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Ministerium gibt zu

„Bild“ wurde Islam-Studie doch vorab zugesteckt

Das Bundesinnenministerium hat die Studie „Junge Muslime in Deutschland“ doch der Bild exklusiv zur Verfügung gestellt. Friedrich hatte zuvor mehrfach das Gegenteil behauptet. Die Linke und SPD werfen ihm jetzt vor, Parlament, Medien und Öffentlichkeit belogen zu haben.

Montag, 23.04.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 27.04.2012, 1:11 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Amtsträger dürfen von Verfassungswegen allein gemeinwohlorientiert handeln. Weder Vorteilsannahme noch Vorteilsgewährung sind erlaubt (§§ 331 und 333 des Strafgesetzbuch). Und so findet man viele Rücktritte, die auf diese Straftatbestände zurückgehen. Nicht selten reichte bereits der Verdacht aus, um Politiker, Minister und selbst Bundespräsidenten aus dem Amt zu heben. Oft ist es ein schmaler Grat, der entscheidet.

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So auch beim Umgang von Amtsträgern mit den Medien. Weder dürfen sie einzelne Medien bevorzugt behandeln, noch diese von Informationen ausschließen. Letzteres ist dem MiGAZIN und – bis auf Bild – der gesamten Medienlandschaft Deutschlands passiert. Bild-Online berichtete am 29. Februar exklusiv und vorab über die Studie „Lebenswelt junger Muslime in Deutschland“. „Schock Studie“, lautete der Titel. In dem Bericht war entgegen dem Wortlaut der Studie von angeblichen Massen von Integrationsverweigerern unter jungen Muslimen die Rede.

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Das wüssten wir auch gern
Die MiGAZIN Redaktion rief in den Mittagsstunden dieses Tages beim Pressereferat des Bundesinnenministeriums an und bat um die Studie. Ein Sprecher teilt mit, dass die Studie erst am nächsten Tag (1. März) offiziell vorgestellt werden würde und man vorab keinen Einblick gewähren könne. Auf die Frage, wie Bild an die Studie herangekommen sei, wurde geantwortet: „Tja, das wüssten wir auch gern“.

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Randnotiz: Für ihre Fragen wurde Slomka von der Bild-Zeitung zur „Verliererin“ des Tages gemacht.

Auf welchem Wege die Bild-Redaktion an die Studie herangekommen war, darüber wurde in den Folgetagen spekuliert. Am Abend des 1. März warf Marietta Slomka im ZDF heute journal Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vor, die Studie vorab „an die Bild weitergegeben“ zu haben. Darauf entgegnete Friedrich: „Also, diese Studie ist nicht aus meinem Haus herausgegeben worden.“

Keine Herausgabe?
Ähnlich äußerte sich auch Innenstaatssekretär Christoph Bergner am 7. März im Bundestag. Der Vorwurf, das Bundesinnenministerium „habe die Studie vorab der Bild zugeleitet, trifft nicht zu“. Der „Bundesinnenminister selbst“ habe dies im Innenausschuss „noch einmal ausdrücklich zum Ausdruck gebracht“ „Es hat keine öffentliche oder wie auch immer geartete Übergabe dieser Studie durch das Bundesinnenministerium an die Medien gegeben“. (S. 19462)

Und am 26. März teilte das Bundesinnenministerium einem recherchierenden Journalisten schriftlich mit (liegt dem MiGAZIN vor), dass die Studie der Bild-Zeitung „nicht exklusiv zur Verfügung gestellt wurde“. Aus diesem Grunde „ist auch die beantragte Begutachtung und Stellungnahme zu der Frage, inwieweit die exklusive Herausgabe an die Bildzeitung mit dem Gleichbehandlungsgebot des § 3 (insbesondere Abs. 4) IWG in Einklang steht, obsolet.“

Bild soll differenziert berichten?
Wie nun aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, entspricht das nicht der Wahrheit. Darin wird eingeräumt: „Zur Vorbereitung eines Interviews, das am 3. März 2012 erscheinen sollte und auch erschien, wurde der Redaktion vom Pressereferat des BMI ein Vorabexemplar übersandt, um eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Studie zu ermöglichen.“

Für die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dağdelen, ist diese Erklärung „heuchlerisch“. Bild sei „bekanntlich die schlechteste Wahl für eine differenzierte Berichterstattung. Ich unterstelle, dass der Minister ganz bewusst die Bild-Zeitung ausgewählt hat, um die Wahrnehmung der Studie in Richtung rechtspopulistische Stimmungsmache zu lenken“, so die Linkspolitikerin.

Rücktrittsforderung
Unter diesen Umständen müsse sich der Minister fragen, ob er noch tragbar ist. „Friedrich sollte sich den Lügenbaron von und zu Guttenberg zum Vorbild nehmen und zurücktreten“. Friedrichs Sprecher Hendrik Lörges hingegen verteidigte den Minister am Freitag: „Der Minister hatte offensichtlich keine Kenntnis, als er das so geäußert hat.“

Dağdelen nennt diesen Erklärugnsversuch „erbärmlich und eines Ministers schlicht unwürdig”. Besonders skandalös sei, „dass Friedrich und Bergner sogar die beteiligten Wissenschaftler verdächtigt haben“, so Dağdelen. Friedrich müsse sich dafür bei den Wissenschaftlern entschuldigen und gegenüber dem Parlament Rechenschaft ablegen.

Sieben Monate wegen Druckproblemen?
Und ein weiteres Detail wirft Fragen auf: Laut Auskunft der Bundesregierung lag die Studie dem Bundesinnenministerium bereits im August 2011 vor. „Aufgrund von Problemen bei der Druckherstellung konnte der Druck erst später beginnen und damit die Veröffentlichung erst am 1. März 2012 stattfinden“, so die Begründung für die Verzögerung. Wieso aber ein simples Druckproblem ein halbes Jahr lang nicht behoben und die Studie ausgerechnet eine Woche nach der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nazi-Terrors vorgestellt werden konnte, bleibt das Geheimnis des Bundesinnenministers.

Unterm Strich hat sich Friedrich durch die reißerische Bild-Berichterstattung im Vorfeld der eigentlichen Präsentation der Studie einen Vorteil verschafft. Im Zuge der medialen Aufmerksamkeit konnte er sich in Szene setzen. Auf der anderen Seite wurde der Bild-Zeitung gegenüber anderen Medien einen Auflagen steigernden Vorteil gewährt durch eine Studie, die mit öffentlichen Geldern finanziert wurde.

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht
Für den Vorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbands, Michael Konken, sind die Regeln, die es zu beachten gilt, eindeutig: Alle Medien haben „nach den geltenden Landespressegesetzen Anspruch auf Gleichbehandlung durch staatliche Stellen … Der Innenminister habe die Aufgabe, alle Medien gleich gut und ausführlich zu informieren.“

Hinzu kommt, dass Friedrich Parlament, Medien und damit die Öffentlichkeit hinters Licht geführt hat. Ob er das mit Vorsatz getan hat oder nicht, ist unerheblich. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Diesem Grundsatz folgend äußert sich auch SPD-Vizechefin Aydan Özoğuz: „Entweder ist Friedrich ahnungslos, oder er hat die Öffentlichkeit belogen. Beides ist nicht akzeptabel“.

So bleibt abzuwarten, wer welche Konsequenzen zieht. Vielleicht schon am kommenden Mittwoch. Die Linkspartei hat will, dass Friedrich und Bergner vor dem Parlament und dem Innenausschuss Rechenschaft ablegen. Die Linksfraktion hat hierzu einen Tagesordnungspunkt aufsetzen lassen. (es) Leitartikel Politik

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