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit aber keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Die Quote lag im Jahr 2010 bei 53,1 Prozent. In den Genuss dieser Privilegierung kommen laut Statistischem Bundesamt vor allem EU-Bürger, aber auch bei Amerikanern oder Menschen aus Afrika und Asien liegt die Doppelpassquote fernab der 60-Prozent-Marke. Zu der Minderheit, denen der Doppelpass vorenthalten wird, gehören ausgerechnet Menschen aus Kroation, Mazedonien und der Türkei – allesamt EU-Beitrittskandidatenländer.
Angesichts dieser Realität verlieren die heute noch aufgeführten Argumente der Union immer mehr an Bedeutung. Die Zahl der Doppelstaatler steigt zunehmend. Parallel dazu rufen Warnungen vor möglichen Loyalitätskonflikten bei immer weniger Menschen Ängste hervor.
Auf der anderen Seite wird die Ungleichbehandlung bei der Doppelpassvergabe immer offensichtlicher. Ohne ersichtlichen Grund kommen Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern in den Genuss einer doppelten Staatsbürgerschaft und mit den damit verbundenen Privilegierungen oder werden davon ausgenommen – mit integrationspolitisch fatalen Folgen.
In diese Kerbe schlägt die SPD mit ihrem aktuellen Doppelpass-Vorstoß. In der kommenden Woche wird sie einen Antrag in den Bundestag einbringen und darin die Streichung der Optionspflicht fordern. Unterstützt wird diese Forderung von den Grünen und der Linkspartei. Selbst die FDP ist nicht abgeneigt. Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, etwa erklärt, dass er das Optionsmodell ebenfalls „durchaus kritisch“ sieht, aber die Evaluation der Regelung abwarten möchte.
Unterm Strich hat der SPD-Antrag ohne das OK der Unionsparteien dennoch kaum eine Chance. Spätestens nach der nächsten Bundestagswahl werden sich die Kräfteverhältnisse im Bundestag aber geändert haben. Und selbst wenn das nicht eintreten sollte, ist das Fallen der Optionspflicht nur eine Zeitfrage.
Als die Welt noch klein, die Entfernungen groß und die Menschen sesshafter waren, kam niemand auf die Idee, Mehrstaatigkeit zu thematisieren. Zunehmend schaut es aber anders aus und diese Entwicklung schreitet unaufhaltsam voran. Völker vermischen sich, Gesellschaften werden bunter, Menschen mobiler, sie entwickeln Ansprüche, dem der Gesetzgeber früher oder später entsprechen muss – welche Parteien auch immer die Regierung bilden.
Und wenn die C-Parteien selbst bei einem viel problematischeren Thema wie Abtreibungen – bei einer Abtreibungsquote von etwa 14 Prozent – es geschafft haben, über ihr „christliches Menschenbild“ zu springen weil sie sich genötigt sahen, die Gesetze der gelebten Realität anzupassen, dürfte die Überwindung von selbst an die Wand gemalten Loyalitätskonflikten bei einer aktuellen Doppelpassquote von über 50 Prozent nicht ewig auf sich warten lassen.
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@delphin,Sie werden es nicht verstehen, weil Sie offensichtlich nicht verstehen wollen . Außerdem braucht man dafür eine gewisse Intelligenz…Das ist nähmlich mehrmals erklärt worden.
@ delphin
Wieso reduzieren Sie Ihre Frage auf Türken?
Ich antworte mal mit wie folgt (obwohl Sie mich nicht gefragt haben): Ich sehe dieselben positiven Auswirkungen eines Doppelpasses für Türken, wie bei Portugiesen, Spaniern, Italienern, Bulgaren, Rumänen und allen anderen EU-Ausländern, sowie Schweizern, Nordafrikanern, Iranern, Syrern, Afghanen, Mittel- und Südamerikanern! Genau die selben positiven Auswirkungen wie bei diesen Staatsangehörigen sehe ich ganz generell auch für Türken (und auch Menschen aus Russland, Albanien oder Ex-Jugoslawien)… Oder wollen Sie positive Auswirkungen bei diesen Menschen verneinen? Falls ja, dann stellt sich die Frage, warum es hier hingenommen wird mit einer Quote von über 50% auf ALLE Einbürgerungen gesehen?
Also ich musste meinen türkischen Pass abgeben (nach 2000), um „Deutsch“ zu werden.. Damit das meinen Kindern erspart bleibt, habe ich einen türkischen Staatsangehörigen geheiratet :) :)
Somit werden zumindest meine Kinder BEIDE Staatsangehörigkeiten haben. Die deutsche UND die türkische… so ist es auch recht! Denn meine Kinder werden beides sein… Dagegen können die gott sei dank nichts unternehmen.. oder noch nicht :P
@elmo
Dann gibt es ja doch einen Doppelpass? ist doch super!
@ Fikret
Persönliche Beleidigungen überhöre ich.
@NON-EU-Alien
Danke für Ihre Antwort. Bitte sagen Sie es mir, ich weiß es nämlich nicht: was sind denn die Vorteile bzw. die positiven Auswirkungen eines Doppelpasses?
Viele der genannten Nationalitäten haben deswegen einen Doppelpass, die Pässe aus Ländern haben, die sie aus der dortigen Staatsangehörigkeit nicht entlassen wollen, beispielsweise Afghanistan, Iran, Tunesien oder Marokko. Das darf man nicht verschweigen!
Fikret, ich musste gerade lachen. Sie werfen mir vor, dass ich zu blöd bin, dass zu verstehen. Aber Sie schreiben „nähmlich..“
Sie wissen doch, wer nämlich mit H schreibt, ist dämlich! Ha Ha, kleiner Spaß. Von mir aus kann jeder soviel Pässe haben wie er will. Ich beantrage morgen auch einen türkischen! Dann bin ich stolzer Türke und stolzer Deutscher! Ist das nicht schön?
@delphin , Sie bringen nichts zum Thema,und beschuldigen nur die Türken.Seien Sie vorsichtig. Das Lachen kann Innen vergehen.In Wirkrlchkeit Rechsradikale sind lächerlich. sie nützen Deutschland überhapt nichts. Ein grosses Mundwerk ,sonst gar nichts. Flatus vocis.
Jetzt seien Sie doch nicht gleich beleidigt, Fikret. Und Drohungen finde ich gar nicht schön! Ich habe das wirklich nett gemeint! Rechtsradikale sind natürlich die dümmsten überhaupt, aber wie kommen Sie auf Rechtsradikale? Hier geht es um den Doppelpass für Türken. Non-EU-Alien hat gefragt, warum Menschen aus Afghanistan und Iran oder Syrien einen Doppelpass bekommen, Türken nicht. Ich antwortete darauf, dass manche Länder ihre Bürger eben nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen. Non-EU-Alien fragte, warum Japaner einen bekommen. Nun, vielleicht gibt es da einfach zu wenige hier davon. Ist nicht Japan auch ein starker Wirtschaftspartner? Sie sehen, alles nur Politik.
Aber was ich nicht verstehe, was ist denn jetzt der genaue Vorteil, wenn die Türken eine doppelte Staatsbürgerschaft haben? Sie antworten mir darauf nicht, sondern drohen, sind beleidigt und schweifen vom Thema ab. Darf ich nochmals fragen? Ts, ts, ts, also diese Drohung finde ich schon heftig.
@ delphin
Non-EU-Alien hat aber auch EU-Länder, Schweiz, etc. genannt und nicht nur die von Ihnen „ausgewählten“ Länder.
Non-EU-Alien hat Japaner gar nicht genannt!
Was den Vorteil angeht, ist es vielleicht der selbe Vorteil wie bei EU-Bürgern und Schweizern, nämlich eine verbesserte europäische Integration, die rechtliche Einbindung in das deutsche Rechtssystem, welches dem Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit überwiegt.
Ach ja, Drohungen finde ich auch nicht gut und gehören nicht hier hin…
Ich habe meine Deutsche Staatbürgerschaft für 465,28 Euro gekauft.
Mußte meinen Wissensstand anhand von Artikeln in der Bildzeitung wiedergeben,es hat gereicht ,es einfach vorzulesen.Schon war ich ein Kunde der die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte,ohne ein funken von Loyalität…
Ich würde Ebay empfehlen,bei den Versteigerung ,dort hätte die Bundesregierung die Möglichkeit ,in 1 Euro schritten Spannung aufzubauen.
Trotz allen bin ich immer noch ein Individueller Mensch und keine Intregierte Massenkonfektion,ergo ich bin eine freie Erscheinung ,kein Buckel Michel….
Hallo Non-EU-Alien,
Eu-Länder => haben sich halt nun mal darauf geeinigt, mein Gott. Wir haben uns auch drauf geeinigt, irgendwelche dubiosen Abgaben nach Brüssel zu zahlen. Ok, die zahlen Sie als hier abeitender Ausländer auch, das ist schon irgendwie bitter.
Schweiz => gut, die Schweiz ist reich, wie viele Schweizer Gastarbeiter gibt es hier denn? Ein Vergleich Schweizer = Türken würde wohl offenbaren, warum es geht.
Es geht also um’s Ego, oder? In erster Linie zumindest. Also um den Nationalstolz. Und natürlich, dass Sie hier wie dort alle Rechte haben. Wie würde es denn mit den Pflichten aussehen? Wie gesagt, von mir aus könnte jeder jeden Pass haben. Von mir aus könnte man das alles auch abschaffen und einen Weltpass einführen sowie eine Weltregierung. Diese Nationalstaatlichkeit hat doch sowieso noch nie zu was geführt. Alle an einem Strang, das wäre das Ideal. Leider gibt es zuviele Interessenskonflikte: Ideologie, Religion, Kultur. Staatsideologie und Religion gehören meines Erachtens abgeschafft.
Schade, dass sich Fikret nicht entschuldigt! Ich entschuldige mich aber trotzdem bei allen hier anwesenden Türken, wenn Sie sich auf den Schlips getreten gefühlt haben oder sogar beleidigt sind. Entschuldigung, war nicht bös gemeint!
@gedanke
Dann bestätigen Sie hiermit ja, dass der Sprachtest kinderleicht ist. Da muss sich dann niemand mehr beschweren!
„ohne ein funken von Loyalität…“
Das ist natürlich bitter. Was empfinden Sie dabei? Nur deutscher Staatsbürger des Geldes, des Wohlstandes wegen? Im Herzen 100% Türke? Aber da die Türkei Ihnen nichts oder nicht genug zu bieten hat, die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates? Schämen Sie sich im Kreise „richtiger“ Türken, zu sagen, dass Sie deutscher Staatsbürger sind? Rechtfertigen Sie dies im selben Atemzug bzw. sagen Sie gleich dazu, dass Sie nicht „einen Funken Loyalität“ für das Land haben, dessen Pass Sie besitzen? So ganz verstehe ich Ihre Haltung noch nicht.
„Trotz allen bin ich immer noch ein Individueller Mensch und keine Intregierte Massenkonfektion,ergo ich bin eine freie Erscheinung ,kein Buckel Michel….“
Das ist gut. Übrigens sind nich alle Deutschen „Buckelmichel“, dass ist beleidigend.