Kita-Studie
Weihnachten, Ramadan, Chanukka?
In immer mehr Kitas sind nichtchristliche Kinder in der Überzahl. Ramadan oder Chanukka sind in diesen Einrichtungen dennoch Fremdwörter. Eine Studie belegt erstmalig, wie groß die Defizite in Deutschlands Kitas sind, wenn es um interreligiöse Bildung geht.
Mittwoch, 14.12.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In den Kindergärten in Deutschland findet interreligiöse Bildung nicht in der erwünschten Verbreitung statt. In Sachen interkulturelle Bildung sieht es nur ein wenig besser aus. Das geht aus einer aktuellen Studie der Stiftung Ravensburg hervor. Erstmals wurden in Deutschland Daten zur interreligiösen und interkulturellen Situation in deutschen Kitas erfasst und ausgewertet. Ein Wissenschaftlerteam an der Universität Tübingen befragte über 2.800 Erzieherinnen an 487 Kitas, interviewte Eltern und Kinder. Fazit: Es gibt viele Defizite in Deutschlands Kitas.
Rund 84 Prozent der Erzieherinnen geben an, in ihrer Gruppe Kinder mit Migrationshintergrund zu betreuen; mit Blick auf verschiedene Religionszugehörigkeiten sind es 77 Prozent. Und 58 Prozent der Erzieherinnen berichteten, dass Kita-Kinder aus beispielsweise jüdischen oder muslimischen Familien aus religiösen Gründen bestimmte Lebensmittel nicht essen dürfen.
Kirche, Moschee, Synagoge
Mittlerweile stammt jedes achte Kind in einer deutschen Kindertagesstätte aus einer muslimischen Familie. „Neben den üblichen Ausflügen zur Feuerwehr, in eine Backstube und auch in eine Kirche sollte deshalb ein Moschee- und Synagogenbesuch ebenso selbstverständlich sein“, fordert der katholische Religionspädagoge Professor Dr. Albert Biesinger. Aber nur sieben Prozent der untersuchten Einrichtungen hätten einen Moscheebesuch auch tatsächlich im Programm.
„Die Bevölkerungsstrukturen in Deutschland haben sich stark gewandelt“, ergänzt Stiftungsvorsitzende Dorothee Hess-Maier. Integration und Toleranz gehörten zu den wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit, um das friedliche Zusammenleben zu sichern. Sie fordert: „Möglichst früh, schon im Vorschulalter, sollten Kinder deshalb andere Kulturen und Religionen wahrnehmen, fremde Gewohnheiten und Rituale kennenlernen.“
Das Praxis-Buch zum Thema erscheint im Februar 2012 unter dem Titel „Religiöse Vielfalt in der Kita“ (Cornelsen-Verlag). Darin werden 17 deutsche Kitas vorgestellt, in denen vorbildliche interreligiöse und interkulturelle pädagogische Arbeit geleistet wird. Diese Kitas befinden sich in den Städten Aachen, Augsburg (2), Bad Segeberg, Berlin, Bremen, Brühl, Dresden, Frankfurt am Main, Hamburg, Karlsruhe, Lübeck, Marl, Mainz, München, Offenbach und Reutlingen.
Ramadan und Chanukka ebenso wie Advent und Weihnachten
„Wir dürfen nicht aus Angst vor Konflikten die Religionen aus den Kitas verbannen, sondern Religion als positive Ressource, nicht als Problemfaktor betrachten“, mahnt auch der evangelische Religionspädagoge Professor Dr. Friedrich Schweitzer. Weder Erzieherinnen noch Eltern seien auf die Herausforderungen interreligiöser Bildung in Kitas vorbereitet, obwohl bereits drei- und vierjährige Kinder religiöse Fragen stellen. Dr. Anke Edelbrock erweitert den bildungspolitischen Blickwinkel noch: „Es macht keinen Sinn, möglichst vielen Grundschulkindern, seien sie christlich, muslimisch oder jüdisch, eine religiöse Begleitung zu garantieren, sie den Kindern im Kita aber zu verweigern.“
Das Thema werde von der Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit aber kaum beachtet. Auch die neuen Orientierungs- und Bildungspläne der Bundesländer hätten am erheblichen Nachholbedarf wenig geändert, kritisiert das Tübinger Forscherteam. Sie fordert, Thematisierung von religiösen Festen im Kita-Alltag: Ramadan, Opferfest und Chanukka ebenso wie Advent und Weihnachten. Auch müsste Religion erfahrbar gemacht werden mit Geschichten aus Bibel und Koran, gemeinsame Figuren wie Abraham, Mose und Jesus müsste sichtbar gemacht werden. (sb)
Gesellschaft Leitartikel Studien
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Zu dem wichtigen Thema empfehle ich:
Probiesch, K.(2006): Religiöse Feste, Feiertage und Gedenktage. Interkultureller Festkalender. Seminar für Religionsgeschichte, Am Plan 3, 35037 Marburg; http://www.feste-der-religionen.de
Mit freundlichen Grüßen
Rita Zellerhoff
Wieso MUSS eine Kita überhaupt etwas mit Religion zu tun haben ? Meiner Meinung nach sollten Kinder selbst entscheiden – wenn sie alt genug sind – ob sie an etwas glauben wollen und wenn ja an was . Ich finde es völlig falsch Kinder von vorn herein in irgendeione Religion hineinzupressen, wo wir doch alle wissen WAS „Glauben“ bedeutet: NICHT WISSEN ! Wir leben in einer modernen Welt, in der dieser monotheistische Aberglaube überflüssig geworden ist.
Ich bin selbst zwar konfirmiert worden, aber im Prinzip ohne Glauben aufgewachsen, da ich nur unter Zwang zum Konfirmationsunterricht gegangen bin, nur selten oder gar nicht den Religionsunterricht in der Schule besucht habe, – die Note 6 hab ich weggesteckt,und einen Tag nach meiner Volljährigkeit war ich auf dem Amtsgericht um aus der Kirche auszutreten . Heute bin ich 51 Jahre alt und glücklich damit ! Meine Tochter ist von vorn herein ohne diese Zwänge aufgewachsen, sie ist konfessionslos.
Dass so viele Deutsche aus der Kirche /kaht./ev.) in den 60iger Jahren ausgetreten sind und sich heute als Atheisten bezeichnen hat auch mit den Relegions-Lehrstunden in der Schule zu tun. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich als 17jährige einen 70jährigen Priester als Religions-Lehrer in der Berufsschule hatte. Dieser stellte sich eines Tages vor die Klasse von Heranwachsenden um das Thema der aktuellen Religions-Stunde zu verkünden: „Liebe, Ehe und Familie“ stand auf dem Stundenplan. Der Priester hatte kaum das Thema genannt, da fingen die meisten – auch ich – an zu lachen; ich besass sogar die „Frechheit“ ihn zu fragen „ob er davon auch Ahnung hätte“. Die Quitttung bekam ich ein halbes Jahr später, statt bisher der Note 1 in Religion bekam ich eine 3. Die Note 6 konnte er mir „leider“ nicht geben ;-).
Als ich dann 21 geworden bin, bin ich aus der kath. Kirche ausgetreten…..
Ich finde, jeder Mensch sollte sich freiwillig für eine Konfession entscheiden dürfen – Kinder ´ m ü s s e n davon ausgenommen sein.
Pragmatikerin
Wurde in dieser Studie auch gesagt, wie viele der untersuchten Kitas von einer religiösen Gemeinschaft (sprich: Kirche) getragen wurden? Man kann von einer Einrichtung der Diakonie oder der Caritas nicht erwarten, das auch andere als die eigenen Feste gefeiert werden.
Wes Brot ich es, des Lied ich sing.
Ich finde den Ansatz sehr gut, die Vielfältigkeit in der Kita mit konkreten Begegnungen (Kirchenbesuch, Moscheebesuch etc.) zu gestalten.
Keiner wird zu etwas gezwungen. Aber es kann zu einem Sehen, Begegnen und zu einem „voneinander“ Wissen beitragen.
Natürlich muss das ganze mit einem gut durchdachten Konzept durchgeführt werden.
Das Besuchen von allen religiösen Orten wertet das Eigene auf und gibt Einblicke in andere nicht bekannte religöse Ort.
Insbesondere in Kitas wo Religion und Kirche eine wichtige Rolle spielt, können Besuche von allen religiösen Orten ein wichtiger Beitrag zum „interkulturellen Lernen“ sein.
Berührungsängste können abgebaut werden. Besonders Kinder, die einer Minderheit angehören, erfahren dadurch eine Wertschätzung und damit auch eine Anerkennung.