Verwaltungsgericht Koblenz
Polizei darf Bahnreisende wegen der Hautfarbe kontrollieren
Verwaltungsgericht Koblenz entscheidet, dass Bahnreisende von der Polizei aufgrund ihres ausländischen Aussehens verdachtsunabhängig kontrolliert werden dürfen. Für Filiz Keküllüoğlu ist das nackter Rassismus und ein Freischuss für die Polizei.
Von Filiz Keküllüoğlu Dienstag, 03.04.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 05.04.2012, 0:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Dass Schaffner und Polizisten bei ihrer Kontrolle härter durchgreifen, wenn es sich bei dem Reisenden um People of Colour handelt, ist nichts Neues. Es ist der Alltagsrassismus, mit dem Menschen mit einem ausländischen Aussehen tagein und tagaus zu kämpfen haben. Jetzt wird dieser Rassismus auch noch von Richtern für zulässig erklärt.
Folgendes spielte ab: Ein Zugreisender wurde auf einer Bahnstrecke durch zwei uniformierte Beamte der Bundespolizei angesprochen und aufgefordert sich auszuweisen. In der Folge entstand eine verbale Auseinandersetzung. Da der Kläger seine Papiere nicht vorlegte, durchsuchten die Beamten seinen Rucksack, ohne aber die Ausweispapiere zu finden. Daraufhin wurde der Kläger zur zuständigen Dienststelle der Bundespolizei verbracht, wo bei ihm ein Führerschein gefunden und seine Personalien festgestellt werden konnten. Das alles wollte der Reisende nicht ohne Konsequenzen über sich ergehen lassen und klagte.
Im Verlauf eines Strafverfahrens wegen Beleidigung gegen den Reisenden äußerte ein Beamter der Bundespolizei zum Grund für die Kontrolle, wenn er die Vermutung habe, ein Reisender halte sich möglicherweise illegal auf, frage er, wohin der Reisende fahre und bitte um Vorlage von Ausweispapieren. Er spreche dabei Leute an, die ihm als Ausländer erschienen. Ein Kriterium sei hierbei auch die Hautfarbe.
Richter weisen Klage ab
Die Sache schien eindeutig zu sein. Rassismus lag in der Luft. Doch die Richter und die Polizisten waren sich grün und der Reisende erlebte sein blaues Wunder. Mit einem jetzt bekannt gewordenen Urteilsspruch (28.2.2012, Az. 5 K 1026/11.KO) wiesen die Richter die Klage des Reisenden ab.
Die Identitätsfeststellung, so die Richter, sei rechtmäßig gewesen. Die einschlägigen Vorschriften verpflichteten die Beamten der Bundespolizei, bei einer Kontrolle entsprechende Lageerkenntnisse und einschlägige grenzpolizeiliche Erfahrung zugrunde zu legen. Hierdurch werde willkürliches Vorgehen ausgeschlossen. Nach den polizeilichen Erkenntnissen würden die Nahverkehrszüge auf der Strecke, die der Kläger gefahren sei, für die unerlaubte Einreise und zu Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz genutzt. Dies berechtige die Bundespolizei dazu, die in den Zügen befindlichen Personen verdachtsunabhängig zu kontrollieren. Aus Gründen der Kapazität und Effizienz sei die Bundespolizei auf Stichprobenkontrollen beschränkt. Deswegen dürften deren Beamte die Auswahl der anzusprechenden Personen auch nach dem äußeren Erscheinungsbild vornehmen. Da die Identität des Klägers in der Bahn von den Beamten nicht habe festgestellt werden können, seien sie aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung auch zur Durchsuchung des Rucksackes nach Ausweispapieren berechtigt gewesen.
Empört Euch!
Die Gesellschaft müsste nun aufschreien! Empörung müsste sich breit machen! Dieses Urteil ist ein Freischuss für die Polizei, beliebig Kontrollen durchzuführen. Wenn dem Polizisten die Hautfarbe, das Kopftuch, der Turban oder der Bart nicht gefällt, kann er ohne einen gültigen Grund die Menschen kontrollieren, sie in der Öffentlichkeit demütigen.
Traurig, aber wahr: Wir sind noch zu sehr von einer toleranten Gesellschaft entfernt, die endlich akzeptiert, dass die Gesellschaft heterogen und vielfältig ist. Wer denkt, anhand des Aussehens identifizieren zu können, wer ausländisch und sogar illegal oder kriminell ist, begeht einen fatalen Fehler und ist rassistisch. Wir müssen das Kind beim Namen nennen. Wir müssen uns empören. Aktuell Meinung Recht
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Dieses Urteil ist ein krasses Beispile des institutionellen Rassismus hierzulande. Das diese Situation zur Alltagspraxis gehört, macht die ganze Sache nur schlimmer. Das Urteil ist auf jeden Fall verfassungswidrig und wird so nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Menschen wegen ihrer äußeren bzw. vermeintlich nicht-deutschen Erscheinung zu markieren, öffentlich zu demütigen und zu illegalisieren ist die üblste Form des Rassismus, was dieses Land gut aus seiner Geschichte kennt. Leider fällt es vielen Menschen, die aufgrund ihrer weissen und deutschen Herkunft privilegiert sind, schwer, Diskriminierung und Rassismus an Minderheiten nazuvollziehen.
Herr Mekonnen,
die Polizei ist auf der Suche nach illegalen Flüchtlingen oder nach arabischen Terroristen. Wir alle bitten Sie nun darum, einen Alternativplan zu liefern, wie die Vorgehensweise der Polizei nun sein sollte. Was schlagen Sie vor? Keine Kontrollen mehr? Kontrollen nach dem Zufallsprinzip, z.b. konsequent jeder dritte Mensch im Wagen wird kontrolliert, auch wenn’s ein altes Mütterlein sein sollte?
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Klar, dass sich natürlich diejenigen zu Wort melden, die keine Ahnung haben wie es sich anfühlt ungleich behandelt zu werden. Ich maße mir an zu behaupten, dass mein deutscher Hochschulabschluss besser ist, als von den meisten, die hier ihren Senf abgeben. Zudem vermute ich, dass ich mich öfter dusche, pflege, auf mein äußeres Erscheinungsbild achte, bessere Manieren habe und besseres Hochdeutsch spreche als die, ach so qualifizierten, Beitragsverfasser!
Dennoch werde ich, aufgrund meiner Hautfarbe IMMER kontrolliert, zusammen mit Herren, die morgens um 9 ihr erstes Bier trinken und heimlich auf der Toilette rauchen gehen. Alle „normalen“ Westeuropäer werden nicht kontrolliert. Und DAS soll rechtens sein? Es ist schon traurig, dass sich Deutschland als so fortgeschritten ansieht und dennoch mit einem Fuß im Steinzeitalter hängen geblieben ist…
„QEuropa sagt:
5. April 2012 um 14:18
…
1. Da in Deutschland ausnahmslos eine Ausweispflicht besteht, sollte man auch immer einen Ausweis bei sich tragen.
2. Wenn ein Polizist nach einem Ausweis verlangt, dann einfach vorzeigen und sich kooperativ zeigen. Sich beim Beamten über die Kontrolle zu beschweren wird den Verdacht gegen jemanden nur noch erhärten…“
Um mal zu klugscheissern. Ja es gibt eine Ausweispflicht, aber KEINE generelle Pflicht, diesen ständig mitzuführen. Interessant ist auch zu wissen, wer die Ausweispflicht in DE überhaupt eingeführt hat. Das waren die Nazis.
Rodney King wurde 1991 in USA von Polizeibeamten als
Niger beschimpft und geschlagen, was zu schwersten Unruhen mit über 50 Toten und über 2000 verletzte geführt hat. Die Mehrheit der Polizeibeamten in Deutschland wählen rechte Parteien. Der Stellvertreter von rechtsextremen Pro_NRW ist ein Polizist. Was passiert wenn man solchen Menschen frei Hand über ihre Hassobjekte gibt? Ich moechte nicht die Polizei unter Generalverdacht stellen. Doch es gibt viele „weiße“ Schafe unter ihnen.
Albrecht H.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Sauerlandsgruppe arabische Terroristen waren. Mit Ihre Begründung konnten auch NSU_Terroristen und der norwegische Massenmoerde Jahre lang mordend durch die Landschaft ziehen bzw, sein tonnenschwere -Springstoff zusammenbauen. Also, wenn Kontrollen, dann bitte für alle und nicht rassistisch.
Man sollte mal folgendes bedenken: Polizeibeamte haben es sehr oft mit schwarzen Tätern zu tun – speziell im Bereich Drogen und illegaler Einwanderung. Das sind also Erfahrungswerte, keine Vorurteile und keine persönliche “Abneigung” gegenüber Schwarzen. Das darunter auch normale Schwarze – ob Deutsche oder nicht – leiden, ist sehr bedauerlich, aber wohl nicht gänzlich zu vermeiden.
In großen Städten wie z.B. in Frankfurt sieht man solche Kontrollen an den verschiedensten “Treffpunkten” sehr häufig. Und ja, meistens sind es dunkelhäutige Menschen die kontrolliert – aber auch oft – verhaftet und mit aufs PP genommen werden.
Pragmatikerin
„Nachdenker sagt:
8. April 2012 um 01:57
Es gibt Gesetze, die klar besagen, unter welchen Voraussetzungen jemand kontrolliert werden darf.
Und wer mitdenkt, der hat Papiere dabei und zeigt sie ohne lange Widerrede vor.
Nach ein paar Minuten ist alles vorbei.
Oder die Polizei kontrolliert einfach niemanden mehr (es könnte ja jeder irgendwie diskriminiert werden) und alle Verbrecher gehen weiter ungestraft ihrer Wege.“
Es gibt etliche westliche Staaten (A, UK, US) ganz ohne Ausweispflicht und selbst in den Niederlanden (mit Ausweispflicht) sind präventive Ausweiskontrollen durch die Polizei nicht vorgesehen. Prinzipiell finde ich das Verfahren einer Ausweiskontrolle, ohne dass sich die kontrollierte Person irgendeiner Straftat oder Ordnungswidrigkeit strafbar gemacht hat, eher bedenklich egal welches Aussehen die Person hat. Es gibt übrigens in DE KEINE Pflicht Ausweispapiere bei sich zu führen.