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Diversity Management

Interkulturelle Ausrichtung des öffentlichen Dienstes

Der Ausgangspunkt einer diversity-sensiblen öffentlichen Verwaltung ist die Annahme, dass ressourcenorientiert individuelle Entwicklungsalternativen für jeden Menschen unabhängig von Merkmalen der Differenz zuverlässig strukturell möglich sind.

Von Antonietta P. Zeoli Dienstag, 13.11.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 15.11.2012, 8:25 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Der Hamburger Senat fördert seit 2006 mit der Kampagne „Wir sind Hamburg! Bist Du dabei?“ die Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund in Studiengängen der Justiz, Verwaltung, Polizei und Feuerwehr. Jährlich werden bis zu 600 Ausbildungs- und Studienplätze bedarfsorientiert angeboten, zu rund 90 Prozent in Form von Beamtenausbildungen. Die deutsche Staatsangehörigkeit ist dabei keine zwingende Voraussetzung, um Beamtin bzw. Beamter der hamburgischen Verwaltung zu werden. Seit Beginn der Kampagne konnte der Einstellungsanteil junger Menschen mit Migrationshintergrund von 5,2 auf 16,5 Prozent angehoben werden.

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Berlin konnte mit der Kampagne „Berlin braucht dich!“ im Zeitraum von 2006 bis 2011 den Anteil von 8,6 Prozent der Auszubildenden im öffentlichen Dienst, die einen Migrationshintergrund haben, auf17,5 Prozent anheben. Die politischen Rahmenbedingungen bildete das 2010 verabschiedete Partizipations- und Integrationsgesetz. Ziel ist es, den Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung anzuheben. 1 Bewegung ist auch in der Bundeswehr und in der Polizei bundesweit zu verzeichnen 2.

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„In Deutschland leben rund 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. […] Trotzdem ist der Anteil der Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst gemessen an ihrem Anteil an der Erwerbsbevölkerung vergleichsweise gering.“ Cornelia Rogall-Grothe – Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern. (Clavis, 02/2012. S. 4ff.)

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Zurückzuführen ist der Erfolg auf eine hohe Zahl von ineinander greifenden Aktivitäten insbesondere einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit, der Zusammenarbeit mit Migranten-Organisationen, beispielsweise Ehrenamtler von Public Diversity e. V., und einem verstärkten Angebot an interkulturellen Fortbildungen, von durchgängiger Sprachbildung bis zur interkulturellen Elternarbeit. 3

Die Forderung nach Chancengleichheit im öffentlichen Dienst wird zunehmend in allen Bundesländern lauter 4. Es fehlt allerdings an konkreten Umsetzungsstrategien. Hamburg bildet in dem Kontext eine wohltuende Ausnahme. Die Forderung nach mehr Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst geht in der Regel mit der Anstrengung einher, politische wie pädagogische Akteure dazu zu befähigen, sich kritisch mit dem Mythos der Normalität der sie umgebenden Strukturen und Prozesse zu befassen.

Welche Hindernisse gilt es zu überwinden?
Knapp 50 Jahre sind seit der ersten Arbeitsmigration nach Deutschland vergangen. Die Institutionen unserer Demokratie spiegeln die zunehmende gesellschaftliche Vielfalt nicht wider. Der Grad erreichter Gleichberechtigung und Integration scheint sich derzeit an der Zahl durchgeführter Projekte im Bereich dieser Thematik zu bemessen. Experten weisen allerdings immer wieder darauf hin, dass nicht die Anzahl der Projekte der Indikator für erfolgreiches integrationspolitisches Handeln ist, sondern inwieweit Migrantinnen und Migranten an politischen Entscheidungen teilhaben und Zugang zu verwaltungspolitischer Macht haben. Die Positionen der Menschen in einer Mehrheitsgesellschaft zu integrationspolitischen Themen, die ein hohes gesellschaftliches Ansehen genießen, sind von Bedeutung. Somit sollten erfolgreiche wie prominente Personen des öffentlichen Lebens mit und ohne Zuwanderungsgeschichte besonders aufgefordert werden, durch differenzierte Diskurse negativen Stereotypisierungen und den daraus resultierenden Vorurteilen entgegenzuwirken. Dies gilt auch für Vorhaben im öffentlichen Dienst.

Die Projekte im Bereich Integration setzten allerdings nach wie vor auf homogenisierende Muster, die sich auf eine Zielgruppe aus einem bestimmten Zuwanderungsland konzentriert. Aber auch unter vermeintlich homogenen Gruppen ist die Geschichte der Zuwanderung durchaus unterschiedlich:

Im Kontext von Zuwanderung wird allzu oft keinerlei Unterscheidung getroffen zwischen jenen

  • die kommen wollen,
  • die kommen sollen,
  • die kommen müssen,
  • die kommen dürfen.

Darin erschöpft sich die Differenz noch lange nicht:

  • die als „Gastarbeiter“ kamen und geblieben sind,
  • die Pendel – Migranten und die
  • die deutsche Bildungselite mit Migrationshintergrund.

Sowohl die vielfältigen Herkunftsgeschichten als auch die unterschiedlichen Glaubenszugehörigkeiten und Bildungshintergründe der Bevölkerungsgemeinschaft bilden die Grundlage für kulturelle Vielfalt. Mit dieser Tatsache sehen sich die etablierten Verwaltungseinheiten konfrontiert. Es ist wichtig, eine nachhaltige interkulturelle Öffnung sowie eine Anerkennungs- und Willkommenskultur zu fördern und dabei alle gesellschaftlichen Kräfte einzubeziehen. Menschen mit Migrationshintergrund für Kommunalpolitik zu gewinnen, kann ebenfalls dazu beitragen.

Der öffentliche Dienst – Ein Aufstiegskanal für Zugewanderte?
Ist eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst ein Aufstiegs- und Integrationskanal für Migrantinnen und Migranten der ersten oder zweiten Generationen? Beim öffentlichen Dienst handelt es sich um ein Segment, in dem aufgrund strikter Beförderungskriterien Ausgrenzungen tendenziell eher außer Kraft gesetzt sind – müsste man annehmen. Das Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst weist eine hohe Arbeitsplatzsicherheit und standardisierte Aufstiegswege, Gleichstellungsregelungen und Teilzeitarbeitsmöglichkeiten auf. So scheint, könnte dieser Beschäftigungssektor gerade für Migrantinnen und Migranten als besonders attraktiv gelten 5. Zudem gibt es in jüngerer Zeit auch ein verstärktes Interesse etwa von größeren Städten und Gemeinden, Personen mit Migrationshintergrund zu beschäftigen. Die Realität ist dennoch ernüchternd:

So sind, zum Beispiel Lehrkräfte mit Migrationsbiographie, in den Lehrerzimmern Deutschlands nach wie vor eine Ausnahme 6. „In Nordrhein-Westfalen befindet sich derzeit keine Schulleiterin bzw. kein Schulleiter nicht deutscher Herkunft im Amt“, so Cahit Basar vom Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte in Nordrhein-Westfalen. Lehrkräfte, Verwaltungsfachangestellte oder/und Ministerialbeamte mit Migrationshintergrund berichten von systemischen Ausgrenzungsmechanismen 7.

  • Herstellung ethnischer Differenz 8
  • Zuschreibungsmechanismen 9
  • Vorurteilsparadigma 10

Diese Art der Ausgrenzung ist anonym und wird durch die Legitimation organisatorischer Verteilungsprozesse oftmals überdeckt 11.

Interessant in diesem Kontext ist die Frage, inwieweit aufgrund der Beschäftigung im öffentlichen Dienst die strukturelle und kulturelle Assimilation von Migrantinnen und Migranten im Sinne des Spracherwerbs mit religiösen und kulturellen Traditionen der Herkunftsländer vereinbar sind.

Ein Beispiel: Wie verbinden Angestellte islamischen Glaubens im öffentlichen Dienst den von Max Weber idealtypischen Habitus des Berufsbeamtentums mit ihrer religiösen Tradition?

Abschließende Gedanken
Bei den beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Migrationshintergrund handelt es sich um eine selektive Gruppe. Es fehlen derzeit Forschungen darüber, welche Merkmale sozialer Herkunft und der Bildungsbiographie die Chance auf eine Anstellung im öffentlichen Dienst beeinflussen.

Für autochthone Beamte, die sich im Integrationsbereich über Jahre erfolgreich profiliert haben, trifft jener Effekt zu, der zuvor eine ganze ausländische Arbeitergeneration durchlebt hat. Durch die Beschäftigung der „Gastarbeiter“ im Niedriglohnbereich bekamen deutsche Arbeiter, die zuvor im identischen Segment gearbeitet hatten, erstmals die Möglichkeit, beruflich und sozial aufzusteigen. Die vielen erfolgreichen Zuwanderer in Deutschland werden oftmals als „Vorbilder“ vermarktet oder wahlweise als „Integrationsexperten“ erforscht. Verwechslungen von Ethnizität und Nationalität oder von pädagogischen und politischen Begriffen sind hinderlich in der interkulturellen Ausrichtung öffentlicher Institutionen.

Neben zahlreicher Problemkonstellationen gibt es natürlich auch „Erfolgsgeschichten“ gelingender Vorhaben zur interkulturellen Ausrichtung öffentlicher Institutionen. Trotz ungünstiger individueller und institutioneller Ausgangsbedingungen gibt es erfolgreiche Bildungs- und Erwerbskarrieren im öffentlichen Dienst 12. Der Ruf nach mehr Menschen mit Migrationshintergrund impliziert allerdings auch die Aufgabe institutionalisierte Entscheidungsmacht an Zuwanderer abzugeben.

Ist Deutschland bereit für die Generation von Migrantinnen und Migraten, die als Ausländer kamen und als Bürger geblieben sind?

  1. http://www.berlin-braucht-dich.de/, Zugriff: 26.09.2012, 21.00 Uhr
  2. http://www.netzwerk-iq.de/fileadmin/redaktion/Publikationen/09_clavis/clavis_02_2012_web.pdf
  3. www.hamburg.de/bist-du-dabei, Zugriff: 01.10.2012, 10.33 Uhr
  4. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2011/12/2011-12-27-integration-hauptartikel.html;jsessionid=C50BA801D9ECBF85D301E300FE6AA6AE.s2t1
  5. Vgl. Migration und soziale Ungleichheit: Integrationschancen zwischen Institution und Biographie. Graduate School of Social Science. Antrag an die Hans-Böckler-Stiftung auf Einrichtung eines Graduiertenkollegs Univerisität Bremen. Mai 2007. http://www.bigsss-bremen.de/fileadmin/gsss/files/Doktoranden-Stipendien_Thema.pdf. Zugriff: 25.09.2012, 9.00 Uhr.
  6. http://www.schulministerium.nrw.de/ZBL/Wege/Zuwanderungsgeschichte/
  7. Karim Fereidooni. Schule – Migration – Diskriminierung. VS Verlag, 2011. S. 23ff.
  8. Situation in der Lehrerkonferenz nach 12jähriger Unterrichtserfahrung am Gymnasium mit einem neuen Kollegen in der Fachkonferenz Englisch. Zitat: „Du bist Italienerin? Italiener können echt schlecht Englisch.“
  9. Situation in der Gruppenlagebesprechung der Stadtverwaltung Düsseldorf: „Sie sind doch Türke. Sie machen einmal einen Entwurf für das Eltern-Cafè türkischer Mütter.“
  10. Situation im Vorstellungsgespräch – eine persisch-stämmige Muslimin ohne Kopftuch. Zitat des Abteilungsleiters im Berliner Senat: „Tragen Sie kein Kopftuch? Entschuldigen Sie die Nachfrage, aber von vielen türkischen
  11. Vgl. Gomolla / Radtke. Institutionelle Diskriminierung. 3. Auflage VS Verlag. 2003.
  12. Vgl. Portes & Baumann. Bedeutung der ausländischen Selbständigen für den Arbeitsmarkt und den sektoralen Strukturwandel. Expertise für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 1999.
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