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Multikulti lebt, gescheitert ist Heinz Buschkowsky

Neukölln ist überall, behauptet Heinz Buschkowsky in seinem neulich erschienen Buch, indem der langjährige Bezirksbürgermeister die „bitteren Wahrheiten“ über das gescheiterte Multi-Kulti „aufdeckt“.

Von Vykinta Ajami Mittwoch, 26.09.2012, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 30.09.2012, 22:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Seit elf Jahren bekleidet Heinz Buschkowsky das höchste Amt des Bezirks. Und nun … gescheitert. Die Krönung einer Bürgermeisterkarriere mit einem Buch zum Abschluss ist kein Aufdecken der bitteren Wahrheiten, denn die sind längst bekannt. Der eigentliche Höhepunkt ist die Präsentation einer gescheiterten Führung des Bezirks, mit einer infantilen Schuldzuweisung über die sozialen Probleme an die Migranten.

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Genau am 21. September, als das Buch mit einem Bestsellerpotenzial – ähnlich wie bei Sarrazin – erschienen ist, bin ich zufällig in Neukölln und betrachte das Straßenbild des Bezirks gezwungenermaßen mit einem neuen Blick. Nichts Neues: die Straßen frei – kein 3-Spuren-Parken, keine Straßengangster oder ähnliche Bilder von Buschkowsky´s Neukölln. Multikulti ist dort lebendig und in friedlicher und bunter Weise nach wie vor allgegenwärtig. Gescheitert ist nicht Multikulti, gescheitert ist ein Bürgermeister, der über die Menschen, deren erster Ansprechpartner er über ein Jahrzehnt lang ist, mit so wenig Empathie und so viel Herabwürdigung schreibt.

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Heinz Buschkowsky beschreibt sein Bezirk mit angsteinflößenden Bildern, die das Verhalten der Migranten darstellen sollen – möglichst pauschal. Sein Neukölln ist, „wo man dem Busfahrer die Cola über den Kopf schüttet, wenn er nach dem Fahrschein fragt“, wo „man durch den Supermarkt zieht, Waren nimmt, an der Kasse vorbeimarschiert, ohne zu bezahlen, und der Kassiererin klarmacht, was ihr droht, wenn sie die Polizei holt“ usw. usf. Wenn man von Sarrazin gehört hat, kennt man auch Buschkowsky – ungefähr.

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„Das alles macht einfach nur schlechte Laune. Schon beim Lesen“, bekräftigt der Autor seine Beispiele mit Emotionen. Da sind wir uns endlich einig. Finde ich genauso. Schon beim Lesen dieses Buches übernimmt einen die schlechte Laune. Und in noch einem Punkt sind wir uns mit Heinz Buschkowsky einig: „Dieses ständige demonstrative Nichtbeachten von Umgangsformen wie Höflichkeit oder Rücksichtnahme, der einfachsten Regeln, wie man sich in der Öffentlichkeit gegenüber anderen benimmt. Das ist es, was die Leute fragen lässt: Wo bin ich denn hier eigentlich?“ Jawohl! Ich frage mich auch, wo die Höflichkeit und Rücksichtnahme hin sind.

Buschkowskys Neukölln ist zum Glück nicht überall. Und solche Bürgermeister auch nicht. Es gibt zum Beispiel den Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Dr. Franz Schulz. Ein benachbarter Bezirk mit vergleichbarem Anteil der Einwohner mit der Migrationsgeschichte und ähnlicher sozialer Lage. Das interkulturelle Leben meistert Franz Schulz in Kreuzberg mit Engagement und Herz. Multikulti ist in dem von ihm regierten Bezirk nicht gescheitert. Und das ist das Produkt seiner Einstellung: „Nein, das ist völliger Unsinn“, entgegnete Franz Schulz in einem Interview im Jahr 2011 auf die Frage, ob er die Auffassung seines Bürgermeister-Kollegen aus Neukölln über das gescheiterte Multikulti teile. Schulz verharmlost die Probleme eines multikulturellen Stadtteils nicht, spricht aber von gemeinsamen Regeln in einer Stadtgesellschaft.

In Berlin-Neukölln stigmatisiert der Bezirksbürgermeister lieber die knappe Hälfte der Bezirksbewohner – die Migranten. Da hilft auch sein kläglicher Versuch nicht, den schwarz auf weiß dokumentierten Rassismus abzumildern – er „meine niemals alle Einwanderer“. Vielen Dank auch, Herr Bürgermeister! Erwähnen Sie bitte namentlich diejenigen, die Sie nicht gemeint haben, in der nächsten Auflage, damit die Bürger ihre Blicke genauer adressieren können.

Sowohl die Geschichte als auch die Gegenwahrt kann man sowohl mit negativen als auch mit positiven Beispielen belegen. Hat ein Bürgermeister keine positiven Beispiele bezüglich Multikulti vorzuführen aus einem Bezirk, in dem Menschen aus mehr als 150 Herkunftsländern leben, dann ist er den Menschen nicht nah genug. Ein Jahrzehnt wäre ein vernünftiger Zeitraum gewesen, um ein Best Praxis Beispiel vorzuführen. Vielmehr versucht er als Autor auf Rechnung der Migranten, ein Paar Euro dazu zu verdienen. Für irgendwas müssen die Migranten doch gut sein! Bei Sarrazin hat es ja auch funktioniert. Aktuell Meinung

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  1. Hyper On Experience sagt:

    @Cengiz:

    Auffällig und dem Abbau von Klischees nicht gerade förderlich ist in Ihren Kommentaren immer wieder Ihre latente bis offene Aggression, wenn Ihnen die Sachargumente ausgehen. Woher wissen Sie eigentlich, dass meine einzige Analyse „der Moslem war’s“ ist? Habe ich das irgendwo geschrieben? Aber interessant, dass sie selbst „den Moslem“ ins Spiel bringen, übrigens auch etwas, dass sich in Ihren Beiträgen zum Automatismus entwickelt hat. Dann müssten Sie, wenn es nicht zu viel verlangt ist, allerdings schon mal erläutern, wer „der Moslem“ überhaupt sein soll und was dieser Moslem denn Schlimmes verbrochen hat, dass man ihm den Stempel „der war’s“ aufdrücken könnte. Möglicherweise übersehen Sie einfach nur, dass die Integrationsdebatte deswegen so heißt, weil es um die Integration von Migranten und nicht nur um Integration von Moslems geht. Hier täte Ihnen eine Erweiterung Ihres Blickwinkels gut. Und schließlich: Andere als dumm zu bezeichnen, weil Ihnen ihre Meinungen nicht passen, ist Stammtischniveau. So etwas tut man nicht und darüber sollten sie sich mal ein paar Gedanken machen, bevor das nächste Mal zur Tatstatur greifen.