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Islamunterricht à la NRW-Modell

Kein Religionsunterricht zweiter Klasse!

Ein gleichberechtigter bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht setzt verfassungsrechtliche Klarheit voraus. Die Kritik des hessischen Integrationsministers Jörg-Uwe Hahn (FDP) an NRW ist im Ton anmaßend, aber im Kern richtig - von Gerhard Merz.

Von Gerhard Merz Donnerstag, 03.05.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 08.05.2012, 15:16 Uhr Lesedauer: 9 Minuten  |  

Die seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten geführte Debatte über die Einführung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts tritt in eine entscheidende Phase. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben mit je verschiedenen „Beirats-Modellen“ nunmehr die Voraussetzungen für eine landesweit anzubietende Unterweisung in islamischer Religion geschaffen.

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In Hessen wird vermutlich in diesem Jahr – auf der Grundlage zweier Anträge islamischer Verbände und der zu diesen Anträgen eingeholten islamwissenschaftlichen und staatskirchenrechtlichen Gutachten – die abschließende Entscheidung über die Einführung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts fallen. Dieser Unterricht soll in rechtlicher und praktischer Hinsicht in strikter Analogie zu den Angeboten, die bisher von einer Reihe christlicher Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden und vom Landesverband der alevitischen Gemeinden durchgeführt werden, eingeführt werden. Ob es tatsächlich so weit kommen wird, hängt neben dem Urteil der vom Land Hessen beauftragten Gutachter auch von den internen Machtverhältnissen innerhalb der Regierungskoalition ab. Es ist offenkundig, dass gerade in der hessischen CDU der Widerstand gegen ein solches Unterrichtsfach extrem stark ist und es in der CDU-Landtagsfraktion starke islamfeindliche Kräfte gibt, allen voran der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecher Hans-Jürgen Irmer.

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Es geht um verfassungsrechtliche Gleichstellung aller Religionen, nicht um pragmatische Integrationsarbeit
Von Anfang an stand die Debatte in Hessen unter keinem guten Stern. Einerseits war offensichtlich nicht von vorneherein – und zum Teil bis heute nicht – jedem klar, dass die einzig tragfähige Begründung für die Einrichtung eines Unterrichtsfaches Islamischer Religionsunterricht (IRU) die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung aller Religionen durch den Staat als Kehrseite der religiösen Neutralität des Staates ist – und nicht etwa die Frage, welche positiven integrations- oder gar sicherheitspolitischen Wirkungen ein solches Unterrichtsfach haben könnte. Die Phantasie bei manchen, durch die Einführung des IRU könne der Islam „aus den Hinterhöfen“ herausgeholt und den berühmt-berüchtigten „Hasspredigern“ das Wasser abgegraben werden, geht am Kern der Sache vorbei. In Deutschland ist Religion ein von der Verfassung garantiertes Unterrichtsfach auch an staatlichen Schulen. Der Unterricht wird aber von den Religionsgemeinschaften in eigener Verantwortung und unter Wahrung der Trennung von Kirche und Staat und der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates angeboten. Dies ist ein Resultat der jahrhundertelangen Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Kirchen/Religionsgemeinschaften, das eben genau nicht von den erwähnten pragmatischen Überlegungen geprägt ist. Andererseits – und damit zusammenhängend – wogt die Debatte nach wie vor zwischen dem Fach IRU im strikten Sinne und den unterschiedlichsten Modellen eines islamkundlichen Ansatzes hin und her, sei es im Sinne eines staatlich zu erteilenden Islamkundeunterrichts, sei es durch entsprechende Angebote im Rahmen des Ethik-Unterrichts. Zum Teil verbirgt sich hinter solchen Denkmodellen der Wunsch nach Verhinderung des IRU, zum Teil paradoxerweise gerade der Wunsch nach beschleunigter Einführung irgendeiner Form von islamischer religiöser Unterweisung.

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Die hessische SPD-Landtagsfraktion war und ist von Anfang an der Überzeugung, dass ein ausschließlich staatlicherseits zu verantwortendes Regel-Unterrichtsfach „Islamkunde“ der verfassungsrechtlich gebotenen religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates nicht entspricht, da es nicht Aufgabe des Staates ist, einen Religionsunterricht inhaltlich zu gestalten. Träger eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts können daher einzig und allein anerkannte Religionsgemeinschaften sein. Die Notwendigkeit einer Anerkennung durch den Staat und damit verbunden die Prüfung, ob gewisse für alle Religionsgemeinschaften und Kirchen geltenden Voraussetzungen erfüllt sind, resultiert aus der Tatsache, dass das Fach als Pflichtfach an staatlichen Schulen erteilt werden soll, nicht aus dem Wunsch des Staates auf Einflussnahme auf religiöse Inhalte.

Angesichts der Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland und in Hessen und angesichts der der daraus resultierenden Pluralität muslimischer Organisationen sind auch mehrere Träger eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts in Hessen denkbar. Mit der Einrichtung eines staatlichen Unterrichtsfaches „Islamkunde“ wird außerdem nach unserer Auffassung die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung aller Religionen gefährdet, da für den Islam und für die Muslime in Hessen eine Sondersituation geschaffen und der Staat sich in unzulässiger Weise in die Belange dieser Religion und der islamischen Religionsgemeinschaften und religiösen Organisationen einmischen würde. Parallel und nicht alternativ zu einem bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht setzt sich die SPD-Landtagsfraktion außerdem für eine islamkundliche Unterweisung im Rahmen des Ethikunterrichts ein. Ethik ist Pflichtfach für alle Kinder, die nicht an einem bekenntnisorientierten religiösen Unterricht teilnehmen. Er enthält religionskundliche Elemente, daher sollte es ganz unabhängig von der Frage der Einführung des IRU selbstverständlich sein, dass im Rahmen dieses Faches die Schülerinnen und Schüler, nicht nur die muslimischen, etwas über den Islam lernen.

Weder der Islamkunde-Unterricht noch islamkundliche Anteile in Ethik können daher ein Ersatz für den IRU sein. Sie wären ein Ersatz zweiter oder dritter Klasse. Freilich setzt die aus unserer Sicht verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung der Kirchen und Religionsgemeinschaften durch den Staat ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit bei den Organisationsstrukturen voraus. Auch die islamischen Verbände müssen sich auf den Weg machen und daran mitwirken, dass die Voraussetzungen auf ihrer Seite geschaffen werden. Dabei muss die verfassungsrechtliche Lage von den Verbänden ebenso berücksichtigt werden, wie auf staatlicher Seite die Besonderheiten der islamischen Religion, der religiösen Praxis und der Organisationsgeschichte berücksichtigt werden müssen. Leitartikel Meinung

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