Anti-Islam Video
Eine muslimische Perspektive
Die Mehrheit der weltweiten muslimischen Bevölkerung fragt sich, wie solch ein lächerliches, dubioses anti-islamisches Amateurvideo soviel Aufruhr und Wut auslösen kann - ein Kommentar von Zeyneb Sayılgan.
Von Dr. Zeyneb Sayılgan Montag, 17.09.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 19.09.2012, 7:39 Uhr Lesedauer: 7 Minuten |
In diesen Tagen gehen Bilder von wütenden Muslimen, die Botschaften und Konsulate in Ägypten, Libyen, im Sudan und Yemen angreifen oder in Brand setzen, um die Welt. Auch wenn dies nur eine kleine Minderheit der weltweit 1,5 Milliarden Muslime darstellt und in vielen muslimischen Ländern friedvoll protestiert wird, sind es diese Gewaltakte und der Tod von Unschuldigen, die sich in unseren Köpfen einprägen und die man nicht so leicht vergessen kann.
Im globalen Zeitalter beeinflussen diese Vorfälle das Verhältnis von Muslimen und Nichtmuslimen auf der ganzen Welt und bringen lang anhaltende negative Nachwirkungen mit sich. Islamophobie kommt nicht von ungefähr. Und so müssen sich friedfertige Muslime in Deutschland und anderswo von diesen Abscheulichkeiten oftmals distanzieren und erklären, dass der Islam Gewalt, Chaos, Selbstjustiz und Anarchie auf das Schärfste ablehnt und verurteilt. Es ist leider schon gang und gäbe, dass jeder Muslim unter Generalverdacht gestellt wird.
Gleichzeitig fragt sich die Mehrheit der weltweiten muslimischen Bevölkerung, wie solch ein lächerliches, dubioses anti-islamisches Amateurvideo soviel Aufruhr und Wut auslösen kann. Mal ganz ehrlich: Wenn man sich über jeden niveaulosen Beitrag im Internet aufregen würde, käme man zu gar nichts mehr. Natürlich kann man in einer taktvollen und respektvollen Art und Weise von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen und den Propheten Muhammad kritisieren. Und selbst wenn die Kritik provokativ, respekt- und taktlos sein sollte, bietet dies noch lange keine Legitimation für Gewalt und Wutausbruche. Um es in den Worten des Gesandten Muhammad zu formulieren: „Der wahre Starke ist nicht derjenige, der in einem Ringkampf siegt, sondern der wahre Starke ist derjenige der sich in seinem Zorn beherrscht.“ 1
Viele Muslime fragen sich, warum diese Menschen ihre Energien und Emotionen nicht in einem konstruktiven Masse ausnutzen und sich zum Beispiel gegen die Ungerechtigkeiten in Syrien starkmachen, oder warum sie nicht etwas gegen den Menschenhandel von weiblichen syrischen Flüchtlingen nach Saudi-Arabien oder Jordanien unternehmen, oder die steigenden sexuellen Belästigungen von Frauen in Ägypten verurteilen, oder eben andere viel wichtigere Probleme ansprechen. Wie Der Spiegel berichtete, hat Dumari, eine beliebte syrische Satire-Facebook-Seite, die Krawalle folgendermaßen kommentiert: „Die Araber sind sehr emotional. Filme bringen sie zum Lachen, zum Weinen, zum Toben, zum Ausflippen und zum Töten. Aber wenn sie sehen, wie in Syrien Moscheen und Kirchen bombardiert, Korane verbrannt und Frauen beleidigt werden, kümmert es sie nicht. Weil es kein Film ist, sondern Realität. Wir wünschten, was gerade in Syrien passiert, wäre ein Film. Wenigstens dann würden die Araber etwas für uns tun.” Dass die Prioritäten in der muslimischen Gemeinde ganz klar falsch ausgerichtet sind, steht außer Frage.
Nach dem arabischen Frühling befinden sich viele muslimische Gesellschaften in einer kritischen Umbruchphase. Frustration über Korruption, Arbeitslosigkeit, Bildungslosigkeit, fehlende Infra- und instabile Regierungsstrukturen. Hinzu kommt Wut auf den Westen aufgrund schwacher Unterstützungsleistungen. Und schließlich sind da auch noch gewisse Gruppierungen, die den Moment ausnutzen, um diese Demonstranten für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen. All das kann als Erklärung dienen, doch rechtfertigen sie keine Gewaltakte. Der Koran ist voll mit Empfehlungen an die Muslime, sich nicht auf provokative Angriffe einzulassen und nicht mit emotionalen Wutausbrüchen zu antworten. Hier nur ein Beispiel: Das Gute und das Böse sind fürwahr nicht gleich. Wehre (das Böse) mit Besserem ab, und schon wird der, zwischen dem und dir Feindschaft war, dir wie ein echter Freund werden. 2
Der Koran erwartet von Gläubigen immer höhere Standards als von anderen, ganz gleich wie schlimm die Situation sein mag. Die Heilige Schrift zeichnet kein rosiges Bild über diese Welt – sie ist unter anderem ein Ort der Prüfung und der Herausforderung. Der einzelne Gläubige wird sich stets in Situationen wiederfinden, die ihm unbequem erscheinen, ihn herausfordern und ihn idealerweise über sich selbst hinauswachsen lassen. Begegnungen mit Menschen, die Moses, Jesus, Josef oder Muhammad ablehnen, infrage stellen oder beleidigen wird es immer wieder geben. Aus biblischer und koranischer Perspektive ist dies ein immer wiederkehrendes Muster. Dass diese von gottgesandten Propheten in solchen Situationen stets bedacht und mit Barmherzigkeit reagierten, scheint von einigen vergessen. 13 Jahre hat der Prophet Muhammad in Mekka Unterdrückung und Folter aushalten müssen, ohne ein einziges Mal selbst Gewalt anzuwenden, in der Stadt Taif wurde er von Menschen, bei denen er Zuflucht gesucht hatte, gesteinigt, und als er 10 Jahren nach seiner unfreiwilligen Auswanderung nach Madina Mekka zurückeroberte, erließ er eine Generalamnestie, die jeden seiner ehemaligen Widersacher und Feinde unter seinen persönlichen Schutz stellte.
Seine Feinde nannten ihn einen Lügner, Magier, Besessenen, Wahnsinnigen. Im christlichen Mittelalter wurde Muhammad in polemischen Schriften als Anti-Christ oder Epileptiker bezeichnet und in Dante’s Die Göttliche Komödie: Inferno in die Tiefen der Hölle gesetzt. Für die Muslime hat dies das Ansehen ihres „Propheten der Barmherzigkeit“ in keinster Weise geschädigt und viele empfinden heute nicht weniger als Anas, dem berühmten Prophetengefährten, der vor 1400 Jahren folgende Worte sprach: „Ich habe weder Seide noch Samt berührt, die weicher war als die Hand des Gesandten Gottes, und ich habe nie einen Duft gerochen, der angenehmer war als der Geruch des Gesandten Gottes. Ich habe Gottes Gesandtem zehn Jahre lang gedient, und er hat mich niemals geschimpft, und wenn ich etwas tat, fragte er niemals: ‚Warum hast du das gemacht?’ oder ‚Hättest du doch das getan!’ wenn ich etwas nicht getan hatte.“ 3
Dass der Prophet selbst an Kriegen und Schlachten teilnahm, wird keiner verleugnen. Konflikte und Auseinandersetzungen gehören zur Realität, auch im fortschrittlichen 21. Jahrhundert, in dem noch immer unschuldige Zivilisten getötet werden und der Feind nicht klar definiert ist. Muslime haben die Teilnahme des Propheten an Kriegen nie als negativ empfunden. Für sie ist es nur natürlich, dass eine Botschaft die so universal ist wie der Islam, auch diese Konfliktfelder ansprechen und Menschen ethische Standards und Ideale bieten muss, damit sie erfahren was in solchen Situationen moralisch vertretbar ist oder nicht.
Ein Blick in die islamische Rechtsliteratur genügt, um zu sehen, wie sich der Gesandte Muhammad in solchen Kriegszeiten verhielt: Die feindliche Partei wurde auf offenem Feld empfangen, diplomatischen Vertretern wurde Immunität und Schutz auf muslimischem Boden garantiert, Kirchen und Synagogen durften nicht zerstört werden, Frauen, Kinder und Zivilisten und Menschen, die ihrer Arbeit nachgingen, durften nicht attackiert werden, Bäume durften nicht geschädigt oder ausgerissen werden. Juden und Christen wurden unter der „Verfassung von Madina“ gemeinsam mit den Muslimen größtenteils Religionsausübung garantiert. Im Laufe der medinensischen Periode jedoch konspirierten einige Stämme mit den Widersachern in Makka und da Verrat und Verfassungsbruch als ein großes Verbrechen galt, wurden diese Stämme bestraft, genauso wie heute Staatsverrat oder Verfassungsbrüche bestraft werden. Doch solche Ereignisse wurden von Muslimen als isolierte Einzelfälle betrachtet und verstoßen nicht gegen das koranische Ideal, Frieden und Harmonie anzustreben. Wer sich noch ein genaueres Bild davon machen möchte, warum Muslime Muhammad den „Propheten der Barmherzigkeit“ nennen, dem sei die Seite des Koordinationsrats der Muslime zu empfehlen oder diese Seite.
In diesen Tagen ist es besonders für Muslime schmerzvoll mitanzusehen, wie das Andenken ihres geliebten Propheten von Muslimen selbst beschmutzt wird. Der Koran aber ermutigt die Gläubigen nicht in Hoffnungslosigkeit zu verfallen oder sich zu demotivieren. Stattdessen sollten solche Situationen als Gelegenheit genutzt werden, um menschliche Potenziale auszuschöpfen, im guten Charakter zu wachsen und sich langfristig mit Nichtmuslimen weiterhin gemeinsam für das Gute einzusetzen. Genauso wie die Gesandten, die in den schwierigsten Situationen niemals aufgaben, heißt es nun noch stärker gegen Ignoranz in den eigenen Reihen und außerhalb anzugehen, um Ungerechtigkeiten gemeinsam entgegenzuwirken: „Jene, die bereitwillig spenden, sei es in Glück oder im Unglück, und die ihre Wut bezähmen und den Menschen vergeben – und Gott liebt die, die Gutes tun.“ 4
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@Faktum: Und was ist nun mit den Banu Quraiza? Ich mein, einen ganzen Stamm auszulöschen bzw. die Frauen und Kinder in die Sklaverei zu verschleppen, weil einzelne den Feinden Nahrung gegeben haben, zeugt mMn nicht allzu sehr von Menschlichkeit, wie kann man das umdeuten?
@ AI
1. Persönliche Angriffe in einer Diskussion offenbaren immer Schwäche und Unsicherheit. Wenn sie schon nicht auf mein Argument eingehen wollen bringen sie das nächste mal besser ein weiteres Nonsensargument.
2. Wer ist „wir“, wer ist „ihr“? Was soll diese dämliche Unterscheidung und Gegenüberstellung immer wieder? Davon ab (darauf wollten sie wohl hinaus): Ich bin kein Deutscher. Bin ich jetzt ein besserer Mensch?
3. Man vergleicht keine Äpfel mit Birnen. Das Leben des Bryan ist eine – in meinen Augen sehr gelungene – Komödie. Der hier diskutierte Film eine politisch und religiös motivierte Provokation eines amerikanisch-koptischen Filmemachers. Anbei die Frage: Was glauben sie würden die in der Kritik stehenden Muslime zu einem Pyton´schen „Leben des Mo“ sagen?
Grüße
Bierbaron
@Faktum
Poeten waren schon immer auch Propagandawerkzeuge, nicht nur zur damaligen Zeit. Dass Mohammed mit seiner Botschaft nicht nur Zustimmung erfahren wird, muss ihm von Anfang an klar gewesen sein. Ob man den Fall Ka’b ibn al-Ashraf als Tötung eines missliebigen Kritikers oder als Ermordung eines Hochverräters aus Gründen der Staatsräson betrachtet, ist eine Wertung, die an den historischen Fakten aber nichts ändert: Mohammed hat die Beseitigung eines seiner Gegner in Auftrag gegeben. Wenn Sie dies dahin missverstehen oder missverstehen wollen, dass ich den Propheten als rachsüchtigen Führer darstellen will, irren Sie sich. Ich habe in meinem vorherigen Posting bereits darauf hingewiesen, dass jeder Mensch immer auch ein Kind seiner Zeit ist. Wenn man damals mit Kritikern dergestalt umgegangen ist, dass man sie für immer zum Schweigen gebracht hat, dann war das eben so.
Bedeutung erlangen diese Vorgänge erst dadurch, dass die Autorin Mohammed als Musterbeispiel an Barmherzigkeit beschreibt, dessen Strahlkraft bis heute fort wirkt. Nach heutigen Maßstäben ist es aber alles andere als barmherzig, seine Gegner ermorden zu lassen. Diese These kann daher nicht unwidersprochen bleiben. Hier hätte die Autorin vollständig arbeiten müssen, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Ausschreitungen, weil sich einige Muslime und deren geistige Führer direkt auf den Umgang des Propheten mit seinen Gegnern berufen und die Gewaltausbrüche damit rechtfertigen.
@Bierbaron: Dann nennen Sie sich halt nicht Bierbaron. Die Assoziation zu Bier und „mir kommts hoch“ hat sich halt angeboten.
1) Das war mein Beweis, dass Humor relativ ist
2) Auch das war ein humoristischer Beitrag zu Ihrer Anmerkung von „Ihr und Wir“. Das waren Sie, nicht ich. Ich bin Deutscher. Ich mache keine Unterschiede, ausser: Die sind dort, wir sind hier. Hierzulande zündet man „nur“ Kinos an, wenn Jesus so dargestellt wird (Biberach, 80er Jahre)
3) Auf sowas wart ich schon lang. Haben Sie Lust? Ich spiel den M., Sie können ja Abu Bakr spielen. Vielleicht haben wir Erfolg
Sie regen sich über mich auf, nicht aber über den Kopten, der seine eigenen Leute in Ägypten, und alle christl. Minderheiten in arab. Ländern in Lebensgefahr bringt, nur weil er im sicheren Hafen der USA liegt.
Sie regen sich über mich auf, nicht aber über den Kopten, der seine eigenen Leute in Ägypten, und alle christl. Minderheiten in arab. Ländern in Lebensgefahr bringt, nur weil er im sicheren Hafen der USA liegt.
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Ist der Produzent, der Regisseur und die Schauspieler von Tal der Wölfe dann auch schuld, wenn irgendwo ein Türke oder türkischstämmiger Deutscher totgetreten oder angezündet wird?
@Zara: Es tut mir leid, aber, wenn Sie sich sowas anschauen, und sich dann darüber echauffieren, dass es jemand falsch verstanden hat… Was glauben Sie mit wem Sie reden? Hören Sie lieber türkischen Rap, als sich mit billigen Propaganda-Soaps über Wasser zu halten, dann wissen Sie welche Psychopathen bei diesem Thema einem über den Weg laufen. Oder welches Opfer vertreten Sie? Natürlich ist er schuld!!!!! Dass zu Ihrer Frage. Und nun…?
@Al
Tut mir leid, aber ein Video (egal wie mies) kann keine Menschen umbringen. Der Regisseur von dem Schmäh-Film ist nicht Schuld an den Ausschreitungen. Es sind alleine die Menschen Schuld die sich die Mühe gemacht haben in den entsprechenden Ländern gegen dieses Video zu demonstrieren. Ob der Regisseur nun Kopte war oder nicht, interessiert Keinen.
Es waren radikale Muslime die sich einen Grund gesucht haben mal wieder alles in Schutt und Asche legen zu können und das Video kam da gerade recht.
Das Problem ist nicht das Video und auch nicht der Regisseur. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder die entsprechenden Länder in denen Mohammed nicht gezeigt werden darf führen Zensuren ein oder der Westen muss dafür Sorgen, dass solche Videos in islamisch geprägten Ländern nicht aufgeführt oder gesehn werden können. Es scheint ja ganz klar Probleme mit der freien Meinungsäußerung in manchen Ländern zu geben. Ich glaube man kann aber nicht verlangen, dass man diese Videos auch bei uns im Westen abschafft. Wenn Muslime bei uns leben müssen sie halt wissen, dass dies Teil unserer freiheitlichen Grundrechte sind, genauso wie Religionsfreiheit von der alle profitieren.
Eine Religion oder ein „heiliges“ Buch dürfen von jedem aufs Korn genommen werden, da die Interpretation des Korans oder der Bibel nicht alleine das Recht der Muslime bzw. Christen ist. Wenn niemand will, dass man sich über seine Religionen lustig macht, dann muss er seine Religion ganz aus der Öffentlichkeit heraushalten. So sind die Spielregeln!
@Mercks: Ich habe auch keine Schuldzuweisung hinsichtlich des M.-Videos gemacht, es ging da um eine Serie im türk. Fernsehen (denke ich). Religion ist sowieso Privatsache. Ich bin auch nicht der Meinung, dass das M-Video nicht gezeigt werden „darf“. Ich meine, dass wir uns hier nicht foppen lassen von einer Minderheit, die ihre Meinung zur Mehrheitsmeinung stilisiert, daher auch der Vergleich zu Lichtenhagen, dort hat es auch eine Minderheit (?) geschafft ,dass das Recht auf Asyl eingeschränkt wurde. In diese Fall soll das Recht auf freie Meinungsäusserung eingeschränkt werden. Nicht weil die Muslime hierzulande das wollen, sondern wegen eines Mobs.
@Al
Ihre Aussagen ergeben keinen Sinn. Es wäre schön, wenn Sie sich verständlicher ausdrücken.
@Al:
Ihrem letzten Posting stimme ich vollständig zu