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Rassismus in deutschen Medien

Warum Sandy beliebter ist als Nilam oder Son Tinh

Während der Hurrikan 'Sandy' für eine gefühlte Live-Berichterstattung in Deutschland sorgte, blieben die zwei weiteren großen Stürme der vergangenen Woche weitgehend unbeachtet. Die Berichterstattung offenbart einen unausgesprochenen rassistischen Konsens, in dem weiße Opfer Vorrang haben.

Von Freitag, 02.11.2012, 8:29 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 23.10.2015, 17:26 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Drei Stürme haben diese Woche für große Zerstörungen weltweit gesorgt, doch in Deutschland wird man vermutlich nur den Namen von einem Unwetter kennen: der Hurrikan Sandy. Der Wirbelsturm traf am Dienstag auf die Ostküste der USA und sorgte dort für mehrere Dutzend Tote und vermutlich Milliardenschäden.

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Doch währenddessen wüteten in Asien zwei weitere Stürme. Wenige Tage vor Sandy war der Taifun Son Tinh durch die Philippinen gezogen und hatte dort 27 Menschen getötet, danach traf er auf Vietnam und Südchina. In Vietnam sollen sieben weitere Menschen gestorben sein, die Dächer von 13.000 Häusern und fast 20.000 Hektar Reisland zerstört worden sein; in Südchina gab es Überflutungen. Am Mittwochabend traf hingegen der Zyklon Nilam auf die indische Ostküste und tötete bereits in den ersten Stunden zwei Menschen – glücklicherweise, so meldeten dortige Offizielle, hatte sich Nilam abgeschwächt und werde keine so großen Schäden verursachen wie gedacht.

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Doch schon die oben aufgeführten Informationen fehlten in deutschen Medien, während zu ‚Sandy‘ eine regelrechte Sturmflut von Artikeln hereinbrach. Auf Spiegel-Online konnte man die Entwicklungen zum ‚Supersturm‘ fast stündlich verfolgen, die Nachrichtenseite bot außerdem Webcams und Fotoblogs, in denen man das Geschehen quasi live verfolgen konnte. Übertrumpft wurde Spiegel Online allerdings von der Süddeutschen, die kurzerhand einen Liveticker einrichtete – in der taz dagegen, sorgten pathetische Reportagen für menschelnde Tiefe.

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Durch die extensive und intensive Berichterstattung wurde New York fast zur Erweiterung deutscher Städte. Das Sturmgeschehen konnte man verfolgen, als wäre es ein Bundesligaspiel – wenn nicht in live übertragenen Bildern, dann doch wenigstens im Liveticker. Mit den Betroffenen konnte man beim Internet- oder gar Stromausfall mitfühlen. Es war, als wäre die Katastrophe nur wenige Straßen entfernt. Dagegen schienen die Küstenstädte von Indien und Vietnam soweit entfernt, wie sie es tatsächlich sind.

Dass sich deutsche Journalisten mehr mit den Bewohnern der US-Ostküste und weniger mit denen Indiens oder Vietnams identifizieren, ist ein einfacher Fall von rassistischer und klassistischer Homophilie: in deutschen Redaktionen sitzen vor allem weiße Menschen, akademisch gebildet und gutverdienend. Zu ihrer Ausbildung gehört meist ein Auslandsaufenthalt, häufig in den USA. Wenn sie dort nicht selbst gewohnt haben, so haben sie wenigstens Freunde und Bekannte dort. Mit den Leiden eines Stromausfalls und dem Stopp des Börsenhandels ist näher an ihrem Alltag als das Leid indischer Fischer und vietnamesischer Bauern, deren Existenzen bedroht sind und die vermutlich niemals Strom- oder gar Internetanschlüsse hatten. Es ist ein rassistischer Konsens, der weiße, wohlhabende Opfer bevorzugt und in Deutschland offenbar Medien aus dem gesamten politischen Spektrum vereint – auch jene, die sich gerne antirassistisch geben.

Besonders deutlich ist diese Vorliebe in den Nachrichtenagenturen abzulesen: ‚Sandy‘ formierte sich am 22.10., seitdem gab es mehr als 1.000 Meldungen der internationalen und deutschen Nachrichtenagenturen zum Thema; zu ‚Son Tinh‘ dagegen, der bereits am 21.10. entstand, gab es während dieser Zeit ganze 17 Meldungen; zu ‚Nilam‘ hingegen berichtete allein die Deutsche Presseagentur in zwei Meldungen, jeweils drei Zeilen lang, jeweils im Ressort ‚Vermischtes‘.

Im Gegensatz zu Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern sind Nachrichtenagenturen rein geschäftliche Einrichtungen. Sie müssen sich gesellschaftlich nicht rechtfertigen, sich nicht als Träger der Meinungsfreiheit oder Wächter über die Demokratie anpreisen – sie machen Geschäfte und verkaufen diejenigen Nachrichten, die eben nachgefragt werden. Was zählt ist, dass sie diese möglichst schnell und billig an die Kunden liefern.

Bei deutschen Medien war ‚Sandy‘ nachgefragter als ‚Nilam‘ oder ‚Son Tinh‘.
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  1. aloo masala sagt:

    @Tai Fei – zum Fehlschluss in der Analogie

    Ihnen unterläuft erneut ein Fehlschluss bei der Analogie wie im ersten Fall.

    Der Fehler im Falle der ungebildeten Türken vs der gebildeten Journalisten war wie folgt:
    – Die Analogie: Sachverhalte A und B haben beide die Eigenschaft x.
    – Ihr Fehlschluss: Sachverhalte A und B sind nicht vergleichbar, weil B die Eigenschaft y hat, A aber nicht.

    Der Fehler im Falle der Journalisten und Köche. war wie folgt:
    – Die Analogie: Sachverhalte B2 und C haben beide die Eigenschaft z.
    – Ihr Fehlschluss: B2 hat nicht die Eigenschaft wie B, deswegen ist die Analogie falsch.

    Es spielt also keine Rolle, ob es TAZ-Journalisten, ÖR Journalisten, Handwerker, Politiker, Trainer oder sonst etwas ist. Die zweite Analogie diente lediglich dazu ihren Fehlschluss der ersten Analogie aufzudecken.

  2. aloo masala sagt:

    @Tai Fei


    Sie scheinen sich bei Ihrer Rassismus-Definition von Extrembeispielen beeinflussen zu lassen. Rassismus liegt aber bereits vor, wenn die Gleichrangigkeit in Frage gestellt wird.

    Ich bat Sie darum, uns zu erklären, was Sie unter Rassismus verstehen. Sie hielten das für unnötig und wurden patzig. Daraufhin habe ich die in der Rassismusforschung wohl am weitesten verbreitete Definition von Albert Memmi zugrunde gelegt.

    Schaut man sich Ihre Vorstellung von Rassismus genauer an, so endet man doch wieder bei der für Sie extremen Variante, nämlich bei Albert Memmi. Was bedeutet es denn, wenn Rassismus darauf abzielt, die Gleichrangigkeit von Gruppen in Frage zu stellen?

    Es bedeutet, dass man zunächst zwei Gruppen als verschieden betrachtet. Das ist die Grundvoraussetzung für jede Rangfolge.

    Es bedeutet, dass man anschließend die eigene Gruppe höher und die andere niedriger bewertet. Das erzeugt die Rangfolge.

    Es bedeutet schließlich,dass auf unzulässige Weise verallgemeinert wird. Das stellt die Rangfolge auf konsistente Weise sicher.

    Der Haken mit der Rangfolge ist, dass der Begriff noch dehnbarer ist. Ungleicher Rang liegt in vielen Lebensbereichen vor. Zum Beispiel in der Hierarchie in einem Unternehmen, beim Sport, usw. Deswegen ist die Rangfolge alleine als Definition von Rassismus zu schwach, um eine der schlimmsten menschenfeindlichen Gesinnungen zu beschreiben.

    Nach der Antwort von Lalon Sander steht fest, dass seine Schlussfolgerung eine bloße Unterstellung ist, die er nicht begründen kann. Sie beruht auf eigenen Interpretationen und Mutmaßungen.

    Wenn ich als Inder in Deutschland eher über Sandy als Nilam berichte, dann folgt das nicht einem rassistischen Konsens, sondern schlicht meiner Überzeugung, dass ich in Deutschland die Nachricht über Sandy für relevanter als die über Nilam halte. So wie ich auch die recht seltenen Attentatsversuche in Deutschland für die deutschen Leser für relevanter als die fast täglich statt findenden Terrorattentate in Indien halte. In Indien wäre es dann genau umgekehrt. Mir in diesem Fall einem latenten rassistischen Konsens zu unterstellen, weil ich mich eher mit weißen Opfern statt mit den Opfern meiner Landsleute identifiziere ist schlicht eine Frechheit.

  3. aloo masala sagt:

    @Tai Fai – Tsunami

    Für einen Rassisten ist die Ungleichwertigkeit von zwei Gruppen ein Prinzip und keine Gelegenheitsoption. Ein Rassist hätte nicht über den Tsuami 2004 oder voll subtiler Häme darüber berichtet.

  4. Tai Fei sagt:

    aloo masala sagt:
    13. November 2012 um 04:57
    „@Tai Fei – zum Fehlschluss in der Analogie
    Ihnen unterläuft erneut ein Fehlschluss bei der Analogie wie im ersten Fall.
    Der Fehler im Falle der ungebildeten Türken vs der gebildeten Journalisten war wie folgt:
    – Die Analogie: Sachverhalte A und B haben beide die Eigenschaft x.
    – Ihr Fehlschluss: Sachverhalte A und B sind nicht vergleichbar, weil B die Eigenschaft y hat, A aber nicht.
    Der Fehler im Falle der Journalisten und Köche. war wie folgt:
    – Die Analogie: Sachverhalte B2 und C haben beide die Eigenschaft z.
    – Ihr Fehlschluss: B2 hat nicht die Eigenschaft wie B, deswegen ist die Analogie falsch.
    Es spielt also keine Rolle, ob es TAZ-Journalisten, ÖR Journalisten, Handwerker, Politiker, Trainer oder sonst etwas ist. Die zweite Analogie diente lediglich dazu ihren Fehlschluss der ersten Analogie aufzudecken.“

    Mir unterläuft da kein Fehler. Es ging nicht um gebildet, ungebildet oder irgendeine Berufsgruppe A oder B. Mir ging es um die Diskrepanz aus Anspruch und Realität. Ich kann keine öffentliche Meinungshoheit für mich beanspruchen ohne zumindest den Versuch ein objektives Korrektiv anzuwenden. Darauf zielt meine Bemerkung zum Unterschied zwischen Privatmedien und öffentlich-rechtlichen.

    „Der Haken mit der Rangfolge ist, dass der Begriff noch dehnbarer ist. Ungleicher Rang liegt in vielen Lebensbereichen vor. Zum Beispiel in der Hierarchie in einem Unternehmen, beim Sport, usw. Deswegen ist die Rangfolge alleine als Definition von Rassismus zu schwach, um eine der schlimmsten menschenfeindlichen Gesinnungen zu beschreiben.“
    Die Rangfolge im Sport ergibt sich aber aus den Leistungen und ist zumeist empirisch belegbar. Rassismus hat doch seinen Ursprung nicht in empirischen Daten, auch wenn diese gerne zum „Beleg“ mit herangezogen werden. Unternehmenshierarchie greift hier ebenfalls nicht wirklich, auch wenn es da ja durchaus nachweisbaren Rassismus gibt. Die Forderung nach anonymisierten Lebensläufen kommt ja nicht von ungefähr.

    „Nach der Antwort von Lalon Sander steht fest, dass seine Schlussfolgerung eine bloße Unterstellung ist, die er nicht begründen kann. Sie beruht auf eigenen Interpretationen und Mutmaßungen.“
    Ja, auch ich würde sagen, dass Lalon Sanders Schlussfolgerung auf Interpretation beruht. Wie soll man mit journalistischen Mitteln eine Gesinnung nachweisen? Die Schlussfolgerung ist jedoch durchaus legitim zumal SANDY ja auch nur ein Bsp. ist. Die Betonung liegt auf „Ein“ (darf ich leider nicht groß scheiben, da es sonst wieder ignoriert wird). Ferner haben Sie doch mit dem gleichen Problem zu kämpfen. Es ist auch eine Unterstellung von Ihnen, dass die Rangfolge; Sie bemerken den Hinweis?; in der Berichterstattung eben nicht auf rassistischen Motiven fußt. Sie haben hier nämlich selber ein sehr fragliches Bsp. gegeben:
    „Wenn ich als Inder in Deutschland eher über Sandy als Nilam berichte, dann folgt das nicht einem rassistischen Konsens, sondern schlicht meiner Überzeugung, dass ich in Deutschland die Nachricht über Sandy für relevanter als die über Nilam halte.“
    Warum sollte Sandy relevanter in DE sein als Nilam. Beide Stürme haben nur indirekte Auswirkung auf das Leben in DE. Beide Stürme verursachen enorme Zerstörungen und haben zahlreiche Opfer gefordert in einem sehr zeitnahmem Kontext, nichts davon jedoch in DE. Warum also sollte hier ein Ereignis eine höhere Relevanz besitzen als das andere? Wenn Sie sich diese Frage stellen, kommen Sie doch zum Kern!

    „So wie ich auch die recht seltenen Attentatsversuche in Deutschland für die deutschen Leser für relevanter als die fast täglich statt findenden Terrorattentate in Indien halte. In Indien wäre es dann genau umgekehrt. Mir in diesem Fall einem latenten rassistischen Konsens zu unterstellen, weil ich mich eher mit weißen Opfern statt mit den Opfern meiner Landsleute identifiziere ist schlicht eine Frechheit.“
    Das Bsp. funktioniert im Zusammenhang mit dem Artikel nicht so ganz. Wir sprechen ja über Ereignisse in Drittländern.

    „aloo masala sagt:
    13. November 2012 um 05:37
    @Tai Fai – Tsunami
    Für einen Rassisten ist die Ungleichwertigkeit von zwei Gruppen ein Prinzip und keine Gelegenheitsoption. Ein Rassist hätte nicht über den Tsuami 2004 oder voll subtiler Häme darüber berichtet.“
    Warum, auch ein Rassist muss sich seine Brötchen verdienen? Was die Häme betrifft, wie schon gesagt, Sie arbeiten hier gerne mit Extrembegriffen. Subtile Bewertungen finden sich aber durchaus in „unseren“ Qualitätsmedien. So führen afghan. „Terroristen“ ihre „Anschläge“ grundsätzlich aus dem „Hinterhalt“ aus. Kommt Ihnen diese Begriffskombination bekannt vor? Simple militärische Abläufe werden hier begrifflich eindeutig negativ konnotiert. Ich gebe zu, das Bsp. greift auch nicht so ganz, da „wir“, also DE, ja in Afghanistan direkt involviert sind, also noch zusätzlich eine Feindstaaten-Klausel an Bedeutung gewinnt.

  5. aloo masala sagt:

    @Tai-Fei – Analogie


    Mir unterläuft da kein Fehler. Es ging nicht um gebildet, ungebildet oder irgendeine Berufsgruppe A oder B. Mir ging es um die Diskrepanz aus Anspruch und Realität.

    Zur Erinnerung: Ich brachte die Analogie in einem Kommentar an Lalon Sander ins Spiel. Sie nahmen daraufhin Bezug auf diese Analogie. Es spielt deswegen überhaupt keine Rolle, worum es Ihnen ging, sondern worum es in der Analogie ging. Mit anderen Worten, sie schreiben am Thema vorbei, haben damit zum großen Teil zwar auch recht, widerlegen damit aber die Analogie nicht, sondern offenbaren nur, dass Ihnen ein Fehler in der analogen Inferenz unterlaufen ist. Worin Sie recht haben und warum sie einen Fehlschluss unterliegen habe ich Ihnen mit A, B und C versucht zu erklären. Sollten Sie es immer noch nicht verstanden haben, erkläre ich es Ihnen gerne noch einmal. Ich bin ein sehr geduldiger Mensch.

    Was unsere Debatte über Rassismus angeht, so gehen wir wohl von zwei völlig unterschiedlichen Vorstellungen aus. Das ist legitim, denn es gibt keine allgemein akzeptierte Definition. Was jedoch Ihrer Vorstellung von Rassismus völlig fehlt ist, dass sie bestimmte Mechanismen von Gruppenkonflikten nicht mehr zwingend beinhaltet und daher den menschenfeindlichen Kern des Rassismus völlig verwässert und verharmlost.

    Denn der indische Journalist, der eine Nachricht über Sandy in Deutschland für relevanter als eine Nachricht über Nilam in Indien hält, identifiziert sich mit weißen Opfern (Unterstellung) und stellt implizit über einen rassistischen Konsens eine Rangfolge zwischen weißen und indischen Opfern her (auch Unterstellung).

    Die Relevanz einer Nachricht wird sehr stark von kulturabhängigen Faktoren beeinflusst, ohne dass damit zwingend eine „ablehnende Haltung“ gegenüber Gruppen zum Ausdruck gebracht wird, die weniger häufig erwähnt werden. Ihre ganze Argumentation basiert auf dieser Unterstellung, die in ihrer Verallgemeinerung ja schon fast einen rassistischen Charakter hat.

  6. Tai Fei sagt:

    aloo masala sagt:
    13. November 2012 um 12:40
    „Zur Erinnerung: Ich brachte die Analogie in einem Kommentar an Lalon Sander ins Spiel. Sie nahmen daraufhin Bezug auf diese Analogie. Es spielt deswegen überhaupt keine Rolle, worum es Ihnen ging, sondern worum es in der Analogie ging. Mit anderen Worten, sie schreiben am Thema vorbei, haben damit zum großen Teil zwar auch recht, widerlegen damit aber die Analogie nicht, sondern offenbaren nur, dass Ihnen ein Fehler in der analogen Inferenz unterlaufen ist. Worin Sie recht haben und warum sie einen Fehlschluss unterliegen habe ich Ihnen mit A, B und C versucht zu erklären. Sollten Sie es immer noch nicht verstanden haben, erkläre ich es Ihnen gerne noch einmal. Ich bin ein sehr geduldiger Mensch.“
    Na dann zeigen Sie mir das bitte noch einmal auf. Besagte Analogie bezog sich auf dieses Posting:

    aloo masala sagt:
    9. November 2012 um 09:03

    in deutschen Redaktionen sitzen vor allem weiße Menschen, akademisch gebildet und gutverdienend. Zu ihrer Ausbildung gehört meist ein Auslandsaufenthalt, häufig in den USA. Wenn sie dort nicht selbst gewohnt haben, so haben sie wenigstens Freunde und Bekannte dort. Mit den Leiden eines Stromausfalls und dem Stopp des Börsenhandels ist näher an ihrem Alltag als das Leid indischer Fischer und vietnamesischer Bauern, deren Existenzen bedroht sind und die vermutlich niemals Strom- oder gar Internetanschlüsse hatten. Es ist ein rassistischer Konsens, der weiße, wohlhabende Opfer bevorzugt und in Deutschland offenbar Medien aus dem gesamten politischen Spektrum vereint – auch jene, die sich gerne antirassistisch geben.
    —-
    Ist es schlimm gebildet zu, Freunde in den USA zu haben und gutes Geld zu verdienen? Ist Lalon Sander selbst nicht gebildet und hat er keine Freunde oder Bekannte in den USA?
    Wie auch immer, auch diese Vorwürfe klingen ähnlich wie aus dem Sarrazin-Lager, nur dass nicht nur die falschen Typen am Schalthebel sitzen, sondenr auch fehlende Bildung und falsche Kontakte zum Manko werden:
    Im Gemüsehandel sitzen vor allem ungebildeten Türken und Araber, die kaum deutsch sprechen. Die türkische Kundschaft identifiziert sich vor allem mit ihren Landsleuten und schert sich nicht darum, dass dem deutschen Gemüsehandel die Kundschaft weg bricht. Das Geschehen in ihrem Heimatland interessiert sie mehr als das was in Deutschland passiert, obwohl sie hier bei uns auf der Tasche liegen. bla bla bla“

    Vielleicht verstehe ich etwas falsch, aber wie kann man beides kombinieren. Haben Gemüsehändler einen gesellschaftlichen Auftrag oder behaupten dass auch nur von sich? Beide Analogien sind doch nicht vereinbar.

    aloo masala sagt:
    13. November 2012 um 12:40
    „Denn der indische Journalist, der eine Nachricht über Sandy in Deutschland für relevanter als eine Nachricht über Nilam in Indien hält, identifiziert sich mit weißen Opfern (Unterstellung) und stellt implizit über einen rassistischen Konsens eine Rangfolge zwischen weißen und indischen Opfern her (auch Unterstellung).
    Die Relevanz einer Nachricht wird sehr stark von kulturabhängigen Faktoren beeinflusst, ohne dass damit zwingend eine “ablehnende Haltung” gegenüber Gruppen zum Ausdruck gebracht wird, die weniger häufig erwähnt werden. Ihre ganze Argumentation basiert auf dieser Unterstellung, die in ihrer Verallgemeinerung ja schon fast einen rassistischen Charakter hat.“

    Mal davon abgesehen, dass es im Artikel selbst ja nicht um indische Journalisten geht, halte ich Ihre Schlussfolgerung für nicht zutreffend. Wenn also ein indischer Journalist in DE die Nachrichten von SANDY relevanter findet als von NILAM, dann imho weniger auf Grund einer persönlichen Identifikation sondern mit der tatsächlichen oder unterstellten Relevanz für den Kunden/Abnehmer. Besagte „kulturabhängige Faktoren“ sind ja bereits rassistische Tendenzen. Es findet also bereits eine Bewertung in der Rangfolge statt. Das muss nicht unbedingt in feindliche Absichten umschlagen. Das ist lediglich eine Form allgemeiner Xenophobie. Darauf hat der westl. Kulturkreis auch keinesfalls das Monopol. Ich sehe hierin auch gar keine Verwässerung oder gar Verharmlosung sondern eher die Mahnung an jeden von uns, diesen Tendenzen jederzeit entgegen zuwirken, da sich aus solch einfachen und kleinen Formen des Rassismus eben ganz schnell eine Katastrophe ergeben kann. Ich sehe es grundsätzlich als täglichen Kampf. Und hier setzt ja meine Kritik an den ÖR-Medien im Besonderen an. Es ist einfach nicht akzeptabel, gemessen am Anspruch, hier solche komplett unterschiedlichen Gewichtungen in der Berichterstattung zu tolerieren. Die ÖR-Anstalten sind nicht von Quoten abhängig und müssen keine „kulturabhängigen Faktoren“ berücksichtigen. Wenn Sie aber eben diesen Tendenzen nachgeben, dann müssen sie sich auch den Vorwurf des Rassismus gefallen lassen.
    Man mag ja angeben, die Anderen halten es ebenso. In Indien wird ebenfalls eher über Dinge im eigenen Kulturkreis berichtet. Das ist ganz sicher richtig. Nur ist das der Maßstab? Weil jeder seinen kleinen Rassismus pflegt, darf man dass dann auch?

  7. aloo masala sagt:

    @Tai Fei

    Zur Analogie:
    Eine Analogie deckt nicht die Realität vollständig ab, sondern fokussiert sich auf die miteinander zu vergleichenden Eigenschaften.

    Beispiel: A und B haben Eigenschaften x und y. Aber B hat Eigenschaft z, die A nicht hat.

    Die Analogie besteht darin A mit B über x und y zu vergleichen. Die Analogie erhebt aber keinen Anspruch, dass A alle Eigenschaften von B hat.

    Im Beispiel mit den ungebildeten Türken (A) und gebildeten Journalisten (B) werden nicht Eigenschaften bzgl des gesellschaftlichen Auftrags (z) verglichen, sondern die Art und Weise wie Sander und Sarrazin sich über eine Gruppe äußern.

    —–

    Zum Rassismus: Wie gesagt, wir haben eine unterschiedliche Auffassung von Rassismus. Ich halte von Ihrer Auffassung nichts, weil sie Rassismus verwässert und damit verharmlost. Warum, habe ich Ihnen im letzten Beitrag zu erklären versucht. Sie ignoren den wichtigen Aspekt der Gruppenkonflikte und unterstellen bereits bei Identifikation mit einer Gruppe einen rassistischen Hintergrund bedingt durch eine implizite Rangfolge.

    Widersprüchlich ist, dass Sie bei Lalon Sanders Äußerungen über die gebildeten weißen Journalisten, die gut Geld keinen Rassismus erkennen wollen. Nach Ihren Kriterien liegt hier implizit auch eine Rangfolge von guten und schlechten Journalisten vor. Demnach haben wir nach Ihrem Kriterium blanken Rassismus vorliegen.

  8. Lalon sagt:

    @aloo masala

    Vermutlich werden wir wirklich nicht zu einer Übereinstimmung kommen. Wir haben, glaube ich, sehr unterschiedliche Verständnisse von Rassismus: während Sie immer wieder eine „menschenfeindliche Haltung“ suchen versuche ich Ihnen zu erklären, dass ich nicht von einer persönlichen Haltung ausgehen, sondern von einer Struktur. Indem viele einzelne auf eine Weise handeln, schließen sie eine Gruppe systematisch aus.

    Dafür scheinen für mich keine Gründe gegeben zu sein, wenn man tatsächlich nur von den Ereignissen ausgeht, denn ihre Merkmale ähneln sich sehr. Doch systematisch wird ihnen eine unterschiedliche Bedeutung zugewiesen, eine strukturelle Menschenfeindlichkeit aber nicht unbedingt eine persönliche. Auch das ist Rassismus.

    In diesem Sinne ist meine Bezeichnung dieser Struktur gar nicht als Vorwurf gegen Einzelne gedacht, sondern als Aufruf zum Nachdenken über die Konsequenzen dieses Handeln, eben diesem rassistischen Konsens.

    Sie sollten sich wirklich fragen, warum Sie in Deutschland Berichterstattung über Sandy relevanter finden als über „ihre Landsleute“. Womit begründen Sie denn diese unterschiedliche Bewertung ähnlicher Ereignisse? Und warum rechtfertigen Sie diese?

    – Lalon Sander

  9. Mo sagt:

    @Lalon
    Das Problem mit Ihren Definitionen ist, dass Sie zwar etwas so definieren können, dass Ihre Argumentation am Ende nicht falsch ist, aber die Kommunikation insgesamt falsch wird. Sprache funktioniert nicht so, dass man klar definierte Begriffe benutzt oder sich bei jeder Unterhaltung an vorher festgelegten Definitionen abrabeitet. Wenn Sie sich in der Öffentlichkeit äußern, müssen Sie ein allgemeines Verständnis eines Begriffs benutzen. Sie können nicht z.B. einen eher harmlosen Begriff von Rassismus intern verwenden, um dann Rassismus zum Bespiel auf eine Aussage wie „Weiße Journalisten sind rassistisch“ zu übertragen, wo sie dann billigend in Kauf nehmen, dass der in dieser Aussage benutzte Begriff „rassistisch“ so verstanden wird, wie er im allgemeinen verstanden und angewandt wird.

    Solche Definitionen werden Sprache nie gerecht. Jeder Begriff hat ein Bedeutungsfeld (das sich auch ändern kann), was nicht über eine Definition zu erfassen ist, sondern über ein breites Spektrum an Aussagen, das mit diesem Begriff zusammen hängt. Man kann sich dennoch einigermaßen gut verständigen, da der größte Teil des Bedeutungsfeldes bei den Menschen, die an der Kommunikation beteiligt sind, übereinstimmen. Wie das im einzelnen funktioniert, kann Ihnen ein Sprachwissenschaftler besser erklären. Aloo Masala hat vollkommen recht, wenn er sagt, dass Ihre Rassismus-Definition den Begriff verwässert. Wenn dann aber ein verwässerter Begriff wiederum übertragen wird, um in unverwässerter Form eine Aussage zu belegen, die nur in verwässerter Form richtig ist, dann hört der Spaß auf.

    Zu den Wirbelstürmen: Sie bauen Ihre Argumentation einzig und allein auf den Opfern der Stürme auf. Nachrichtlich gesehen sind aber die Opfer (über die im übrigen auch bei den anderen Stürmen berichtet wurde) schnell erledigt. Man teilt mit. Trauer und Bedauern ist nicht Aufgabe der Medien und würde einen auch eher irritieren. Bei Sandy wurde über viele damit einhergehende Nebenschauplätze berichtet, z.B. der abgesagt NY-marathon, die Auswirkungen auf den US-Wahlkampf etc. Auch Haiti kam mehrmals in der Berichterstattung vor. Man könnte sagen, schade, dass über die anderen Stürme so wenig berichtet wurde. Dann müsste man fragen, woran es lag. Dies zu ergründen würde Recherche bedeuten und das Ergebnis wäre offen. Da ist dann scheinbar einfacher, man schreibt „irgendwas mit rassistisch“, weil das gerade gut kommt.

  10. aloo masala sagt:

    @Lalon

    Ich sehe es auch so, dass wir sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was Rassismus ist. Dabei stelle ich fest, dass Ihre Vorstellung von Rassismus nicht dem „state-of-the-art“ entspricht, weder in der Forschung noch in der UNESCO.

    Allen Definitionen ist gemein, dass Rassismus in erster Linie eine Ideologie ist, also eine Geisteshaltung und damit eine persönliche Haltung. Sie aber gehen nicht von einer persönlichen Haltung aus, sondern von Strukturen, deren Seiteneffekt der gleiche sein könnte, wie beim Rassismus.

    Man kann es auch anders formulieren: Nur weil das Ergebnis unter dem Strich das gleiche wie beim Rassismus ist, bedeutet das noch lange nicht, dass ein rassistischer Konsens in der Gesamtgruppe vorliegt. Nicht das Ergebnis, sondern das Motiv ist entscheidend.

    Gruß

    aloo masala