Anzeige

Vertrauensbildende Maßnahmen

Was Muslime tun müssen, um das Misstrauen zu brechen

Warum gibt es Vorurteile gegen Muslime und den Islam? Warum misstrauen viele Menschen den Muslimen? Und wie können Muslime dem gegensteuern? Für Dr. Sadi Aydın ist die Antwort klar: vertrauensbildende Maßnahmen sind notwendig.

Von Şadi Aydın Montag, 16.04.2012, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 25.03.2014, 9:40 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Das Image der Muslime hat sich in der jungen Vergangenheit zunehmend verschlechtert, vor allem seit dem 11. September 2001. Ängste und Vorurteile gegen sie haben immer mehr zugenommen. Zentral ist in diesem Zusammenhang das Misstrauen gegenüber Muslimen. Dieses als Frucht negativer Assoziationen wachsende Phänomen war es, das mich zur Abfassung einer Dissertation inspiriert hat: Meine Forschung von Befragungen bis zur Literaturrecherche hat ergeben, dass das Misstrauen vielfältige Gründe hat, von denen bislang häufig je nach Kontext diese oder jene besonders betont werden.

Anzeige

Allzu leicht entsteht hierbei ein einseitiges Bild der Verantwortung, ein Fehler, den es zu vermeiden gilt. Denn die Ursachen des Misstrauens liegen nicht nur in Problemfeldern des muslimischen Bereichs. Auf der einen Seite stehen freilich sowohl die Missstände in Teilen der islamischen Welt insgesamt, wie Mängel bei den Menschenrechten und eine unzureichende Stellung der Frau als auch die Defizite, die sich bei Muslimen in Deutschland feststellen lassen. Zu diesen Defiziten gehört beispielsweise – trotz eines Anstiegs in den letzten Jahren – ein im Durchschnitt niedriges Bildungsniveau, eine geringe Quote an Engagement für die Gesamtgesellschaft, so etwa in der Freiwilligen Feuerwehr oder bei der Obdachlosenhilfe, und Versäumnisse bei der Aufklärungsarbeit über den Islam und das muslimische Leben, insbesondere mit Blick auf konfliktreiche Themen.

___STEADY_PAYWALL___

Demgegenüber fußt aber eine Reihe von Motiven für das Misstrauen gegenüber Muslimen auf der genuin nichtmuslimischen Seite: Beispiele sind ein durchschnittlich geringes sowie häufig fehlerhaftes Wissen über den Islam, historisch begründete Ressentiments gegenüber den Muslimen und die insgesamt relativ niedrige Quote persönlicher Kontakte zu ihnen. Die hier genannten Gründe sind freilich nur einige der mannigfaltigen Ursachen auf beiden Seiten.

Anzeige

Die Frage nach den Möglichkeiten zum Abbau, oder – realistischer – zur Reduktion des Misstrauens gegenüber Muslimen führt zur Beschäftigung mit dem Begriff „Vertrauen“, dem entscheidender Stellenwert zukommt: Die grundlegende Einsicht besteht darin, dass es des Aufbaus von Vertrauen bedarf, um dem Misstrauen entgegenzuwirken. Daraus destilliert sich die zentrale These: Muslime mögen vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft ergreifen und vertiefen. Dabei umfasst die Bezeichnung „Muslime“ nicht nur religiöse Personen, sondern ganz allgemein alle offiziellen Angehörigen des Islam unabhängig von Säkularisationsgrad, Konfession und Nationalität.

Eines der wichtigsten Ergebnisse meiner Befragung mit der Mehrheitsbevölkerung ist deren geringes Sozialvertrauen zu den Muslimen: circa 77 Prozent vertrauen dem muslimischen Bevölkerungsteil wenig oder kaum. Das bedeutet, dass bei fast vier von fünf Deutschen das Vertrauen gegenüber dieser Gruppe als gering bis nicht vorhanden einzustufen ist. Der einzig tröstliche Befund aus den direkten Vertrauensfragen ist es, dass wieder circa vier von fünf Deutschen den ihnen persönlich bekannten Muslimen Vertrauen entgegenbringen. Meist ist darunter ein hinreichendes, aber längst kein volles Vertrauen, wie es zwischen Familienangehörigen typisch ist, zu verstehen.

Interessanterweise ergab die mit türkischen Muslimen durchgeführte Befragung, dass die allermeisten von ihnen der Ansicht sind, die Muslime bildeten wenig Vertrauen bei der Mehrheitsbevölkerung. Das bedeutet freilich nicht, dass sie sich selbst als wenig vertrauenswürdig einstuften, sondern gibt ihre Einschätzung zur deutschen Mehrheitsposition wieder. Für die zu geringe Vertrauensbildung machen sie auch Versäumnisse auf muslimischer Seite verantwortlich.

In Stichworten lassen sich ihre Inhalte etwa wie folgt zusammenfassen: Aufklärungsarbeit vor allem über vorurteilsbehaftete Themen, Transparenz in verschiedenen Bereichen, Engagement gegen Extremismus, vielseitige gesellschaftliche Öffnung und interkultureller, interreligiöser sowie nachbarschaftlicher Dialog als Beiträge zu einem friedlich-harmonischen Zusammenleben, Bemühungen um bessere Integration mit derselben Zielsetzung, bedachtes Vorgehen bei Moscheebauprojekten, Heranbildung eines sprachkundigen und vertrauensbildenden muslimischen Führungspersonals, Frauenförderung, integrative Erziehung des Nachwuchses und nicht zuletzt die Verbesserung der Islamkenntnis bei Muslimen selbst, idealerweise verbunden mit einer richtig verstandenen religiösen Lebensweise.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass trotz der Aktivitäten und Fortschritte der letzten Jahre das Gesamtniveau der muslimischen Vertrauensbildung in Deutschland immer noch weit vom gewünschten Ausmaß entfernt ist. Es wäre ungerecht zu behaupten, die Muslime bildeten gar kein Vertrauen bei der Mehrheitsbevölkerung, doch ist es nicht ausreichend.

Um die Muslime für vertrauensbildende Maßnahmen zu gewinnen, muss man sie motivieren und ihren Blick für diesen Bedarf schärfen. Dies ist aber nur mit einer milden Rhetorik möglich; im Befehlston oder hochnäsig vorgetragene Forderungen sind allenfalls geeignet, eine Abkühlung und Antireaktionen hervorzurufen. Zudem entfällt eine hohe Verantwortung auf Politik und Medien, die Muslime bei dem Anliegen unterstützend zu begleiten, denn die Bildung von sozialem Vertrauen ist ein Prozess enormen Maßstabs, der langer Zeit bedarf und auf dessen Weg vielfältige Hindernisse stehen.

Aufseiten der Muslime in Deutschland ist hier etwa der Mangel an räumlichen oder finanziellen, vor allem aber an human-intellektuellen Ressourcen zu nennen; von nichtmuslimischer Seite wird die Vertrauensbildung zum Beispiel durch Fälle von Diskriminierung behindert. Ohne einflussreiche Fürsprecher kann sie sich durchaus mühsam und für manche Akteure entmutigend gestalten. Daher ist neben der Hilfe durch einheimische Machtträger auch eine vielfältige, geistig-intellektuelle bis finanzielle Unterstützung durch bestimmte islamische Länder sowie durch international bekannte Organisationen wie die OECD und Projekte wie das der UNO namens „Allianz der Zivilisationen“ stärkstens zu wünschen. Aufgrund des türkischen Übergewichts unter den Muslimen in Deutschland ist insbesondere die Türkei imstande, hier einen fruchtbaren Einfluss zu entfalten. Davon wird nicht zuletzt sie selbst profitieren, denn eine Vergrößerung des Sozialvertrauens zum muslimischen Bevölkerungsteil wird bei vielen Menschen erst jene differenzierte Betrachtungsweise erzeugen, die nötig ist, um bei ihnen auch das Image und die Akzeptanz der Muslime in der Welt draußen zu verbessern. Aktuell Meinung

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Optimist sagt:

    „Eine wahrhaft vertrauensbildende Maßnahme der Muslime wäre es wenn der allgemeine Aufstand im Nahen Osten nach Saudi Arabien getragen würde, Mekka und Medina aus den Händen der Wahabiten gerissen…“

    Na aber sicher, Türkei tut sich dann wahrscheinlich mit Israel zusammen, diese erklären den Krieg gegen Saudi-Arabien, man „befreit“ Mekka und Medina, die PI-Zeitung hat ein Opfer weniger, auf die sie bashen können und alles wird gut…. Gehts noch? Das ist ein Aufruf zu Krieg und Revolution, aber ist schon klar, es bildet natürlich ne Vertrauensmaßnahme. Ich werd nich mehr, unglaublich…

  2. AHA sagt:

    @Mobo
    Sie finden es also gut wenn alle die zur Hadsch gehen brav das von den Salafisten vorgegebene Programm mitmachen?
    Ich sprach weniger von Muslimen in Europa sondern hauptsächlich im Nahen Osten.
    Also ich glaube dem Papst in Rom ist damals sein Lachen recht schnell im Halse stecken geblieben als ein kleiner Mönch seine Thesen an eine Tür schlug und dem Papst eine Stadt nach der anderen abhanden kam. Das Sie darüber lachen zeigt das Sie nichts verstanden haben. Außerdem ist es beschämend da Sie im Gegenteil den Ernst der Lage nicht begriffen haben. Ich sage nur: Bahrain
    Was glauben Sie wohl wieso schon damals die Saudis in Bahrain einmarschiert sind? Um genau DAS was ich gesagt habe zu verhindern. Es muss aber das Endziehl sein die Saudis zu überrumpeln damit endlich etwas neues entstehen kann oder meinen Sie nicht. Ich habe nicht zwangsläufig von „zu den Waffen greifen“ gesprochen. Es würde schon reichen wenn tausende Pilger die Salafisten, Religionspolizei öffentlich blosstellt und in Bedrängnis bringt indem sie in aller Öffentlichkeit kritische Diskussionen anfangen. Da möchte ich mal sehen wie die Saudi darauf „verhältnismäßig“ reagieren sollten. Tausende Pilger ausweisen und diese daran hindern ihre religiöse Pflicht zu tun? Lächerlich! Diese einsperren, erschießen? Sie sehen Mobo. EGAL was die Saudis dann machen würden. Es wäre immer falsch und diesen wären die Hände gebunden. Die Hadsch wäre somit die größte und zuverlässigste Möglichkeit den Protest in Saudi Arabien ein zu schleussen.
    Oder sind Sie der Meinung das alles Bestens ist? HAHA!

  3. Pingback: Literaturliste Islamophobie/Islamfeindlichkeit/Islamkritik « Serdargunes' Blog

  4. MiTho sagt:

    Nach meiner Wahrnehmung unternehmen sehr viele regional ansässige Vereine im Namen des Islam und der Gläubigen große Anstrengungen und bieten ihre Moscheen zum Besuch, sich selbst zu Gesprächen und sehr häufig viele exotische Köstlichkeiten an. Es gibt überall bekannt gemachte Feiern, zahllose Einladungen, Kontakt- und Informationsangebote.
    Darüberhinaus darf natürlich nicht vergessen werden, dass neben äußerst wenigen Schreihälsen (wie z.B. Salafisten) einige Millionen (!) Muslime friedlich und ruhig im Einklang mit ihrem Umfeld leben; sie prügeln ihre Frauen nicht, sie werfen keine Bomben in Nachbars Garten und sie schlagen niemandem sein Bier aus der Hand. Sie stehen neben jedem „anderen“ Deutschen am Fließband und am Wochenend auf dem Fußballplatz.
    Wenn noch immer von „mangelhaften, vertrauensbildenden Maßnahmen“ gesprochen wird, so zeugt dies nach meiner Meinung von schiefstehender Wahrnehmung. Selbst Konvertit, begreife ich mich als Grenzgänger und sehe die Not, die viele Muslime mit diesem Land haben. Ihnen schlägt zunächst blanke Xenophobie entgegen und wenn sie sich dann auch noch als Muslime zu erkennen geben, erhalten sie häufig gar keine Chance mehr. Es macht mir oft einen Kloss im Hals wenn ich die liebevollen Vorbereitungen für Feste sehe, die mit teilweise ungeheuer großem Aufwand getrieben werden und die Vorfreude der Leute auf die vielen, vielen Gäste …. von den eingeladenen hunderten kommen häufig nur ganz wenige.
    Sie brauchen aber nur das Wort „Islamhass“ bei Google einzugeben und sie erhalten hochinteressante Berichte über die „Hassindustrie“, die organisiert, bestens finanziert und hochrangig unterstützt z.B. durch die USA touren um die Bevölkerung ganz gezielt zu radikalisieren, aufzubringen, wütend gegen alles islamische zu stimmen.
    Die hiesige, europäische Xenophobie ist historisch – wenn man daran erinnern darf, so griff eines der blutigsten Pogrome gegen Fremde ausgerechnet im Deutschland des frühen Mittelalters und hat sich bis heute fortgepflanzt. Allein der Umstand, dass ein Sarrazin hier tatsächlich und ernsthaft diskutiert statt einhellig und kurz abgelehnt wurde zeigt die latente Bereitschaft (vor allem des Bildungsunterrandes der sarrazin’schen, „autochthonen“ Bevölkerung!), fremdenfeindliche Aspekte generell zu erwägen.
    Damit will ich behaupten, dass Muslimen -und ausgerechnet nicht deutschstämmige Muslimen!- beinahe reflexhaft die z.T. irrwitzigsten Vorwürfe gemacht werden und es kaum für sie zu bewerkstelligen sein dürfte, ihr Umfeld vermittels eigener Anstrengungen zu verändern.
    Es wäre massive (!) Untestützung seitens der Regierung notwendig, gebetsmühlenartige Solidaritätsaddressen an die Muslime und vieles, vieles mehr, um langfristig einen Trend zu initiieren, der auf ein selbstverständliches und unaufgeregtes Zusammenleben hinauslaufen könnte.
    Ich jedenfalls habe maximales Verständnis für viele Muslime, die sich mittlerweile vor Angst „einmauern“ oder, im Gegenteil, immer aggressiver werden. Sie stehen vor einem nicht mehr zu bewältigenden Berg von künstlich herbeigeredeten Problemen.

  5. Wolfram Obermanns sagt:

    Ein sehr erhellender Artikel, der sich auch mit meinen Erfahrung mit der hiesigen Moschee aber auch denen anderer Gemeinden im Kirchenkreis deckt.
    Meine Erwartungshaltung bezüglich der großen Organisationen hielte sich abweichend vom Artikel allerdings in engen Grenzen.

    Die Größte Hürde ist m. E. im allgemeinen doch die Sprachhürde. Wie will man etwas glaubhaft sagen, wenn man es nicht sagen kann? Wie will man miteinander ins Gespräch kommen?
    Es wird nicht miteinander über ein Thema gesprochen, sondern Gespräche übereinander sind das Thema. Dumm nur, daß bei Gesprächen übereinander das Thema irgendwann das Denken beherrscht, während man bei Gesprächen miteinander das Thema beherrschen lernt.

    Losgelöst von alldem bekleckert sich die muslimische Welt z. Z. nicht mit Ruhm, wie der Weltverfolgungsindex von Open Doors und die bald täglichen Schlagzeilen über Massaker von Muslimen an Muslimen belegen. Diese durchaus korrekt berichteten Nachrichten bestimmen hüben wie drüben die Agenda, da es keine lokale oder persönliche Agenda gibt (wie m. E. auch die bisherigen Leserpostings zeigen).