Buchtipp zum Wochenende
Verordnete Wahrheit, bestrafte Gesinnung
Neue Straftatbestände öffnen einer Gesinnungsjustiz Tür und Tor. Die Leugnung von einem als Völkermord deklarierten Ereignis steht zunehmend unter Strafe. Auch das jüngst beschlossene Gesetz, führte zu Spannungen zwischen Frankreich und der Türkei.
Freitag, 27.01.2012, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 31.01.2012, 7:59 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
An zwei Beispielen zeichnet Hofbauer die Debatte um die Definition von Gräueltaten nach: der armenischen Frage und ihrer Instrumentalisierbarkeit sowie dem bosnischen Gründungsmythos, der auf der These eines Völkermordes in Srebrenica beruht. Einblicke in die Auseinandersetzungen um den Holodomor in der Ukraine, die Massaker in Ruanda, Darfur, Palästina und Kambodscha zeigen, welch unterschiedliche Interessen sich hinter dem Vorwurf des Völkermordes verbergen können.
Diskussionen über die schrecklichsten Untaten, die Menschen anderen Menschen angetan haben, werden zukünftig nicht mehr offen geführt werden dürfen. Seit in der Europäischen Union Ende 2010 ein Rahmenbeschluss zur Kriminalisierung von Völkermordleugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen in alle nationalen Gesetzeswerke Eingang gefunden hat, wird (abweichende) Meinung darüber zur Straftat. Ein einmal per Gerichtsbeschluss festgestellter Völkermord darf nicht mehr in Frage gestellt werden. Zweifel an juristisch verordneter historischer Wahrheit wird strafrechtlich verfolgt.
Der Übergang vom Tatstrafrecht zum Gefahren abwehrenden Feindstrafrecht zielt auf das Kernverständnis der bürgerlichen Gesellschaft als einen Ort des freien Meinungsaustausches. Erinnerungsgesetze bedrohen historische Forschung und journalistische Recherche, aber auch politische Auseinandersetzung über Ereignisse, die für Staaten und Völker identitätsbildenden Charakter haben. Die Durchsetzung einer Gesinnungsjustiz tabuisiert eine für alle Beteiligten notwendige Debatte.
„Geschichte ist keine Religion. Geschichte ist kein Objekt der Rechtsprechung.“ Mit diesen Kernsätzen appellierten die bekanntesten französischen Historiker an die politisch Verantwortlichen in Paris, Meinungsparagraphen und vorgeschriebene Wahrheiten aus den Gesetzbüchern zu streichen. In den deutschsprachigen Ländern haben sich bislang kaum Stimmen gegen die Verrechtlichung der politischen Debatte erhoben. Das vorliegende Buch soll diesbezüglich einen Anfang machen.
Das Gefährlichste an der neu aufkommenden Gesinnungsjustiz ist ihre Instrumentalisierbarkeit. Gingen bisher Meinungsunterschiede über bestimmte historische Ereignisse häufig in einem hegemonialen Diskurs unter, der die medialen oder wissenschaftlichen Kräfteverhältnisse reflektierte, so bemächtigt sich nun die Meinungsführerschaft der Gerichte, um ihrer Position als einzig gültiger zum Durchbruch zu verhelfen.
Der Autor
Hannes Hofbauer, Jahrgang 1955, ist Wirtschaftshistoriker und Publizist. Seit mehr als 20 Jahren bereist er insbesondere die Länder des ehemaligen Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe und Jugoslawiens. Zuletzt sind von ihm im Promedia Verlag erschienen: „EU-Osterweiterung. Historische Basis – ökonomische Triebkräfte – soziale Folgen“ (2007) und „Experiment Kosovo. Die Rückkehr des Kolonialismus“ (2008). Aktuell Rezension
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„Gesinnungsjustiz“? Hier geht es um die Behauptung oder Leugnung von Tatsachen, nicht um „Gesinnung“.
Und was soll das? „… dem bosnischen Gründungsmythos, der auf der These eines Völkermordes in Srebrenica beruht.“ Dieser „These“ haben sich jedenfalls (laut wikipedia) sowohl der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien als auch der Internationale Gerichtshof angeschlossen.
Gottseidank wurde dieser Text nicht von einem „Rechten“ geschrieben.
Da können wir ja ganz beruhigt sein.