Özoğuz berichtet
Gnadenlos ahnungslos oder Lug und Trug? – Zum Umgang des Innenministers mit der Islam-Studie
Innenminister Friedrich hat schon so manchen Bock geschossen. Doch der Umgang mit der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“, setzt dem noch die Krone auf, schreibt Aydan Özoğuz in ihrer neuesten MiGAZIN-Kolumne.
Von Aydan Özoğuz Montag, 11.06.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.06.2012, 0:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Innenminister Friedrich hat schon so manchen Bock in seiner gut einjährigen Amtszeit geschossen, doch was die interessierte Öffentlichkeit und gerade auch wir Bundestagsabgeordneten rund um die vom Innenministerium beauftragte Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ Anfang März 2012 erleben durften, setzt dem noch die Krone auf.
Die besagte Studie gelangte vor der offiziellen Veröffentlichung durch das Innenministerium an die Bild-Zeitung, die online exklusiv am 29. Februar berichtete und markige Worte fand: “Schock-Studie” oder „Junge Muslime verweigern Integration“ – so die Verkürzungen des Boulevardblattes, welche die grundlegenden Ergebnisse der Studie gründlich konterkarierten und in ein falsches Licht zerrten. So standen wieder einmal „die“ Muslime in der Ecke der Integrationsverweigerer. Dass die Studie dagegen bestätigte, dass die Mehrheit der jungen Muslime in unserem Land vollkommen integrationsbereit und –willig ist, interessierte nicht.
Auf die umgehend einsetzende Kritik am Innenminister, in dieser unseriösen Form mit einer Studie, die nicht nur mehrere Hunderttausend Euro, sondern viele Wissenschaftler mehrere Monate Arbeit gekostet hat, umzugehen, reagierte Friedrich prompt: „Also, diese Studie ist nicht aus meinem Haus herausgegeben worden. Da müssen Sie die Bild-Zeitung fragen, woher sie sie hat, von mir nicht.“, so der Innenminister im ZDF am 1. März. Dies wiederholte er im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 7. März.
Ich fühle mich besonders von dieser Falschauskunft hintergangen, weil mir auch auf meine „Mündliche Frage“ in der Befragung der Bundesregierung in den Mittagstunden des 7. März diese Unwahrheit serviert wurde: Der Parlamentarische Staatssekretär Bergner aus dem Innenministerium erklärte mir, dass “die Unterstellung, die in dieser Frage mitschwingt, nämlich das Bundesministerium des Innern habe die Studie vorab der Bild zugeleitet, trifft nicht zu.” Den Zusatz des Staatssekretärs, “dass der Kreis der beteiligten Institute vergleichsweise groß war”, fand ich schon damals in der Fragerunde befremdlich, suggerierte er doch, dass eventuell die an der Studie beteiligten Forschungsinstitute selbst die Ergebnisse vorab weitergaben. Die Wissenschaftler waren doch selbst am meisten getroffen und betroffen von dem unseriösen Umgang des Innenministeriums, denn die Ergebnisse der Studie wurden vollkommen verzerrt dargestellt.
Auf Anfrage der Fraktion Die Linke gab die Bundesregierung dann allerdings Mitte April unvermittelt zu, dass die Studie dem Bundesinnenministerium nicht nur bereits im August 2011 vorlag, sondern auch vorab an die Bild-Zeitung gegeben worden war.
Das Verhalten des Innenministers passt leider durchaus zu einer Reihe von Vorgängen, die er seit Amtsantritt in Richtung vieler Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte aussendet: Am Tage seines Amtsantritts fühlte er sich bemüßigt, dem damaligen Bundespräsidenten Wulff sofort zu widersprechen, der Islam gehöre NICHT zu Deutschland. Schob dann aber einige Zeit hinterher, die Muslime selber gehörten schon hierher. Wenig später wurde die von Friedrich geleitete Deutsche Islam Konferenz 2011, auf der es hauptsächlich um einen akademischen Umgang mit islamischen Fragestellungen in Deutschland gehen sollte, kurzerhand wieder zu einem Sicherheitsproblem degradiert. Nun also die „Verstümmelung“ einer wissenschaftlichen Untersuchung für eine einzige, nicht einmal zutreffende Schlagzeile in der Bild-Zeitung.
Es ist kein Kavaliersdelikt, den Abgeordneten des Deutschen Bundestages in der Fragestunde falsch zu antworten. Die Fragestunde ist für mich als Abgeordnete oft die einzige Möglichkeit, an Informationen aus der Bundesregierung heranzukommen und Vorgänge ihres Regierungshandelns offenzulegen. Ein Bedauern, mir falsch geantwortet zu haben, habe ich übrigens bis heute nicht aus dem Hause des Innenministers erhalten. Aktuell Meinung
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