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Eric May

„Es geht nicht mehr um Multikulti“

Was muss sich in den deutschen Redaktionen ändern, was machen hiesige Journalisten falsch? Eric May, ein renomierter US-amerikanischer Journalist im Gespräch über Meinungsvielfalt, Meinungsmache und eine Migrantenquote im Journalismus.

Von Thembi Wolfram Dienstag, 14.02.2012, 8:32 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 17.02.2012, 12:52 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Klischees über Kopftuchmädchen, oberflächliche Berichterstattung über die Rütlischule. Viele der Negativbeispiele im Diversity Toolkit sind aus der deutschen Presse. Was machen wir falsch?

Eric May: Viele Deutsche haben ein außergewöhnliches Problem mit allem was sie nicht als typisch deutsch empfinden. Also schwarze Haut, fremde Sprachen und Religion sowieso. Ich bin ja selbst Ausländer. Von außen kann man so ein System noch einmal viel besser beurteilen. In den USA zum Beispiel ist man vom Thema Multikulti schon lange weg. Es geht nicht um ein Nebeneinander der Kulturen, sondern um eine gemeinsame Identität durch Integration aller.

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Und das verstehen die Medienmacher nicht?

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May: In den deutschen Redaktionen sitzen ja nicht lauter Rassisten. Aber in vielen Redaktionen ist die Mehrzahl der Journalisten weiß und deutsch. Und wenn sie eine Geschichte über Nordafrika machen, dann mit ihresgleichen. Da ist niemand mit algerischen Wurzeln der seine Sicht der Dinge einbringen könnte.

Also brauchen wir eine Migrantenquote im Journalismus?

Eric May ist ein renommierter US-amerikanischer Journalist, Produzent und Dokumentar- filmemacher. Er wurde mehr- fach mit dem Emmy ausge- zeichnet. In Trainings macht er Journalisten mit dem Diversity Toolkit fit für eine Gesellschaft, in der Vielfalt normal ist. Außerdem unterrichtet er junge Journalisten an der Universität Freiburg im bildhaften Geschichtenerzählen.

May: Nein, es geht ja nicht um political correctness. Ich will nicht soundsoviele schwarze, rote und gelbe Redakteure platzieren. Und genauso wenig brauchen wir die Vorzeigementalität: Schau mal, der kommt aus Syrien, aber der ist ein guter Journalist geworden.

Sondern?

May: Es geht um Chancengleichheit. Die Luft ist sowieso schon dünn im Journalismus. Und für diejenigen die einen anderen kulturellen Hintergrund haben als die Mehrheit ist es noch einmal schwieriger Karriere zu machen.

Eric, wenn ich eine Reportage über Migranten in Deutschland mache, kann ich Sie dann anrufen und Sie sagen mir, wie Migranten denken?

May: Nein. Ich bin kein Experte für Vielfalt. Ich bin Experte für professionelles Geschichtenerzählen im Journalismus. Es interessiert mich, wie mit Vielfalt umgegangen wird. Deswegen habe ich am Diversity Toolkit mitgearbeitet und deshalb beschäftige ich mich mit Journalisten, die sich fragen wie es richtig geht.

Über ethnische Vielfalt wird doch genug publiziert. Wozu noch eine 200 Seiten starke Handreichung, extra für Journalisten?

May: Es geht darum dass die Sender klarer kommunizieren, wenn es um Vielfalt und Interkulturalität geht. Wir wollen dass die Journalisten ihre Ansprüche an sich selbst hinterfragen und dann natürlich die Geschichten, die sie erzählen.

Welche Journalisten müssen denn noch dazulernen?

May: Auf einer Konferenz der Deutschen Welle im Mai habe ich mit Redakteuren aus ganz Deutschland zusammengearbeitet. Da waren die Großen dabei, die Tagesschau zum Beispiel. In Athen haben wir Trainings mit südeuropäischen Journalisten gemacht. In Genf auch. Und Bedarf gibt es überall.

Und wie sorge ich nun dafür dass meine Geschichte fair ist?

May: Wichtig sind die Protagonisten. Stereotype aufbrechen funktioniert immer. Ich muss jemanden finden der nicht das ist, was der Leser in einer Geschichte erwartet.

Amina Arraf, war so jemand. Eine lesbische, syrische Bloggerin: ungewöhnlich, mutig und modern. Bis herauskam dass sie nicht real sondern die Erfindung eines amerikanischen Studenten war.

May: Dieser Typ war ein Lügner und Täuscher. Aber die meisten Blogs sind auch kein Journalismus. Im Internet ist kaum ein Ort journalistischer Qualität und ohne Meinungsmache zu finden. Und Leser sind dem Online Journalismus gegenüber auch viel kritischer.

Aber die Protagonistin hat funktioniert. Den Blog eines gläubigen, arbeitslosen Mannes, der ja eher die syrischen Demonstranten repräsentiert hätten wohl nicht so viele gelesen.

May: Natürlich nicht. Wenn ich eine gute Geschichte will suche ich mir eher eine außergewöhnliche Person: eine Universitätsprofessorin mit fünf Kindern oder einen jungen Politiker. Aber dann muss ich als Journalist klar sagen: mein Protagonist ist nicht die ganze Geschichte. Und wenn sie zu einer Geschichte etwas dazudichten müssen, dann ist ihre Geschichte nicht gut.

Download: Das Diversity Toolkit ist eine Arbeitsmappe für Redaktionen in Ländern mit mehrheitlich „weißer, christlicher“ Bevölkerung. Sie enthält Videoclips aus Fernsehsendungen, Meinungen, und Internetseiten, die „interessant, amüsant oder überraschend“ mit dem Thema Interkulturalität und Berichterstattung über Minderheiten umgehen. Die Redaktionen sollen über die Fallbeispiele diskutieren und ihre eigene Arbeit hinterfragen. Entwickelt wurde das “Toolkit der Vielfalt” 2006 von Journalisten aus ganz Europa unter der Schirmherrschaft der Europäischen Agentur für Menschenrechte und der Europäischen Rundfunkunion.

Im Vorwort zum Diversity Toolkit sagt Frans Jennekens, ein holländischer Journalist: Wenn wir die Wahrheit zu sehr mit unserer Meinung einfärben, suchen sich die Leser andere, neutralere Quellen.

May: Ich weiß nicht ob ich da ganz zustimme. Wir brauchen Meinung im Journalismus. Aber eben nicht nur BILD und nicht nur den Spiegel und auch nicht nur Sie oder nur mich. Es geht um eine ausgewogene Vielfalt an Stimmen. Jennekens vergisst auch einen ganz wichtigen Punkt: die Leser und Zuschauer haben schließlich auch ein Hirn. Ich würde behaupten dass sie sehr wohl unterscheiden können, wo Meinung anfängt und Nachricht aufhört.

Also muss ich gar keine neutralen Fakten vermitteln?

May: Das ist nicht so einfach. Was ist schon ein Fakt? Wenn ich sage: Das ist rot, ist das ein Fakt. Wenn jemand sagt: das ist weiß und Sie meinen es ist schwarz, sind das auch Fakten. Eine sinnvolle Definition von Fakten ist ja, dass die Information aus mindestens zwei unabhängigen Quellen kommen muss. Ich glaube nicht dass die meisten Blogs oder Meinungsredakteure sich darum kümmern. Und wenn alles Fakten sind, ist nichts ein Fakt. Interview Leitartikel

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  1. Rechenratz sagt:

    Optimist, lesen Sie doch bitte Pepes Eintrag weiter oben, dann verstehen Sie vielleicht. Der Satire sind Sie mächtig, ja? Entschuldigen Sie sich dann auch bei mir? Wäre nett, würde Charakter zeigen und Interesse. Danke.

  2. Optimist sagt:

    @ Rechenratz

    Ich habe die Diskussion verfolgt, auch sonstige Beiträge in den anderen Threads. Durch Ihr Selbstverständnis und offensichtliche Selbstherrlichkeit sind Sie nicht mal in der Lage, meinen Beitrag zu verstehen und verlangen noch unverschämterweise eine Entschuldigung? Wofür? Daß Pepe mit seinem Beitrag recht hat (auch wenn er es etwas derbe formuliert hat)? Man kann doch zu seinen Schwächen stehen und muss nicht alles verherrlichen. „Der Deutsche“ ist schließlich für andere Tugenden bekannt, wie Präzision, Zuverlässigkeit und Fleiß. Ok, in Relation zur englischen Küche ist die deutsche ein Hochgenuss, aber eben nicht DAS Beste und jegliche Gaumen der Welt bereichernde.

    Solche Gleichnisse einfach umzudrehen, wie Sie es getan haben, ist nicht das selbe und zeigt mir immer wieder ganz klar, was Sie uns hier allgemein versuchen mitzuteilen, nämlich gar nichts, sondern stellen einfach nur wie ein Herr Suggubus und Konsorten ihre Faktenresistenz zur Schau. Egal, was Ihr Gegenüber argumentiert, Sie und Ihresgleichen haben immer recht, ist schon klar. Kennen wir alles. Immer das selbe Spielchen. Unsinnig und Überflüssig.

  3. Hannelore sagt:

    Kulinarisch gesehen ist Deutschland sogar sehr vielseitig. Die vielen Kohl und Gemüsesorten, Fleischsorten und Beilagen die je nach Region auf verschiedenster Weise zubereitet werden sind für viele Menschen weltweit ein Genuß. Dazu noch über 700 Brotsorten, allerlei verschiedenes Kleingebäck und unzählige Kuchensorten. Unzählige Wurst und Käsesorten und genausoviele Variationen von Salaten, Milchspeisen usw.
    Und wer das alles nicht wahrnimmt treibt sich anscheinend nur in billigen Imbissen rum, der Hunger treibt´s rein.
    Ich habe sehr viele Länder bereist und dort oft in guten Restaurantes Speisen nach deutschen Rezepten zubereitet. Die Einheimischen waren begeistert. Besonders in Fernost kommen deutsche Gerichte sehr gut an.
    Eintönigkeit kenn ich ehr aus den zahlreichen Imbissen und Buden hier in Deutschland und anderswo Aber kein Feinschmecker wird sich dorthin verlaufen.

  4. Optimist sagt:

    @ Hannelore

    Ja, auf seinen „Kohl“ kann sich Deutschland was drauf einbilden. Vielseitige Gemüsesorten? Dann kennen Sie offenbar weder die italienische, griechische noch türkische Küche. Die sind nämlich in Sachen tägliche Speisen mit Gemüse eine der gesündesten der Welt. Googeln Sie mal, wie die üblichen Speisen in diesen Ländern aussehen. Viele Fleischsorten? Meinen Sie die vielen Variationen mit Huhn und Schwein, Rind und Schwein und Schwein und Schwein, oder wie? Es scheint, daß man in diesem Land nichts ohne Schwein isst. Sehe ich beim täglichen Einkaufen, quasi überall ist min. 7% Schwein drin.

    Brotsortenvielfalt ist eindeutig ein Punkt für Deutschland. Vieles von dem Kleingebäck ist eine Variation aus Insiprationen von anderen Nationen. Ihrer sog. Variationen der Salatvielfalt sind ebenfalls meist von anderen Ländern inspiriert, siehe „griechischer Salat“ usw . Welchen typisch deutschen Salat könnten Sie mir denn empfehlen, den ich nicht als „weltbekannten“, typisch deutschen Salat kenne? Deutschland berühmt für seine Käsesorten und Milchspeisen? Meinen Sie Yoghurt oder Gouda? Typisch deutsch? Alles klar. Mir scheint viel eher, daß manche in ihrem Volksstolz die Welt als eine Erfindung der Deutschen sehen.

    „Ich habe sehr viele Länder bereist und dort oft in guten Restaurantes Speisen nach deutschen Rezepten zubereitet. Die Einheimischen waren begeistert.“ Klingt aber nicht gerade so, als hätten diese Einheimischen die „weltberühmten“ deutschen Speisen bereits vorher sehr gut gekannt. Klingt vielmehr danach, daß sich ein paar Einheimische auf ein kulinarisches Experiment eingelassen hätten und es Ihnen einfach geschmeckt hat.

  5. hannibal sagt:

    @ Optimist

    „…türkische Küche. Die sind nämlich in Sachen tägliche Speisen mit Gemüse eine der gesündesten der Welt…..“

    Mit ein Grund dafür dürften die teilweise (für den türkischen „Ali-Normal-Verbraucher“) astronomisch hohen (gemessen am Durchschnittseinkommen) Fleischpreise in der Türkei sein.

  6. Sugus sagt:

    @ Optimist
    Sie ziehen aus der im Ausland unbekannten/wenig geschätzten deutschen Küche den Schluß, daß diese auch tatsächlich schlecht sein muß.
    Eines der Anliegen des Migazins ist es, (vermeintliche?) Stereotype und Klischees aufzubrechen, nach dem Motto: die Bilder und Vorstellungen sind falsch, in Wirklichkeit ist es ganz anders.
    Ich kann damit leben, daß man in Italien, Frankreich und woanders kulinarisch auf uns herabschaut. Diese Leute wissen es eben nicht besser, ich will sie auch nicht belehren. Deutsche Küche ist sehr vielfältig, derb bis raffiniert, schwer bis leicht. Für jeden etwas dabei, wenn man sich nur die Mühe macht, zu entdecken.

  7. Trauma sagt:

    @Hannelore

    Lassen sie es gut sein ; )
    Es gibt Menschen, die denken ihr Essen und ihre Kultur sind Krone der Schöpfung.Und alle anderen Nationen aber Besonders die Deutschen haben haben nur eintöniges zu bieten.
    Deswegen liebe Hannelore den Troll nicht weiter füttern .

  8. Hannelore sagt:

    Sicher kenne ich die italienische, griechische und türkische Küche. Dort gibt es auch sehr viele Gemüsesorten und die Gerichte dort haben mir auch vorwiegend geschmeckt. Die sind aber auch genauso/wenig vielfältig wie deutsche Gerichte und nicht gesünder als andere Speisen der Welt . Das bilden Sie sich ein und da muss ich gar nicht googeln. Kennen Sie die unzähligen Gewürze die hier heimisch sind, mit denen man heimische Salate lecker zubereiten kann? Offensichtlich nicht. Deutschen Salat gibt es nicht, er ist je nach Region ein Gemisch aus heimischen (Salat) Pflanzen und Gewürzen. Das ist halt eine Vielfalt. Griechischer Salat ist griechischer Salat, das wars. Wo ist die Vielfalt?
    Was haben Sie gegen Schweinefleisch? In den meisten Ländern dieser Erde werden Speisen mit Schweinefleisch lecker zubereitet, ihnen würde ein lecker Schweinebraten garantiert auch schmecken. Noch sind die meisten Menschen auf dieser Welt keine Sklaven, die sich Speisen die Gott ihnen gegeben hat von Menschen verbieten lassen, und ich hoffe es wird auch so bleiben. Vielerlei Kleingebäck gab es schon vor hunderten von Jahren hier in D. Na sicher viele Variationen, Hauptbestandteil war immer Getreidemehl.
    Sie kennen nur Gouda und Yoghurt ist kein Käse. Dazu mal ein Link:
    http://www.kaesewelten.info/allgemein/deutsche-kase/
    Also lange bevor Türken überhaupt Käse herstellen konnten wurde der hierzulande schon lange gegessen.
    Und ich habe keinen Volksstolz, ich bin Kosmopolith. Und Volksstolz ist gewiss keine deutsche Eigenschaft. Schauen Sie sich doch nur mal die Türkei an. Nix auf´n Lumpen und große Töne spucken. Ein BIP pro Person unter dem von Bulgarien.
    Optimist, befreien Sie sich aus ihrem Käfig. Bereisen Sie die Welt,lernen Sie andere Kulturen kennen und zu respektieren.

  9. Rechenratz sagt:

    Das Schlimme an Optimist ist: er hat einen regelrechten Haß auf Deutschland. Er nimmt nicht das Schöne hier war. Natürlich ist die mediterrane Schönheit der türkischen Küste bemerkenswert, und dem würde auch kein Deutscher widersprechen. Die Schönheit des Deutschen hat zugegebenermaßen nicht den WOW-Effekt. Aber zu behaupten, dass hier Essen, Kultur und Musik von minderwertiger Qualität sind, ist ein Affront ohnesgleichen. Erstmal muß man das Essen auch Essen dürfen, um es zu beurteilen. Leider erlauben das halt manche Gottheiten nicht. Dann darf man als Menschlein über das Essen, das man nicht essen darf, aber auch nicht meckern. Gelle?

  10. Pepe sagt:

    Das Interessante ist: die deutsche Küche und Musik sind angeblich so vielfältig und Reich an Facetten…aber die Deutschen essen lieber ausländische Gerichte und hören lieber Musik aus dem Ausland.

    Gigant in der klassischen Musik? Wohl kaum. Mozart, Haydn waren keine Deutschen. Wagner ist langweilig. Beethoven war holländischer Herkunft und Bach…naja, Bach war gut, aber langweilig.