Partiziano
F.I.G.C. dich, du Rasist
Es schneiden sich die Geister am Scharfsinn eines Moderators, der sich inzwischen inmitten einer Dantesken Komödie sieht und ins Fegefeuer soll, weil er nicht weiß, welche Miene er aufsetzen oder zum Lachen besser in die Katakomben gehen soll. In jedem Fall ist die Bombe geplatzt: Spanien setzt dem Triple mit vier Toren gegen den viermaligen Weltmeister die Krone auf - in Gegenwart des Kronprinzen. Royal fatal.
Von Marcello Buzzanca Dienstag, 03.07.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 06.07.2012, 0:19 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
F.I.G.C. steht für Federazione Italiana Gioco Calcio, auf den Trikots der italienischen Nationalmannschaft und damit auch auf der Brust jener Männer, die verdient ins EM-Finale zogen und dort – ebenso verdient – gegen die überragende Furia Roja unterlagen. 4:0 stand es am Ende am Abendhimmel von Kiew. Für jeden WM-Stern, den die Azzurri auf ihrem Trikot haben, setze es einen Treffer. Das nennt man wohl Arithmetik, also zahlenmäßige Kunst.
Glaubt man Béla Rethy, dem ZDF-Kommentator des Finales, hat jener Taktik, die die Italiener seiner Meinung nach mit dem ersten Teller Nudeln zu sich nehmen, wohl die Salsa gefehlt. Warum Béla Rethy aber glaubt, dass dem Italiener die Pasta, was anderen die Muttermilch ist, bleibt offen wie mein Mund vor Schreck, als ich mit ansehen musste, wie unfehlbar das Genie von Xavi und Iniesta scheinbar ist. Aber ja, F.I.G.C. steht eben für Fußball und damit auch für Niederlagen. Doch anders als Rasenschach mit Vorhängeriegel (also Catenaccio), begeisterten die Azzurri diesmal eben auch durch Leidenschaft und durch eine Kader, der endlich einmal Mut zur Farbe und zu Super Mad Mario Balottelli bewies. Der wiederum schoß Deutschland aus dem Turnier, wobei Özil der An- und Abschlusstreffer gelang und Mehemt Scholl sich danach konsterniert fragte, warum es gerade in den wichtigen Spielen nie reiche für die deutsche Mannschaft.
Dante al dente
Zwischen den beiden Hälften hatte sich Ingo Zamperoni zu einem Bekenntnis zu eben diesen in sich hinreißen lassen: Manifesto lo stato del cuore per essemplo del viso. Das Gesicht verrät die Stimmung des Herzen. Die danach einsetzende Aufregung darüber, dass hinter diesem Anchorman-Lächeln bestimmt auch Freude über die italienische Führung stecke, und die Tatsache, dass Ingo Antonio Zamperoni als Sohn einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters sich womöglich beiden Seiten und Mannschaften verbunden fühlt, äußerte sich für die ARD in Unmengen von Unrat an Beschimpfungen. Eigentlich müsste Zamperoni doch mit Trauerflor- und miene dasitzen und sich schämen. Wahlweise könnte er ja mit seinem Lächeln in den Keller gehen. Oder in den Fundus. Da würde er wahrscheinlich auf Roberto Cappelluti mit einer neuen Late-Show treffen, Arbeitstitel: Lach net, Achmed, sonst iss basta mit Pasta! Vielen anderen Deutsch-Italienern und auch italienischen Tageszeitungen spricht der Chefredakteur von ARD aktuell, Kai Gniffke, aus der Seele (also aus der einen Seite der selbigen), wenn er sagt: „Wir lernen, dass Einwandererkinder zwar für Deutschlands Nationalmannschaft kicken dürfen, aber wenn Zamperoni in den Tagesthemen Dante zitiert, ist die nationale Ehre im Eimer.“
Sing endlich das Ding!
Dantes Divina Commedia besteht aus insgesamt 100 Gesängen, wohlgemerkt nicht aus Klageliedern. Die ihrerseits wurden laut, weil Özil und Boateng keine Lust hatten, die deutsche Nationalhymne zu singen. Als ich zum Finale vorm Fernsehr saß und inbrünstig Fratelli d’Italia schmetterte (und mir bisweilen mit einem dadadadaaa helfen musste, weil ich die eine oder andere Passage vergessen hatte), fiel es mir schwer mich zu entscheiden, ob ich den glaskaren Stimmen des Chores ausgebildeter, ukrainischer Sängerinnen oder dem etwas atonalen Gesinge der Azzurri folgen sollte. In diesem Moment zeigte die Kamera den Bruder von Mario Balottelli, wie er die italienische Hymne sang. Ob Mario selber mitsummte, habe ich dann nicht mehr gesehen. Ich dachte mir also, dass man doch eigentlich Özil und Co. dankbar sein sollte, wenn sie das tun, was sie am besten können. Und das ist zweifelsohne nicht Singen. Und je mehr Energie sie darauf verwenden, ein uraltes Lied mitzusingen, mit dessen Inhalt sie nichts verbinden (was aber nicht bedeutet, dass sie nichts mit Deutschland verbinden und verbindet), desto weniger Kraft haben sie auf dem Feld. Deshalb sind ja auch die Spanier Europameister geworden, weil die Marcha Real seit über einem Vierteljahrtausend schlicht und ergreifend ohne Worte zurecht kommt. Ergo konzentrieren sich die Spanier ganz auf die Melodie und auf den Rhythmus ihres Spiels.
Oyram Götzmez
Oyram Götzmez ist die neue Generation europäischer Nationalspieler. Ein Potpourri, Trip-Hop und Cross-Over-Geschöpf. Kein Bock auf Hymne und Lobesgesänge, sondern vielmehr Lust, einfach Fußball zu spielen. Tique-Taque-Hühnerkacke heißt’s dann auf dem Schulhof. Taktik-Schulung wird zum Pflichtfach und löst Musik ab. Und Oyram Götzmez ist zwischendrin, sitzt neben Mario Götze, Gomez und der andere Mario hat die Begabung zum runden Leder sowieso schon im Namen – Ballo-ttelli eben. Nur, was sagt der Name eigentlich aus? Im Falle von Özil, Boateng, Khedira und auch Balottelli und Ibrahimovic steht die Überlegung ganz oben auf der Liste, wie viel das Merchandising des Trikots mit diesem exotischen Namen drauf dem jeweiligen Verein und Verband an Geld in die Kasse bringt. Und überhaupt, was den MKF (Multi-Kulti-Faktor) angeht, sind dann doch eher Italien und Deutschland die wahren Europameister, findet man doch in den spanischen Reihen nur Katalanen und Basken als Exoten. Que aburrimiento!
Fragma dein Bruda
Zu dem ganzen Wirrwarr um Singsang oder Schweigen der Männer gesellen sich dann noch die immer selben Fragen der Sportreporter: Wie ist die Stimmung nach der Niederlage in der Kabine? Na, wir tanzen nackt auf dem Tisch und freuen uns, ausgeschieden zu sein, was denn sonst? Oder auch: Hat womöglich Ihre Taktik versagt? Die Antwort sollte eigentlich immer lauten: Wenn du nicht nur am Schreibtisch gesessen, sondern auch mal auf dem Platz gestanden hast, dann kannst du dir die Antwort doch wohl denken. Und wenn nicht, wieso bist du dann Sportreporter geworden? Aber ja, der Zuschauer will informiert sein, O-Töne haben, quasi mit in der Kabine sitzen. Und er will nicht hören, dass es eigentlich nichts zu sagen gibt, weil die Entscheidung auf dem Platz gefallen ist. Für alle offensichtlich. Messbar in Toren und Punkten. Jetzt aber ist die EM vorbei und ich fliege bald in den Urlaub. Mit einem italienischen Pass. Nach Spanien. Gracias, Campeones! Aktuell Meinung
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