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Nationaler Aktionsplan Integration

Wie Maria Böhmer Familiensprachen diskreditiert

"Es ist von erheblicher Bedeutung, ob die Umgangssprache in der Familie Deutsch ist." Mit diesen Worten nahm Staatsministerin Maria Böhmer beim 5. Integrationsgipfel Migranteneltern in die Pflicht. Damit diskreditiert sie aber auch deren Familiensprachen, schreibt Maria Ringler.

Von Maria Ringler Freitag, 03.02.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.02.2012, 6:40 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

In ihrer Presseerklärung vom 31. Januar 2012 zum Nationalen Aktionsplan Integration betont Staatsministerin Maria Böhmer im Hinblick auf Sprachförderung die „… erhebliche Bedeutung, ob die Umgangssprache in der Familie Deutsch ist.“ Was verbirgt sich hinter diesem auf den ersten Blick harmlosen Satz? Sollen Eltern zuerst Deutsch lernen, bevor sie mit ihren Kindern sprechen? Haben andere Familiensprachen weniger Wert als Deutsch?

Im Verband binationaler Familien und Partnerschaften haben wir langjährige Erfahrung im Umgang mit Mehrsprachigkeit. Kinder aus binationalen und mehrsprachigen Familien erleben Mehrsprachigkeit als Normalität: Sie sprechen zuhause in einer gemeinsamen Familiensprache, die nicht Deutsch ist, oder sie sprechen mit Vater und Mutter unterschiedliche Sprachen. Es gibt viele Modelle mehrsprachigen Aufwachsens.

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Für zwei- und mehrsprachig aufwachsende Kinder verdeutlichen die Sprachen unterschiedliche Denk- und Verhaltensmuster, erschließen innere Bilder und bündeln kulturelle Traditionen. Die mit den Sprachen vermittelten Werthorizonte prägen die Entwicklung der Kinder und sind Teil ihrer Identitätsbildung. Die Sprachen ermöglichen ihnen den Zugang zur eigenen Familie und Familiengeschichte und bilden somit auch die Grundlage für Zugehörigkeit und Akzeptanz.

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Mehrsprachige Menschen sammeln Erfahrungen in mehreren Sprachwelten, sie haben potenziell einen größeren Kreis von Menschen, mit denen sie kommunizieren können. Bereits mehrsprachig aufgewachsenen Menschen fällt es auch später leichter, noch weitere Sprachen zu lernen.

Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen die Vermutung, dass Mehrsprachige früher und wirkungsvoller als Einsprachige für soziale Flexibilität disponiert sind: Sie pflegen einen selbstverständlichen Umgang mit den zufällig gesetzten Sprachregeln, sie stellen sich früh auf Sprachgewohnheiten anderer ein und können daher oft früher begreifen, was in anderen Köpfen anders vorgehen kann als im eigenen.

Doch zwei- oder mehrsprachig leben in einer sich einsprachig verstehenden Welt ist eine Herausforderung, das wissen viele aus eigener Erfahrung. Dies zeigt mal wieder die Aussage von Staatsministerin Maria Böhmer, die gerne die Bedeutung der deutschen Sprache so betont.

Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt und den ihrer Kinder in Deutschland sehen, wissen um die Bedeutung der Sprachkenntnisse im Deutschen für den Bildungserfolg, für die gesellschaftliche Beteiligung und das Alltagsleben. Das wird von niemand Frage gestellt. Aber muss damit einhergehen, die mitgebrachten Sprachen zu vernachlässigen?

Mehrsprachigkeit, sozusagen die Muttersprache von Kindern, die mit zwei oder mehr Sprachen groß werden, ist Realität in deutschen Kindergärten und Schulen. In Großstädten sind diese Kinder bereits die Mehrheit. Hier ist die Aufgabe der Bildungseinrichtungen, die Kinder da abzuholen, wo sie stehen, also auch mit ihren nicht deutschen Familiensprachen. Frau Staatsministerin Böhmer schiebt hier wieder den Eltern die Verantwortung zu – sie sollten doch besser mit ihren Kindern auch zuhause Deutsch sprechen. Welch eine Verschwendung, das Potenzial der Mehrsprachigkeit im Bildungsbereich nicht stärker aufzugreifen und zu fördern!

Auf zahlreichen Fachtagungen, bei runden Tischen und auch im Dialogforum „Frühkindliche Bildung“ des Nationalen Aktionsplanes für Integration haben Expertinnen aus Wissenschaft und Gesellschaft, mit und ohne Migrationshintergrund, die Chancen mehrsprachigen Aufwachsens immer wieder deutlich gemacht und sich dafür eingesetzt, dass wissenschaftlich erwiesene Kenntnisse Berücksichtigung finden.

Entsprechend heißt es im Text des Dialogforums zum Aspekt Sprache: „Der Förderung der Sprachentwicklung (…) von Anfang an, insbesondere der Muttersprache und der deutschen Sprache, kommt eine Schlüsselrolle zu.“ Die Förderung der Muttersprachen steht also nicht im Gegensatz zur Förderung der deutschen Sprache, entscheidend ist ein sowohl – als auch.

Hinter diese Erkenntnisse fällt Frau Staatsministerin Böhmer in ihrer Presseerklärung zum 5. Integrationsgipfel zurück. Sie suggeriert, dass Eltern ihre Mitwirkung bei der Integration verweigern, wenn sie mit ihren Kindern in anderen Sprachen sprechen. Dagegen haben Sprachwissenschaftler nachgewiesen, dass der kindliche Spracherwerb vor allem durch viel Kommunikation in einer positiven emotionalen Beziehung unterstützt wird. Wie soll dies in einer „verordneten Sprache“ gelingen?

Und was ist mit dem Recht auf die eigene Muttersprache? Die UN Kinderrechtskonvention formuliert in Artikel 29 das Recht von Kindern auf ihre Muttersprachen unmissverständlich: „Die Bildung des Kindes muss darauf gerichtet sein … dem Kind Achtung vor seinen Eltern, seiner kulturellen Identität, seiner Sprache und seinen kulturellen Werten, den nationalen Werten des Landes, in dem es lebt, – und gegebenenfalls des Landes, aus dem es stammt, sowie vor anderen Kulturen als der eigenen zu vermitteln.

Auch die Bundesregierung sollte sich dem verpflichtet fühlen. Aktuell Meinung

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  1. Tai Fei sagt:

    Sugus sagt:
    8. Februar 2012 um 19:27
    „- Es gibt natürlich Wechselwirkungen zwischen privatem Raum und öffentlichem Raum. Der Artikel suggeriert, ein Vertreter der Bundesregierung wolle den Gebrauch nichtdeutscher Sprache in der Familie unterdrücken. Jetzt frage ich mich, wo die Bilingualitätsvertreter sind. Man kann doch in der Familie auch Deutsch UND die nichtdeutsche Sprache sprechen – bei Ehen mit einem deutschen und nichtdeutschen Elternteil dürfte das sogar die Regel sein. Das ist also nicht das Problem. Das Problem ist, daß nichtdeutsche Elternpaare zu Hause zu 100% mit ihrem Kind in ihrer nichtdeutschen Muttersprache reden. Wenn das Kind dann zusätzlich nicht früh Kontakt mit Deutschen hat (etwa im Kindergarten), bedeutet es, daß es mit null bzw. minimalen Deutschkenntnissen eingeschult wird.“

    Der Artikel bezieht eine Gegenposition zur Bemerkung: „Es ist von erheblicher Bedeutung, ob die Umgangssprache in der Familie Deutsch ist.” Es geht nicht darum Deutsch zu können, sondern was die Umgangssprache in der Familie ist. Damit werden also andere Sprachen als Deutsch sehr wohl diskreditiert.
    Ich gebe Ihnen ja Recht, dass Deutsch unverzichtbar für das Leben in DE ist. Für die Kinder ist hier der Lernprozess in Kindergärten praktisch kaum verzichtbar. Das stellt aber eine soziale und auch politische Frage dar, die nur bis zu einem gewissen Grad von „Migranten“-Eltern beeinflussbar sind.
    Ich bin immer noch der Überzeugung, und hier gebe ich User Mathis Recht, vor allem ideologisch argumentieren. Sie haben offensichtlich keinen realen Bezug zum Thema. Ich hingegen, lebe selbst in einer binationalen Ehe mit Kindern. Ich kann also durchaus praktische Erfahrungen beisteuern. Das gilt auch für gleiche Konstellationen im Bekanntenkreis.

  2. Sugus sagt:

    @ Tai Fei
    Sie sind befangen, während ich es nicht bin – so kann man es auch sehen.
    (Unter meinen engen Freunden gibt es übrigens einige die nichtdeutsche Ehepartner haben.)
    Tatsache bleibt, daß nichts einen Ausländer so gut integriert wie gutes Deutsch. Und umgekehrt.

  3. Tai Fei sagt:

    Sugus sagt:
    9. Februar 2012 um 09:38
    „@ Tai Fei
    Sie sind befangen, während ich es nicht bin – so kann man es auch sehen.
    (Unter meinen engen Freunden gibt es übrigens einige die nichtdeutsche Ehepartner haben.)
    Tatsache bleibt, daß nichts einen Ausländer so gut integriert wie gutes Deutsch. Und umgekehrt.“
    Ich bin nicht befangen, sondern äußere mich lediglich zum Thema des Artikels. Leider gelingt Ihnen das hier nicht. Die von Ihnen angesprochene Tatsache, wird im obigen Artikel und den Postings ja gar nicht bestritten. Sie ist nicht mal das Thema.

  4. Optimist sagt:

    „Es ist von erheblicher Bedeutung, ob die Umgangssprache in der Familie Deutsch ist.“

    Der größte Unsinn, den ich gelesen habe. Ich spreche akzentfrei hochdeutsch und musste mit meinen Eltern noch nie deutsch sprechen. Während ich im Laufe der Zeit mein deutsch durch Freunde, Schule, Fernsehen und lesen stetig erweitern konnte, ist meine Muttersprache voll auf der Strecke geblieben und hat sich auf die häusliche Umgangssprache beschränkt. Häufig benutze ich bei Übersetzungen die deutschen Wörter 1:1, oder ich umschreibe sie mit meinem gebrochenen türkisch.

    Ich weiß zwar, daß das nicht in allen türkischen Familien so ist, tatsache jedoch ist, daß viele Türken weder richtig deutsch noch türkisch können. Das ist das wahre Dilemma und genau da muss man ansetzen, also die Zweitsprache fördern und nicht die Erstsprache diskreditieren, sondern involvieren.

    @ Sugus
    Mit deinen einseitigen und engstirnigen Vorstellungen solltest du dich bei solchen Diskussionen besser raus halten, weil es ganz offensichtlich ist, daß du null Ahnung hast, wovon du überhaupt redest.

    TaiFei ist also befangen und du nicht, das heißt, du bist objektiv und schreibst diese Eigenschaft TaiFei vollständig ab, obwohl TaiFei aus persönlicher Erfahrung berichtet und damit überhaupt eine Grundlage hat, die Sache zu bewerten und Vergleiche zu ziehen. Bravo, Volltreffer ins eigene Knie.

    „Unter meinen engen Freunden gibt es übrigens einige die nichtdeutsche Ehepartner haben“, das klingt wie: „Hab nix gegen Ausländer, hab sogar mal im Bus neben einem gesessen“.

    Deinem Letzten Satz stimme zwar zu, ist aber dennoch keine Garantie für Ausgrenzung, lediglich eine gute Basis zur Verständigung und zum kommunikativen Austausch. Die Ausgrenzung besteht bereits in den Köpfen dieser kranken Gesellschaft. Leute wie ich können höchstens dazu beitragen, die Vorurteile abzubauen. Integriert bin ich wegen meinem perfekten deutsch dann aber noch lange nicht, da gehört mehr dazu, nämlich daß ich auch an der Gesellschaft teilnehme, sofern man mir die Chance zur Teilhabe gewährt.

  5. Sugus sagt:

    @ Optimist
    „Teilhabe“ wie es die Migrantenlobbyisten hierzulande verstehen, bedeutet für bloße physische Anwesenheit in D den Hintern gepudert zu bekommen.
    „Teilhabe“ für Einwanderer in die USA bedeutet, von ganz unten anzufangen und 12 Stunden zu malochen.
    Zweimal dürfen Sie raten was mir lieber ist.
    Und seien Sie versichert: die Zerstörung des Nationalstaats Deutschland bedeutet auch die Zerstörung des Sozialstaats Deutschlands. Das wird für viele Ausländer und Migrationshintergründler noch ganz, ganz bitter.