Interview mit Thomas Röwekamp
Wer das „C“ im Parteinamen trägt, tut sich mit der Öffnung etwas schwer
Was muss man tun, damit Integration gelingt, wo liegen die Hürden und was sollten Migranten nicht tun? Thomas Röwekamp, Landesvorsitzender der CDU Bremen, in der MiGAZIN Interview-Reihe: „Warum engagieren Sie sich für Integration in Deutschland?“
Von Andreas Wojcik Mittwoch, 07.12.2011, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 13.12.2011, 8:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Andreas Wojcik: Warum engagieren Sie sich für die Integration in Deutschland?
Thomas Röwekamp: Deutschland ist mittlerweile ein Einwanderungsland, in dem viele Kinder mit Migrationshintergrund in der dritten oder vierten Generation leben. Als Volkspartei ist es unsere Aufgabe, uns allen Bevölkerungsteilen zuzuwenden. Leider hat die Integration bisher nicht in allen Bereichen erfolgreich funktioniert. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich die CDU dieses Themas stärker als bisher annimmt.
Wojcik: Was sollen andere (Menschen, Organisationen etc.) tun, damit Integration gelingt?
Röwekamp: Eine Grundvoraussetzung für gelungene Integration ist gegenseitige Toleranz und das Gefühl, wahrgenommen zu werden. Einerseits erwarten wir die Bereitschaft von Migranten, unsere Sprache zu erlernen und unsere Rechts- und Werteordnung anzuerkennen. Andererseits müssen auch wir ein Willkommenszeichen setzen. Einbinden statt ausgrenzen, Offenheit statt Verschlossenheit, aktives Werben zum Mitmachen in Sportvereinen, Politik und anderen Organisationen – das sind die richtigen Voraussetzungen für gelungene Integration.
Wojcik: Haben Sie Beispiele, was man innerhalb der Partei tun könnte, um Integration und politische Partizipation von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte voranzutreiben?
Röwekamp: Die Bremer CDU bemüht sich sehr intensiv um Nachwuchs mit Migrationshintergrund. Erstmals in der Geschichte der Partei haben wir einen Kandidaten für die Bremische Bürgerschaft aufgestellt, der mit weit mehr als 1.000 Personenstimmen einen Achtungserfolg erzielt hat. Wir wollen keine Alibi-Veranstaltungen, sondern den intensiven Austausch mit den ausländischen Gemeinden. Und als erste Partei haben wir einen „Beauftragten für soziale Integration und Chancengerechtigkeit“ benannt, der Netzwerke knüpft und als wichtiger Ansprechpartner zur Verfügung steht.
Wojcik: Wo liegen Ihrer Meinung nach noch konkret die Hürden in der Partei?
Röwekamp: Wer das „C“ im Parteinamen trägt, tut sich mit der Öffnung anderen Glaubensrichtungen gegenüber erfahrungsgemäß etwas schwer. Wir erleben Akzeptanz einerseits und eine natürliche Distanz andererseits. Ich bin fest davon überzeugt: Auch heutzutage kann man ohne religiöse Vorbehalte aufeinander zugehen. Wer sich seiner eigenen religiösen Wurzeln bewusst ist und in seinem Glauben fest steht, der hat auch keine Probleme, in einen interreligiösen Dialog zu treten. Der CDU ist Religion nicht egal. Diese Grundhaltung müssen wir als Chance nutzen.
Wojcik: Welche Aufgaben sollten Europa, Bund, Länder und Kommunen übernehmen?
Röwekamp: Genau so, wie Sie die Frage gestellt haben: dem Prinzip der Subsidiarität folgend. Die Kommunen als Orte des unmittelbaren Zusammenlebens sind in den Bereichen Kindergärten, Schule und Soziales gefordert. Die Länder setzen in diesen Bereichen den Rahmen und brauchen eine solide finanzielle Grundlage dafür. Der Bund kann starke Signale setzen, wie er es zum Beispiel mit der Deutschen Islamkonferenz getan hat. Und Europa sollte unsere gemeinsame Zukunftsvision bleiben.
Wojcik: Was sollten sie nicht tun?
Röwekamp: In Wahrnehmung der gemeinsamen Aufgabe „Integration“ sich über Zuständigkeiten und Geld streiten.
Wojcik: Können Sie sich vorstellen, wie Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte in 10 Jahren zusammenleben?
Röwekamp: Es gibt Prognosen, wonach ab dem Jahr 2020 in Bremen jedes zweite Kind einen Migrationshintergrund hat. Wenn wir nicht in die gescheiterte Multi-Kulti-Romantik von Rot-Grün verfallen, sondern zielorientierte und realistische Integrationspolitik betreiben, in der Parallelgesellschaften keinen Platz haben, wird es irgendwann völlig egal sein, ob jemand ausländische Wurzeln hat oder nicht. Entscheidend ist die Akzeptanz unserer Werte- und Rechtsordnung.
Wojcik: Welche Erlebnisse und Erfahrungen haben Sie mit dem Thema „Integration“?
Röwekamp: Meine Erfahrungen sind überwiegend positiv. Es lohnt sich, für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft neue, zukunftsorientierte Wege zu gehen. Integration wird bisher zu oft als Teil der Innenpolitik verstanden und vom Thema „Abschiebung“ überlagert. Das hilft uns aber nicht weiter. Wir müssen Integration als ein Thema verstehen, zu dem alle Politikbereiche einen Beitrag leisten können und müssen. Und Integration wird zu oft verengt auf die Muslime und den Umgang mit dem Islam. Das sind zweifelsohne eine wichtige Fragen und es geht um eine der großen Gruppen. Aber es gibt auch andere in unserer Gesellschaft, die wir integrieren müssen — auch ohne Migrationshintergrund! Die CDU Deutschlands hat im Grundsatzprogramm das Ziel einer „Chancengesellschaft“ formuliert. Ich denke, dass wir genau dieses Ziel in Angriff nehmen müssen. Aktuell Interview
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