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Fachtagung

Türken werden in Deutschland gegenüber anderen Ausländern diskriminiert

Wenn es um Visum oder Ehegattennachzug geht, werden Türken in Deutschland gegenüber anderen Ausländern benachteiligt. Dies wurde bei einer Fachtagung des Max-Planck-Instituts und der Deutsch-Türkischen Juristenvereinigung deutlich.

Montag, 09.01.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 11.01.2012, 8:32 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Vor 50 Jahren schlossen die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei ein Abkommen über die Anwerbung von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern. Über eine halbe Million Menschen folgten dem Ruf in den Westen und verließen ihre Heimat, um in Deutschland Arbeit zu finden. Doch so richtig angekommen scheinen sie bis heute nicht zu sein – zumindest nicht aus rechtlicher Sicht. Dies wurde deutlich bei der Tagung zum Thema „Die ausländerrechtlichen Fragen der Türken in Deutschland und die neuen türkischen Gesetzbücher“, zu der kürzlich das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg und die Deutsch-Türkische Juristenvereinigung anlässlich des 50. Jahrestags des Abkommens Referenten aus Forschung und Politik geladen hatte.

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„Noch immer existieren rechtliche Diskriminierungen“, fasst die Rechtswissenschaftlerin und die Türkei Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Duygu Damar den Stand der Dinge zusammen. Handlungsbedarf sieht in diesem Zusammenhang auch der Gastreferent Holger Hoffmann, Professor für Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre und Dekan des Fachbereichs Sozialwesen an der Fachhochschule Bielefeld. In seinem Vortrag über die integrationsrechtlichen Probleme der türkischen Bevölkerung in Deutschland nennt er Benachteiligungen insbesondere beim erstmaligen Zugang nach Deutschland in Hinblick auf den Ehegattennachzug und bei der Erteilung von Visa als Beispiele für die Diskriminierung türkischer Staatsbürger. So müssen seit 1980 türkische Staatsangehörige vor der Reise in die Bundesrepublik im Vorfeld ein Visum beantragen – selbst, wenn sie nur als Familienmitglieder Verwandtschaftsbesuche abstatten.

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EuGH: Türken benötigen kein Visum
Dabei hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2009 entschieden, dass auch für sie die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit gilt und sie daher kein Visum benötigen, so Hoffmann. „Das Urteil besagt, dass infolge eines Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei keine strengeren Visumsregelungen gelten dürfen als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls, also am 1. Januar 1973.“ Die allgemeine Visumspflicht für türkische Staatsangehörige sei in Deutschland jedoch erst 1980 eingeführt worden. Obwohl der Gerichtshof klarstelle, dass diese Verschärfung der Visumsbestim­mungen mit dem Zusatzprotokoll des Assoziierungsabkommens von 1973 unvereinbar war und die alten Regelungen weiter gelten, halte die Bundesregierung daran fest. „Sie vertritt bisher die Auffassung, die EuGH-Entscheidung sei ein Einzelfall und gelte ausschließlich beschränkt für Lastkraftfahrer, also nur für Personen, die Dienste erbringen. Touristen hingegen würden welche in Anspruch nehmen und benötigten deswegen auch weiterhin ein Visum.“

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Bei dieser Praxis liege das Problem weniger bei einer rechtlichen Diskriminierung – die beantragten Visa seien letztlich zumeist erteilt worden. „Es geht mehr darum, dass die Möglichkeiten zur Beantragung in den deutschen Konsulaten und der Botschaft in der Türkei als unwürdig empfunden wurden“, so Hoffmann. Auch die lange Vorlaufzeit nach Antragstellung und der Umstand, für Besuchsvisa mehrere Hundert Euro in Deutschland als Sicherheit für die Rückkehr hinterlegen zu müssen, verspürten viele als erhebliche Belastung. „Denn viele Familien mit Migrationshintergrund verfügen nicht über diese Mittel.“

Ehegattennachzug für Türken viel schwieriger
Für nicht minder problematisch hält der Rechtsexperte die Regelungen zum Ehegattennachzug. Zwar ist diese Form der Familienzusammenführung rechtlich in Artikel 6 des Grundgesetzes verbrieft, allerdings ist es für türkische Staatsangehörige viel schwieriger, ihre Ehepartner nach Deutschland zu holen als für Angehörige anderer Nationalitäten, die als so genannte Positivstaater ohne Visum in Deutschland einreisen dürfen.

Dabei handelt es sich um EU-Bürger und solche aus den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes, wozu neben der Schweiz, Israel, Japan, Kanada, Süd-Korea, Neuseeland, die USA auch Andorra, Honduras, Monaco und San Marino gehören. „Der nachziehende Ehegatte muss dabei nicht dieselbe Staatsangehörigkeit wie der Stammberechtigte besitzen“, so Hoffman. Dies bedeute, die türkische Ehefrau eines schweizerischen, kanadischen oder US-amerikanischen Staatsangehörigen darf nach Deutschland einreisen, ohne Deutschkenntnis nachweisen zu müssen. Dagegen die türkische Gattin eines türkischen oder deutschen Staatsangehörigen nicht. Begründet werde dies mit der „traditionell engen wirtschaftlichen Verflechtung“ der „Positiv“-Staaten mit Deutschland. Diese Begründung streift nach seiner Auffassung die „Grenze der Lächerlichkeit“ angesichts des tatsächlichen Handels zwischen der Türkei und Deutschland. „Offenbar ging der Gesetzgeber bei Erlass dieser Regelung davon aus, dass in Beziehung zur Türkei eine nicht in derselben Weise ‚traditionell enge wirtschaftliche Verflechtung mit Deutschland‘ besteht, wie zum Beispiel mit Andorra oder Honduras.“

MiG-Dossier: Weitere Einzelheiten und Hintergründe zur Thematik gibt es im MiG-Dossier „Visumsfreiheit für Türken„.

Bundesregierung hält an Regelung fest
Durch diese Regelungen würden türkische und deutsche Staatsangehörige in gleicher Weise gegenüber Unionsbürgern und anderen „Positivstaatern“ diskriminiert. Kritik blieb bislang unerhört. Als das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung im März 2010 die Regelungen als vereinbar mit dem Grundgesetz, der Familienzusammenführungsrichtlinie und dem Assoziationsrecht bestätigte, habe dies nicht nur zu Verwunderungen und Unmut in der türkischen Gemeinschaft und bei deutschen Ausländerrechtlern geführt, so der Bielefelder Experte.

Auch die EU-Kommission habe sich der Sache zum wiederholten Mal angenommen und in einer schriftlichen Erklärung im Mai dieses Jahres deutlich gemacht, dass Integrationsanforderungen und Sprachtests nicht als Ausschlusskriterien oder Einreisebedingungen fungieren oder dem Ziel einer Familienzusammenführung entgegenstehen dürften. „Leider hat allerdings die Bundesregierung in Beantwortung einer Anfrage der Linken am 20. September 2011 erneut verdeutlicht, dass sie an ihrer bisherigen Rechtsauffassung weiter festhalte“, so Hoffmann. (mpi/bk) Aktuell Gesellschaft Videos

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  1. Saturnous sagt:

    Es gibt eine einfache Messgrösse ob 2 Kulturen sich einander integrieren lassen oder nicht – man betrachtet die bikulturellen Paare und wenn die gesamte Anzahl der gestellten Ehefrauen jeweils beider Kulturen gleich sind – dann sind sie einander integrationsfähig und bereichern sich gegenseitig.

  2. Tom Berg sagt:

    Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.
    .

  3. Heike sagt:

    Wie anmaßend von einem Land, sich immer wieder Völker auszusuchen und diese zu diskrimminieren. widerlich. Was ist Deutschland nun für ein Verein? Der Nachfolgestaat des dritten Reiches oder die lange Hand der Amerikaner? Am Anfang war die Welt und jeder kann gehen wohin er will. Diese Visasache ist diskrimminierend und das soll sie auch, genau wie die Abschiebepraxis. jeder Beamte, der daran Mitwirkt ist für mich schuldig und zum Abschuss freigegeben. Sollen doch die wütenden Jugendlichen, deutsche und andere mal die Mitarbeiter der zuständigen Behörden abpassen und ihnen die Meinung in einer dunklen Ecke sagen. Dann wären die auch nicht so großkotzig. Die Türkei soll mal ein Jahr lang den deutschen Urlaubern so eine Visapraxis zumuten. Und für oben ohne am Strand kräftig abkassieren und dann sagen, das sei ihre Leitkultur. Aber die Türkei hat solche rassistischen Maßnahmen nicht nötig.

  4. andres sagt:

    @ Heike

    Ich will nicht verhehlen, daß es in DE eine gewisse rassistiche Mentalität gibt und dieses Land nicht unbedingt der Erfinder der Gastfreundschaft ist, aber was die Visapraxis anbetrifft, so ist es nunmal so, daß der Kreislauf der ewigen Anheiratung ostanatolischer Frauen mit türkischen Männern in DE, der quasi immerwieder eine erste Einwanderergeneration erzeugt, durchbrochen werden muss.
    ps: die Türkei brauch solch eine Visapraxis nicht, denn sie will die deutschen Urlauber nicht verprellen, die ihr Geld genausogut auch in anderen Ländern lassen können und da sie nicht befürchten muss, daß demnächst arbeitslose ostdeutsche Einwanderer vor ihrer Sozialamtsmatte stehen werden.

  5. Rechenratz sagt:

    „Am Anfang war die Welt und jeder kann gehen wohin er will“

    Ach, dann lassen wir doch mal 50 Millionen Afrikaner nach Deutschland kommen, das wäre doch kein Problem! Wie naiv sind Sie eigentlich?

    „jeder Beamte, der daran Mitwirkt ist für mich schuldig und zum Abschuss freigegeben. Sollen doch die wütenden Jugendlichen, deutsche und andere mal die Mitarbeiter der zuständigen Behörden abpassen und ihnen die Meinung in einer dunklen Ecke sagen“

    Hui, eine Drohung? Ein Aufruf, Staatsbeamte zu Verpügeln, weil Sie die Gesetze vertreten, die Ihresgleichen nicht in den Kram passen?

    „Die Türkei soll mal ein Jahr lang den deutschen Urlaubern so eine Visapraxis zumuten“

    Die deutschen Touristen sind in der Mehrheit Billigsturlauber. Die werden das Beantragen des Visums wohl nicht machen. Riesenverluste für die Türkei. Das ist übrigens auch der Grund, warum die Türken unter Erdogan diese Visapraxis für die verhassten Deutschen noch nicht eingeführt haben.

  6. Bülend sagt:

    @_Pragmatikerin was hast du eigentlich für ein Problem mit Türken und Moslems. In jedem Beitrag […] von dir […] geht es um Moslems oder Türken und wie blöd die sind. Egal was eingentlich das Thema ist, du schreibst deine Sülze immer an die adresse der Türken und Moslems. Zum glück ist noch kein Thema mit Türkischen Moslems die Kopftücher tragen nich gekommen. […]

  7. Pragmatikerin sagt:

    @ Bülent

    zuerst habe ich etwas gegen Schreiberlinge die mich ungefragt Duzen ;-)

    Migazin ist ein Migrantenmagazin, welches überwiegend von Türken/Muslimen – und als Gegenpart – von Deutschen besucht wird. Über was und wen soll ich hier also schreiben? Über Chinesen, Amerikaner usw?

    Orientalen bieten hier das grösste Widerstandspotential, weil sie – man sieht es an Ihrem Getippsel – in Deutschland und Europa zum grössten Teil ihr eigenes Süppchen köchen wollen. Ein „Scherzbeispiel“: Sie können deutsch schreiben aber trotzdem halten Sie sich – bewusst? – nicht an die Sprachregeln in Deutschland: Es gibt hier ein „Du“ und ein „Sie“ – ein kleiner Aufreger für mich, wenn Sie sich nicht daran halten. ok?

    Pragmatikerin

    P.S. Ich habe hier auch schon heftigst gegen Muslimas mit Kopftücher geschimpft ;-)

  8. Pragmatikerin sagt:

    Nachtrag:

    Und ja, ich habe hier auch schon gefragt, warum türkische Männer zum Ausgleich der kopftuchtragenden Muslima keinen türken Fez tragen!

    Pragmatikerin

  9. Kerem sagt:

    In den USA gibt es viele Chinatowns, wo die meisten Chinesen kein Wort Englisch sprechen, unzählige ethnische sowie soziale Gettoisierungen und Gruppierungen, was man hierzulande als Parallel-Gesellschaft bezeichnen würde, doch das löst in den USA keine heftige Integrationsdebatte aus. Warum kann man hier diesem Problem nicht genauso gelassen begegnen? Kommt es vielleicht daher, dass manche (Mainstream-Medien, Politiker, Behörden und andere in der sozialen Hängematte liegende Personen und Institutionen) ein solches Problem unbedingt brauchen? Wozu würde man sie schließlich benötigen, wenn die Gesellschaft ausgeglichen wäre und kaum Konflikte existieren würden…? Also Spaltung der Gesellschaft ist für die o.g. Personen bzw. Institutionen überlebenswichtig, da sonst keine Aufgabe für sie bestünde, die ihren unberechtigten Leistungsbezug legitimieren würde.

    Nun hat man es systematisch soweit gebracht, dass wir (Türken) als Prototyp der schlimmsten Ausländer gelten. Da die meisten Deutschen nicht fähig sind, die Sprachen voneinander zu unterscheiden, ist für sie jede unverständliche Sprache „Türkisch“ und jeder auffällige dunkelhaarige „Türke“, obwohl die Sprache vielleicht Arabisch, Albanisch, Rumänisch, Romani oder irgendeine osteuropäische Sprache ist. Für sie ist es einfacher, die Sprache als Türkisch, den Ausländer als Türken abzustempeln. Wie kleinlich! Es gibt natürlich auch intellektuelle mit Unterteilungsvermögen.

    Trotz des aus dem Osteuropa ausgewanderten Mülls (die Berliner werden mir Recht geben, wenn sie sich Hunderttausende von Einwanderern speziell aus Rumänien und Bulgarien ansehen). Als Einzelhändler weiß ich genau, wovon die meisten leben: soziale Leistungen, Diebstahl, Prostitution, Schwarzarbeit… Sie können sich alles erlauben, weil sie auch mitbekommen haben, dass das ganze Augenmerk der Deutschen nur den Türken gilt.

    @ Delphin
    Hast du denn mal Aktenzeichen XY gesehen? Fast alle Tatverdächtigen sind deine Landsleute, also OSTEUROPÄER! Und du willst besser und integrierter sein als wir??? Schäm dich, falls du so ein Gefühl kennst!

    Doch den (echten) Deutschen (und nicht so was wie Delphin) muss ich in einem Punkt recht geben: Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund sind wirklich zu auffällig, darunter leiden nicht nur Deutsche, sondern wir auch. Ich habe mir natürlich meine Gedanken gemacht, warum sie so sind. Ich glaube, auf den wichtigsten Grund gestoßen zu sein: Rapper wie Bushido, Sido u.ä. vergiften die Jugendlichen mit ihren Texten, die zur Gewalt aufrufen, schlimmste Schimpfwörter und Drogenkonsum verherrlichen (ein Zitat: „Ich scheiß n ganzes Pfund auf dich, Erste Stunde und ich zieh die Kokaline im Unterricht“ von Bushido). Kein Wunder dass die Migrantenkinder so sein wollen wie diese angeblich „coolen Gangster-Rapper“. Wenn es den Behörden wirklich an der Integration dieser Jugendlichen liegen würde, hätten sie schon längst Maßnahmen gegen diese Vergiftung ergriffen. Bushido wurde aber mit dem Bambi für Integration ausgezeichnet!

    Ein anderer Punkt ist, dass man bewusst den Islam mit den Türken in Verbindung bringt, obwohl die meisten Türken nicht religiös, sondern laizistisch sind. Dahinter steckt natürlich eine böse Absicht… Bestimmte Mächte wollen uns zu den Juden des 21. Jahrhunderts machen…

    Dazu muss dieses 4-5-minütige Video von Butterwegge (EIN MUSS!!!):

    http://www.christophbutterwegge.de/videos_hetz-zentrale_das_internet-netzwerk_politically_incorrect_aktuelles78.html

    Wir müssen uns gegen das braune Gesindel wehren und uns besser organisieren, liebe Landsleute; wir sind nicht allein, wir haben uns einander!

    LG