Diskriminierungsschutz
Barrieren verhindern Zugang zum Recht
Ob im Beruf oder Privatleben, in der Schule oder bei Behörden: Diskriminierungen erstrecken sich auf alle Lebensbereiche. Aber nur ein Bruchteil aller Diskriminierungsfälle gelangt vors Gericht. Das Deutsche Institut für Menschenrechte entwickelt Fortbildungen für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, mit dem Ziel, den Diskriminierungsschutz zu verbessern.
Von Nina Althoff Freitag, 31.08.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 04.09.2012, 6:32 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Wer einen nicht Deutsch klingenden Namen hat oder ein Kopftuch trägt, ist bei der Jobsuche im Nachteil. Für Menschen mit Behinderungen ist der Restaurant- oder Schulbesuch in vielen Fällen mit Hindernissen verbunden, und ältere Menschen erhalten häufig keine Versicherung oder keinen Kredit. Die Beispiele zeigen, dass Diskriminierungen zu unserem Alltag gehören. Dabei heißt es in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“.
Die Menschenrechte fordern damit nicht nur die rechtliche Gleichbehandlung, sondern auch einen wirksamen und gleichberechtigten Zugang zum Recht. Doch gerade bei Diskriminierungen ist der Zugang zum Recht – gerichtlich, wie außergerichtlich – aus unterschiedlichen Gründen erschwert. So kennen Betroffene ihre Rechte und die Möglichkeiten zur Durchsetzung oftmals nicht. Hinzu kommen strukturelle Barrieren wie mangelnde Beratungsangebote oder fehlende finanzielle Ressourcen. Die Folge: Heute gelangt nur ein Bruchteil aller Diskriminierungsfälle in die anwaltliche Beratung und noch weniger kommen vor Gericht.
Infos zum Projekt: Das Projekt „Anwaltschaft für Menschenrechte und Vielfalt“ am Deutschen Institut für Menschenrechte möchte die Beratungs- und Handlungskompetenz von Anwältinnen und Anwälten stärken. Ein breites Informations- und Fortbildungsangebot schult die Anwaltschaft darin, Menschenrechte für Gerichtsverfahren zu nutzen. Darüber hinaus bietet das Projekt Diversity-Trainings. Ziel ist es, Anwältinnen und Anwälte darin zu qualifizieren, den Bedürfnissen einer vielfältigen Mandantschaft besser begegnen zu können. Nicht zuletzt unterstützt das Projekt auch die Vernetzung zwischen Anwaltschaft und Zivilgesellschaft, insbesondere Verbänden. Das Projekt wird im Rahmen des Bundesprogramms „XENOS – Integration und Vielfalt“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert. Mehr Infos auf: www.institut-fuer-menschenrechte.de
Anwältinnen und Anwälte, die sich mit Diskriminierungsfällen beschäftigen, sollten vertraut sein mit Menschenrechten und menschenrechtlichen Verfahren, da für die erfolgreiche Rechtsdurchsetzung die Berufung auf einschlägige Menschenrechtsabkommen ausschlaggebend sein kann. Auch kann es notwendig sein, Rechtsbehelfe auf der internationalen Ebene heranzuziehen, etwa zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Bislang sind Menschenrechtsverträge jedoch kaum Gegenstand der juristischen Ausbildung: Weder im Studium oder im Referendariat noch später in der Fortbildung spielt das Verständnis für Menschenrechte eine wirkliche Rolle. Aus diesem Grund hat das Deutsche Institut für Menschenrechte Anfang dieses Jahres ein Projekt gestartet, in dem entsprechende Fortbildungs- und Informationsmodule für die Anwaltschaft entwickelt und angeboten werden (siehe auch Kasten).
Für einen wirksamen Diskriminierungsschutz müssen sich die Justiz und insbesondere die Anwaltschaft darüber hinaus für die Vielfalt der Gesellschaft öffnen. Ein Bewusstsein für Diversity verändert Haltungen und trägt zum Abbau von Zugangsbarrieren in der Anwaltschaft bei, indem etwa die Kommunikation verbessert wird, Kanzleiorganisation und –verfahren verändert sowie Hindernisse in Gebäuden beseitigt werden. Diversity-Kompetenz baut auch die „Barriere in den Köpfen“ -Vorurteile und Stereotypen – ab. Eine Diversity-Anwältin oder ein Diversity-Anwalt bietet einen barriere- und diskriminierungsfreien Service, was dazu beiträgt, Konflikte zu verringern und die Qualität der anwaltlichen Dienstleistung zu sichern. Obwohl inzwischen verschiedene Juristenverbände mehr Diversity-Kompetenz in der Justiz fordern, hat die Mehrheit der Kanzleien in Deutschland die Bedeutung von Diversity-Konzepten bislang nicht erkannt. Lediglich einige große internationale Anwaltssozietäten verfügen über eine Diversity-Strategie; in dem in Deutschland überwiegenden Segment mittlerer und kleinerer Anwaltskanzleien ist dies nicht der Fall.
Informationsabend: Am 12. September 2012 veranstaltet das Deutsche Institut für Menschenrechte einen Informationsabend zum Projekt „Anwaltschaft für Menschenrechte und Vielfalt“. Unter dem Thema „Barrieren beim Zugang zum Recht und die besondere Rolle der Anwaltschaft beim Schutz vor Diskriminierung“ hält Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Instituts, einen Einführungsvortrag; danach folgt eine Podiumsdiskussion. Wer gerne mehr über das Projekt erfahren möchte, ist herzlich willkommen. Eine Einladung finden Sie auf www.institut-fuer-menschenrechte.de
Neben der Anwaltschaft spielen auch Verbände eine wichtige Rolle im Diskriminierungsschutz und effektiven Rechtszugang. So verfügen Verbände über verschiedene Möglichkeiten, sich an Gerichts- und Beschwerdeverfahren zu beteiligen: Sie können Betroffene über ihre Rechte aufklären, sie zum Gericht begleiten und dort vertreten. Diese Möglichkeit stellt für ratsuchende Personen neben der anwaltlichen Beratung eine wichtige Unterstützung dar. Verbände haben zudem die Möglichkeit einer Verbandsklage, allerdings nur im Bereich der Behindertengleichstellungsge- setze und im Verbraucherschutz.
Am Deutschen Institut für Menschenrechte ist kürzlich das Online-Handbuch „Aktiv gegen Diskriminierung“ erschienen. Verbände finden darin einen Überblick über die nationalen und internationalen Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten in Gerichts- und Beschwerdeverfahren zum Diskriminierungsschutz mit Praxisleitfäden und Checklisten. Das Handbuch steht zur Verfügung unter: www.aktiv-gegen-diskriminierung.de. Aktuell Meinung
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