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Erste Rücktrittsforderungen

Friedrich zunehmend in Erklärungsnot

Vernichtung von NSU-Akten, unzählige Pannen und Fehler, Benennung von Hans-Georg Maaßen zum Verfassungsschutzpräsidenten und jetzt wackelt auch der geplante NPD-Verbot. Friedrich zunehmend unter Druck.

Dienstag, 24.07.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 19.01.2022, 15:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

An eine lückenlose Aufklärung der NSU-Morde dürften nur noch die Wenigsten glauben. Zwar wurde das vom Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) versprochen, genauso wie er versprochen hat, die Aktenvernichtungen beim Verfassungsschutz und die mittlerweile unzähligen Pannen und Fehler lückenlos aufzuklären, doch die Hoffnung schwindet zunehmend.

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Laut CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, ist jetzt auch die Hoffnung auf ein NPD-Verbot dahin. „Es hat sich so gut wie erledigt“, sagte er der am Montag der Berliner Zeitung. Dabei hatten sich die Innenminister erst im März darauf verständigt, bis Herbst Beweise gegen die NPD zu sammeln und über ein neues Verbotsverfahren zu entscheiden. Nach langem Zieren wurden dafür sogar die V-Leute in der NPD-Führung abgeschaltet.

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Verfassungsschutz unglaubwürdig

Grund für den neuen Pessimismus ist die Vernichtung von NSU-Akten beim Verfassungsschutz. Das habe die Glaubwürdigkeit der Behörde so weit beschädigt, dass sich das auch auf ein Verbotsverfahren negativ auswirken könnte. „Das Material des Verfassungsschutzes, das dem Bundesverfassungsgericht in einem NPD-Verbotsverfahren vorgelegt wird, ist natürlich angreifbarer als früher“, meint Uhl. Diese Angriffsfläche würden NPD-Anwälte ausnutzen, um die Glaubwürdigkeit des Verfassungsschutzes in Zweifel zu ziehen. Dem sei schwer zu begegnen.

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Bei Lichte betrachtet ist das eine herbe Kritik an den Bundesinnenminister, der die politische Verantwortung für das bisher Geschehene trägt. Seit seinem Amtsantritt stand er vor zwei großen Herausforderungen: NSU-Aufklärung und NPD-Verbot. Beides scheint nicht zu gelingen.

Rücktrittsforderungen

So werden Stimmen laut, die seinen Rücktritt fordern. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sprach offen von „Vertuschung“ statt „Aufklärung“ und das Bundesinnenministerium trage dazu bei. Friedrich trage „jetzt die volle politische Verantwortung und muss gegebenenfalls die politischen Konsequenzen ziehen“. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion wirft ihm sogar vor, „Vertuschung der Vertuschung“ zu betreiben in Anspielung auf die Versicherung Friedrichs, die vernichteten Akten hätten mit den Nazimördern nichts zu tun. Nur einen Tag später stellte sich das Gegenteil heraus. „Wenn er dieser Aufgabe nicht gerecht wird, ist er möglicherweise der nächste, der seinen Hut nehmen muss“, so Jelpke. SPD-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss, Eva Högl, sieht es ähnlich. Friedrich scheine die Sicherheitsbehörden nicht im Griff zu haben.

Den angekündigten Neuaufbau des Verfassungsschutzapparates traut man ihm nach seiner heftig kritisierten Personalentscheidung ebenfalls nicht zu. Den Präsidentenposten beim Bundesamt für Verfassungsschutz soll nach dem Rücktritt von Heinz Fromm Hans-Georg Maaßen übernehmen. Einen Namen im Kampf gegen den Rechtsextremismus hat er sich bisher nicht gemacht.

Ausländerrechtsexperte soll rechtes Auge schärfen

Bekannt geworden ist er aber mit einem juristischen Taschenspielertrick, mit der er die Einreise des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz lange Zeit verhindert hat. Er hatte die Einreiseverweigerung Kurnaz‘ damit begründet, dass dieser sich mehr als sechs Monate im Ausland aufgehalten habe. Daher sei sein Aufenthaltsrecht in Deutschland erloschen. Dass Kurnaz nicht freiwillig Guantánamo war, sollte keine Rolle spielen.

Wegen dieses Vorgangs hatte die Freie Universität Berlin (FU) Maaßen eine Honorarprofessur verweigert. Ungeachtet dessen lobte Friedrich den neuen Präsidenten: „Er ist ein ausgewiesener Experte, ein brillanter Jurist.“ Ob Maaßen, dessen Spezialgebiet das Ausländerrecht ist, dem Verfassungsschutz am rechten Auge Sehstärke verpassen kann, wird sich zeigen; ob Friedrich dann noch im Amt sein wird ebenso. (bk) Leitartikel Politik

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