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Daniela Kolbes Zwischenruf

Integrationsfähigkeit der Bundesregierung ist verbesserungbedürftig

In der vergangenen Sitzungswoche kam Staatsministerin Böhmer in den Innenausschuss des Deutschen Bundestages, um über den Integrationsindikatorenbericht und den Nationalen Aktionsplan Integration zu berichten. Fazit: wenig Neues, wie gehabt politisch unverbindlich.

Von Daniela Kolbe Dienstag, 26.06.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 28.06.2012, 1:53 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Frau Staatsministerin Böhmer leitete ihre Präsentation mit den Worten ein „Migranten sind Menschen wie du und ich, die volle Teilhabe wollen.“ Stimmt. Weiter ging es: „Der Bericht zeigt einen positiven Trend, weist aber auch auf Lücken hin.“ Stimmt auch. „Die soziale Herkunft ist ein entscheidender Faktor.“ Stimmt leider auch!

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Worüber Frau Böhmer nicht spricht: Die strukturelle Schlechterstellung in der Bildung war schon vor dem Indikatorenbericht empirisch belegt. Die Bedeutung der sozialen Herkunft ist ebenfalls hinlänglich bekannt. Für den Arbeitsmarkt werden in dem Bericht nur sehr grobe Daten und daher nichts Neues präsentiert. Kein Wort über die dramatisch gesunkenen Einbürgerungszahlen, oder über die mangelnden Fortschritte bei der interkulturellen Öffnung der Verwaltung. Statt regelmäßig die Mär von Integrationsverweigerern herbeizureden, sollte die schwarz-gelbe Bundesregierung endlich den Blick für die Ursachen der strukturellen Unterrepräsentanz und Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Einwanderungsgesellschaft in den Blick nehmen. Deutschlands Integrationsfähigkeit ist verbesserungsbedürftig und sollte selbstkritischer betrachtet werden. Wir sollten auch neue Wege zur Gleichstellung von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund beschreiten, die den Bedürfnissen der Menschen begegnen und ihre Potenziale befördert.

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Stichwort Einbürgerung
Die Staatsbürgerschaft ist ein wichtiger Baustein für die volle politische und sozio-ökonomische Teilhabe in Deutschland. Mit der Staatsbürgerschaft ist das volle aktive und passive Wahlrecht verknüpft und ein vergleichsweise leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt. Es ist wichtig, dass aktiv für die Einbürgerung geworben und bestehende Hindernisse abgebaut werden. Seit 2005 ist die Einbürgerungsquote um 20 % gesunken. Dieser Trend muss umgekehrt werden. Dazu gehört auch die überfällige Abschaffung der rückwärtsgewandten Optionspflicht. Kinder die in Deutschland geboren werden und Kinder deren Eltern hier dauerhaft leben, sollten automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Wie die Bundesregierung den Abwärtstrend umkehren möchte, bleibt auch nach der Sitzung des Innenausschusses unklar.

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Stichwort interkulturelle Öffnung der Verwaltung
In dem Bericht heißt es richtigerweise, dass die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und der sozialen Dienste Motor der Integration ist. Der öffentliche Dienst verkörpert als staatliche Institution in besonderer Weise das Gesicht unserer Gesellschaft. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund insgesamt konstant bei 9 % liegt. Differenziert nach Nettoeinkommen liegt der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund mit weniger als 1100€ bei 15,7%; mit mehr als 2000€ bei 6,3 %. Die Mehrheit ist also in einfachen Tätigkeiten beschäftigt ist. Die SPD-Bundestagsfraktion hält anonymisierte Bewerbungsverfahren und verbindliche Zielvereinbarungen für geeignet, um den Anteil von Mitbürgern mit Migrationsbiographie auf allen Ebenen des öffentlichen Dienstes zügig und verbindlich zu erhöhen. Ein Konzept der Bundesregierung hierzu? Fehlanzeige.

Diese beiden Teilhabebereiche aus dem 260-seitigen Indikatorenbericht legen beispielhaft den Finger in die Wunde: Der Bundesregierung mangelt es an Integrationsfähigkeit. Die schwarz-gelbe Schaufensterpolitik mit unzähligen Integrations- oder Islamgipfeln, Integrations-Aktionsplänen und Integrationsprogrammen können eben nicht über die mangelnde Handlungsfähigkeit der Bundesregierung hinweg täuschen. Aktuell Meinung

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  1. Gabriele Boos-Niazy sagt:

    Der Artikel trifft den genau Punkt: die Regierung müsste bei den Bemühungen um die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt vorangehen, tut es aber nicht, sondern ermahnt lieber die Privatwirtschaft, sich an das AGG zu halten. Auch bei der Erstellung der DIK-Broschüre „Bessere Integration von Musliminnen und Muslimen in den Arbeitsmarkt“ (http://www.deutsche-islam-konferenz.de/SubSites/DIK/DE/BisherigeErgebnisse/PublikationPGArbeitsmarkt/publikation-arbeitsmarkt-node.html) zeigte sich dieses Sankt-Florians-Prinzip. Über unsere Vorsitzende konnten wir als Aktionsbündnis muslimischer Frauen (AmF) Anmerkungen zum Broschürenentwurf zu machen. Tatsächlich wurden einige Streichungs-und Ergänzungsorschläge übernommen, allerdings war auffällig, dass die Forderung, den Staat stärker in die Pflicht zu nehmen, auf nicht besonders fruchtbaren Boden fiel, sondern in einen allgemeinen Apell verpackt wurde. Die Formulierung: „Private und öffentliche Arbeitgeber sollten durch spezielle Fortbildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen für Führungskräfte und speziell für Personalverantwortliche sicherstellen, dass die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) eingehalten werden.“ war das maximale, was zu erreichen war. Das ist umso bedauerlicher, als die Arbeitgebervertreter sich in den Sitzungen ausdrücklich gegen die Einführung von anonymisierten Bewerbungen ausgesprochen haben und so für die staatliche Seite deutlich geworden sein muss, dass sie die Vorreiterrolle übernehmen m ü s s e n, wenn die Erhöhung der Chancen von Migranten tatsächlich gewollt ist. Das gilt insbesondere auch für die Bereiche, in denen es Publikumsverkehr gibt, wie anders sollen sich die Bürger sonst daran gewöhnen, dass Vielfalt nicht nur bei der Müllabfuhr „normal“ ist?

  2. Mel sagt:

    Herzlichen Dank Frau Gabriele Boos-Niazy,
    für diesen vielsagenden Einblick.

  3. Pragmatikerin sagt:

    !Aydan Özoguz… fordert… komischerweise kann nur ein bestimmter Kulturkreis fordern.“

    Gefühlt gibt es jeden Tag in Zeitungen und im TV eine Meldung über Migranten. So langsam ist man auf solche Artikel überdrüssig. Ich denke mal, das Grundproblem liegt ganz woanders, warum Menschen mit einem bestimmten Namenskreis und Herkunft schwerer ein Bewerbungsgespräch und einen Arbeitsvertrag bekommen.

    @Gabriele Boos-Niazy
    „… auch für die Bereiche, in denen es Publikumsverkehr gibt, wie anders sollen sich die Bürger sonst daran gewöhnen, dass Vielfalt nicht nur bei der Müllabfuhr “normal” ist??

    Ich möchte es einfach nicht, dass mir z.B. bei einer Behörde eine Dame mit Kopftuch oder Burka oder ein Mann mi weissem „Käppchen ;-) bei der Erledigung meiner staatsbürgerlichen Pflichten gegenübersitzt. Von mir aus können alle Migranten so leben wie sie möchten – aber bitte nur privat.

    Pragmatikerin

  4. Integrationsexperte sagt:

    „Ich denke mal, das Grundproblem liegt ganz woanders, warum Menschen mit einem bestimmten Namenskreis und Herkunft schwerer ein Bewerbungsgespräch und einen Arbeitsvertrag bekommen“
    @ pragmatikerin

    Das Problem liegt genau an solchen Menschen wie Ihnen, die mit Scheuklappen durch die Welt laufen und immer noch denken „Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen“.
    Es gibt unzählige Statistiken und Versuche, die belegen, dass bei gleicher oder sogar knapp besserer Qualifikation Deutsche Migranten vorgezogen werden.

    Diskriminierung nennt sich das meine Dame.

  5. Maultier sagt:

    Hallo,

    ich bin seit Abschluss meines Studiums (vor zwölf Monaten) arbeitslos. Ich habe meine Bewerbungen und Anschreiben immer von Experten kontrollieren lassen. Leider gab es nur eine Einladug zu einem Vorstellungsgespräch zu einem Praktikum, das ich auch absolviert habe. Sonst leider nichts.
    Ich weiss nicht, ob meine Situation mit meinem Studium (Pol.Wiss.) zu tun hat oder mit meinem Namen. Fakt ist, dass andere Komilitonen nach 2-3 Monaten eine Stelle bekommen haben. Ca. 50% meiner Bewerbungen gingen an die Stadtverwaltung überall in Deutschland, ca. 25% an Ministerien und ca. 25% andere Firmen, Organisationen usw.

    Grüße
    MT

  6. Pragmatikerin sagt:

    Guten Abend „Maultier“

    Es gibt in Deutschland soooooooo viele Möglichkeiten sich bei einer Firma zu bewerben. Viele Firmen schätzen es, wenn man sich z.B. „blind“ bewirbt, das heisst, seine Bewerbung gezielt an ein Unternehmen richtet, obwohl dieses kein Arbeitsplatzangebot veröffentlicht hat. Am effektivesten ist es dabei, in der Personalabteilung anzurufen und den Namen des Personalchefs/in zu erfragen und dann diese Person gezielt anschreibt. Was auch noch gut ankommt ist, dass man sich z.B. genau vorher die Produkte dieses Unterrnehmens und die Geschäftszahlen anschaut und diese in sein Bewerbungsschreiben einfliessen lässt und auch ein paar Punkte dazu schreibt und warum man dann genau der richtige Mitarbeiter wäre.

    Das „Sahnehäubchen“ wäre dann noch, wenn man diese sehr aussagekräftige „Blindbewerbung“ bei dem entsprechenden Unternehmen in der Personalabteilung persönlich abgibt. Nicht wenige haben auf diese Art einen guten Arbeitsplatz gefunden (ich spreche aus Erfahrung, denn ich kenne mich im Arbeitsrecht sehr gut aus).

    Versuchen Sie es doch einmal so, ich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg.

    Pragmatikerin

  7. Maultier sagt:

    Hallo Pragmatikerin,

    den Namen des Personalchefs zu erfragen gehört eigentlich zu meiner Routine und auch die Blindbewerbungen, denn es gibt keine Stellenanzeige, die ausdrücklich nach Politikwissenschaftlern suchen. Meine Bewerbung persönlich abgeben mache ich nur, wenn die Stelle auch in meiner Stadt ist.
    Bei der Stadtverwaltung gab es Stellen, die für mich sehr gut passen könnten, aber leider wurde ich zu einem Gespräch nicht eingeladen, obwohl die Zahl der Bewerber sehr niedrig war.
    Während meines Praktikums hat man mir eine Stelle versprochen aber dann plötzlich wurde das Budget der Abteilung verkürzt. Eine andere Stelle, die eigentlich in nicht so ferner Zukunft frei sein wird, wollte man mir nicht anbieten, da die Stelle „anspruchsvoll“ ist, obwohl die gleiche Arbeit gemacht wird, die ich auch während meines Praktikums durchgeführt habe. Ich war sooooo nah dran endlich eine Stelle zu bekommen.
    Arbeitslosengeld möchte ich auch nicht beantragen, denn vor meinem Praktikum hat mein Sachbearbeiter mir empfohlen in einem Supermarkt zu arbeiten als ein Praktikum zu absolvieren und jetzt hätte er wahrscheinlich recht, dass ein Praktikum mir nichts gebracht hat. Während meines Praktikums durfte ich kein Arbeitslosengeld bekommen, obwohl das Praktikum unbezahlt war. Das Leben geht irgendwie bergab. Ohne ein technisches Studium hätte ich wahrscheinlich im Land meiner Eltern auch keine Chance. Die Suche geht aber weiter…

  8. Cengiz K sagt:

    …Gefühlt gibt es jeden Tag in Zeitungen und im TV eine Meldung über Migranten….
    Keine Wunder, es ist auch das Migazin (!) hier… *lach*

    So langsam ist man auf solche Artikel überdrüssig. Ich denke mal, das Grundproblem liegt ganz woanders, warum Menschen mit einem bestimmten Namenskreis und Herkunft schwerer ein Bewerbungsgespräch und einen Arbeitsvertrag bekommen….

  9. Pragmatikerin sagt:

    @ „Maultier“

    Schade, ich hatte gehofft, Ihnen helfen zu können. Muss es denn eine Behörde sein, wäre ein Verlag, Press usw. auch eine Möglichkeit?

    Wenn Sie „Office von Microsoft“ gut können, wäre vielleicht auch eine Blindbewerbung bei einem Fachanwalt für Recht, Wissenschaft usw. von Vorteil bevor Sie im Supermarkt „versauern“?

    Alles Gute wünscht Ihnen

    Pragmatikerin

  10. Maultier sagt:

    @ Pragmatikerin

    Alles kommt in Frage. Verlage oder Presse suchen meist Leute, die schon Erfahrungen haben.
    Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich einem Anwalt behilflich sein könnte.
    Gestern habe ich wieder angefangen, einige akademische Auslandsämter anzurufen, ob vakante Stellen gibt, da ich schon ein langes Praktikum bei einem AAA absolviert habe. Am Montag geht es dann weiter.

    Danke sehr für die Hilfe und Infos.

    Grüße
    M