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Ausbildung-Studie

Keine Chancengleichheit für Türken und Araber

Die Suche nach einer Ausbildungsstelle ist für junge Migranten schwierig. Türken und Araber sind besonders betroffen. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung.

Montag, 09.01.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Dass die Suche nach einer Ausbildungsstelle für Jugendliche aus Familien mit einer Migrationsgeschichte viel schwieriger ist als für Jugendliche ohne Migrationshintergrund, ist bekannt; dass es aber auch innerhalb der Gruppe der jungen Migranten noch einmal große Unterschiede je nach ihrer Herkunftsregion gibt, zeigt eine aktuelle Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). So ist es insbesondere für Jugendliche, deren Familien aus der Türkei oder arabischen Staaten stammen, deutlich schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden, als für Jugendliche anderer Herkunftsregionen – auch wenn sie über die gleichen Schulabschlüsse verfügen.

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Diese Ergebnisse decken sich mit den Auswertungen der Studie „Muslimisches Leben in NRW“ des nordrhein-westfälischen Arbeits- und Integrationsministeriums. Danach sind Muslime, von denen die meisten aus der Türkei oder aus dem arabischen Raum stammen, umso häufiger auf staatliche Transferleistungen angewiesen, je höher ihr Bildungsabschluss ist. So beziehen 17,8 % aller Muslime ohne Schulabschluss Transferleistungen. Muslime mit Hauptschulabschluss weisen eine Quote von 13,9 % auf und Muslime mit mittlerer Reife nur noch 9,3 %. Bei Abiturienten hingegen liegt diese Quote bei über 20 %.

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Die Untersuchung des BIBB beruht auf der Befragung ausbildungsreifer Jugendlicher, die bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Bewerber um einen Ausbildungsplatz gemeldet waren. Sie zeigt, dass sich bei Bewerbern mit türkisch-arabischem Hintergrund kein Vorteil eines mittleren Schulabschlusses erkennen lässt. Die Übergangsquoten in eine betriebliche Ausbildung sind mit 20 % ebenso niedrig wie bei maximal einem Hauptschulabschluss. Selbst wenn diese Jugendlichen eine (Fach-)Hochschulreife vorweisen können, bleiben ihre Aussichten gering (26 %).

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Migranten seltener in Vorstellungsgesprächen
Bei Bewerbern südeuropäischer Herkunft ist dies anders: Während auch ihnen mit einem Hauptschulabschluss nur vergleichsweise selten der Übergang gelingt (22 %), steigt ihre Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem mittleren Schulabschluss bereits beträchtlich an (40 %). Besitzen sie die (Fach-)Hochschulreife, so ist die Einmündungsquote mit 59 % sogar die höchste von allen Vergleichsgruppen – einschließlich der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

Die gemeldeten Bewerber mit südeuropäischer Herkunft besitzen mit 48 % am häufigsten maximal einen Hauptschulabschluss. Bei türkisch-arabischer Herkunft sind es 45 %, bei osteuropäischer 43 %. Ohne Migrationshintergrund beträgt der Anteil lediglich 33 %. Bewerber mit türkisch-arabischem Hintergrund weisen relativ häufig einen mittleren Schulabschluss (45 %) auf, aber nur selten die (Fach-)Hochschulreife (7 %). Bei südeuropäischer Herkunft erreichen die entsprechenden Anteile 38 % und 10 %, bei osteuropäischer Herkunft 42 % und 13 % (ohne Migrationshintergrund 51 % und 14 %).

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Junge Migranten werden bei der Ausbildungsplatzsuche zudem seltener zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Während sich mehr als drei Fünftel der Bewerber ohne Migrationshintergrund persönlich in Betrieben vorstellen können, trifft dies nur auf die Hälfte der jungen Migranten zu. Noch niedriger liegt der Anteil bei Jugendlichen mit türkisch-arabischem Hintergrund (46 %).

Faire Chance auf Ausbildung
Angesichts solcher Zahlen sieht BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser weiteren Forschungsbedarf: „Das BIBB wird daher die Auswahlprozesse der Betriebe bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen noch differenzierter untersuchen.“ Esser plädiert dafür, insbesondere Jugendlichen mit Migrationshintergrund über eine verstärkte Berufsorientierung und Praktika einen Einblick in die Betriebe und damit den Betrieben beste Voraussetzungen für die Rekrutierung ihres Nachwuchses zu ermöglichen. So hätten beide Seiten – Betrieb und Jugendliche – die Möglichkeit, sich kennen und schätzen zu lernen. „Denn letztendlich müssen wir allen eine faire Chance auf Ausbildung geben. Nur so kann eine wirkliche Integration unserer Mitbürger gelingen.“

Bis Ende 2010 sind zudem nur 28 % der Bewerber aus Familien mit einer Zuwanderungsgeschichte erfolgreich in eine betriebliche Berufsausbildung eingemündet, gegenüber 42 % bei denjenigen ohne Migrationshintergrund. Während bei einer ost- oder südeuropäischen Herkunft die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung mit 34 % beziehungsweise 33 % etwas häufiger gelingt, sind es bei einem türkisch-arabischen Hintergrund lediglich 20 %.

Hintergrund und Download: Von den rund 552.000 im Berichtsjahr 2009/2010 bei der BA gemeldeten Bewerber haben 26 % einen Migrations- hintergrund. Von ihnen kommt über ein Drittel (36 %) aus osteuropäischen und den GUS-Staaten. Fast ebenso groß (35 %) ist der Anteil mit türkischem oder arabischem Hintergrund, wobei die Mehrheit aus der Türkei stammt. Etwa halb so groß (18 %) ist die Gruppe der Bewerber südeuropäischer Herkunft. Die übrigen Bewerber (12 %) sind aus anderen Staaten und Regionen nach Deutschland zugereist. Die aktuelle Ausgabe des BIBB REPORT, Heft 16/11, steht unter bibb.de zum Download zur Verfügung.

Die Bewerber, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben, sind am Jahresende 2010 in unterschiedliche Alternativen eingemündet. Ein kleiner Teil befindet sich in außerbetrieblicher beziehungsweise schulischer Berufsausbildung oder einem Studium (mit Migrationshintergrund: 13 %, ohne: 15 %). Die übrigen Bewerber gehen zum Beispiel weiter zur Schule, besuchen einen teilqualifizierenden Berufsbildungsgang, jobben oder sind arbeitslos. Dies kommt bei jungen Migranten häufiger vor als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (55 % zu 40 %).

Fatales Signal
Insgesamt sind die Bewerber mit Migrationshintergrund mit ihrer aktuellen Situation daher auch unzufriedener als diejenigen ohne Migrationshintergrund. Seltener ist ihr Verbleib „wunschgemäß“ oder entspricht einer „in Betracht gezogenen Möglichkeit“ (48 % zu 60 %). Öfter stufen sie hingegen ihre Situation als „Notlösung“ oder „Sackgasse“ ein (21 % zu 16 %). Bei den Jugendlichen mit türkisch-arabischer Herkunft trifft dies sogar auf ein Viertel zu.

Für Michael Kretschmer (CDU) und Albert Rupprecht (CSU) sind diese Zahlen ein Alarmzeichen. Wer ganze Bevölkerungsgruppen ausspare, dürfe nicht über Mangel an geeigneten Bewerbern klagen. Fast 30.000 Ausbildungsplätze blieben zuletzt frei. Das seien 30.000 Fachkräfte, die uns schon in Kürze fehlen werden. „Gleichzeitig haben es junge Türken und Araber besonders schwer, in Ausbildung zu kommen. Selbst mit Realschulabschluss oder Abitur ist die Einmündungsquote in eine betriebliche Ausbildung für sie nur halb so hoch wie für Süd- oder Osteuropäer. Das ist ein fatales Signal. Wenn selbst türkische Jugendliche mit mittleren Abschlüssen und ordentlichen Noten keine Chance bekommen, können wir nicht erwarten, dass sich ihre jüngeren Geschwister in der Schule noch anstrengen“, so die beiden Unionspolitiker. (bibb/eb) Leitartikel Studien Wirtschaft

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  1. Karl sagt:

    Man sammelt eben Erfahrungen mit Türken und Arabern und das im beruflichen, schulischen und privaten Umfeld. Sicher enspricht nicht jeder Türke oder Araber diesen negativen Erfahrungen, aber doch sehr viele und Firmen haben eben gewisse Ansprüche und Anforderungen an Bewerber.
    Übrigens fehlende Selbstkritik und die Fehler immer bei anderen suchen ist auch so eine Erfahrung, wird auf dieser Internetseite praktisch immer bestätigt.

  2. unfug... sagt:

    … was hier mal wieder geschrieben wird !
    meine frau und ich betreiben ein tonstudio und dürfen teilhaben an den ergüssen diverser bewerbungen inklusive bei persönlichen auftritten äusserstem fäkaliendeutsch.
    bewerbungen als tontechniker mit mangelhaftem deutsch, physik und mathe eine 5, was soll das ?!
    sekretärin die nur bruchstückhaft in der lage ist deutsch zu verstehen …ohne worte ….
    logisch das wir bewerber ohne anstand ablehnend gegenüber stehen, und diese bewerber sind allesamt keine deutschen
    ebenso wird rap a la bushido, sido und ähnliche verhetzende „geräuschquellen“ bei uns kein fuss in die tür setzen dürfen ! punktum
    das problem ist, es sind meist migranten aus den südosten europas, da beisst keine maus irgendwelchen faden ab

  3. BiKer sagt:

    @ unfug

    bei allem respekt aber ich haette als auszubildender auch keinen als ausbilder, der nicht imstande ist das gelesene zu begreifen. oben im artikel steht, dass tuerken und araber auch bei g l e i c h e n leistungen benachteiligt werden und nicht weil sie minderqualifiziert sind. oben ist auch eine weitere studie zum thema aufgefuehrt. lesen und bitte auch verstehen. lg

  4. unfug... sagt:

    lieber biker
    lesen und verstehen, ich hatte auch geschrieben das sich gewisse praktikanten einer etwas unflätigen aussprache bedienen und bisweilen auch sehr aggressiv bei einer ablehnung
    bei einer gleichen leistung ist das kein problem, und davon war in meinen worten auch nie die rede, es ging nur darum das viele bewerber trotz ihrer dürftigen noten selbiges in anspruch nehmen wollen wie andere, wesentlich bessere bewerber und bei einer abweisung ziemlich ausfallend werden, frage an sie nun, sollte ich weiterhin das risiko eingehen, beschimpft und bedroht zu werden oder sollte ich lieber auf einen nicht türkischen und/oder arabisch stämmigen bewerber zurück greifen um dem zu entgehen ??

  5. BiKer sagt:

    @ unfug

    eine falsche selbstwahrnehmung seitens der bewerber ist auch ein zeichen der mangelnden bildung. ob jemand offensichtlich ungeeignet ist, erkennt man in den meisten faellen doch aber schon vorher anhand der bewerbung. meine einfache empfehlung an jeden: fuehren sie gespraeche nur mit guten bewerbern – unabhaengig vom namen. die suche nach guten kandidaten ist in allen branchen schwer. liegt aber am ueberfordertem bildungssystem, der der zeit hinterherlaeuft. wenn ein jugendlicher aus der schule kommt und weder rechnen noch schreiben kann, hat das mit sicherheit auch mit den persoenlichen umstaenden des einzelnen zu tun. wenn sich diese faelle aber derart haeufen, dass es keine einzelfaelle mehr sind, ist das ein zeichen fuer ein institutuionelles problem und hat nichts damit zu tun, dass er yusuf oder yosef heisst. denn das problem kann bei beiden auftreten.

  6. Lutheros sagt:

    Wer stellt einen Mitarbeiter bzw. einen Azubi ALLEIN nach der Schulnote ein? Ist es fahrlässig, allein an einem einzelnen Merkmal die gleiche Eignung von Personen festmachen zu wollen. Als Personalverantwortlicher interessiert mich die Gesamtschulnote nur nebensächlich. Interessant sind von den Leistungen einzelne Fächer. Sind diese denn verglichen worden?
    Neben der Leistung interessiert micih:
    – Auftreten
    – Sprachkompetenz
    – Lernfähigkeit und Offenheit
    – Kompetenzen außerhalb Schulfächer
    – Stressfähigkeit

    Ein Bewerber der sich vorstellt mit den Worten „Isch bin Metin und isch bin Türke“ ist im Ranking sofort im unteren Bereich, egal welche Gesamtzeugnisnote: So jemand kennt sich weder in Umgangformen aus, noch ist er integrationsfähig.
    Die Betonung der türkischen Abstammung gleich zu Beginn eines Gesprächs bewerte ich als dominantestes Selbstbewertungsmerkmal, das bedeutet aber, dass derjenige sich erstens abgrenzt und zweitens relevante Dinge (Fähigkeiten, Interessen etc) nicht erkennt.
    Mir ist noch nie aufgefallen, ein Kroate oder Pole diese Herkunft überhaupt erwähnt. Ein Türke tut dies schon. Deshalb: Die Kompetenzen sind bei gleicher Schulnote nicht immer gleich.

  7. Lutheros sagt:

    Ich hab gerade mal einen flüchtigen Blick über den Bericht geworfen, und dabei etwas auf: Türkisch/arabische Bewerber haben seltener als andere schriftliche Bewerbungen geschrieben, seltener für verschiedene Berufe beworben, sich seltener auch an Orten weiter weg als 100 km beworben, und: ein besonders auffälig hoher Anteil hat sehr schlechte Deutschnoten.
    Hingegen haben jene tendenziell öfter eigene Stelleninserate aufgegeben.

    Da sieht im ersten Moment nach „bring mir“ Mentalität aus, mir scheint es, dass ein größerer Anteil als in anderen Bevölkerungsgruppen das Prinzip der Eigenverantwortung und -initiative nicht lebt. Und das heisst auch: nicht die gleiche Kompetenz!

  8. Fikret sagt:

    Ja,die Migrannten/-innen werden meist benachteiligt. Das ist kein Geheimnis.

  9. Pingback: Die Mitte muss sich öffnen | union 21