Polizei in Hoyerswerda
Verlasst die Stadt! Wir können euch nicht helfen.
Die Geschichte wiederholt sich in Hoyerswerda. Rund 20 Jahre nach den Ausschreitungen macht die Stadt erneut Schlagzeilen mit Nazis. Schon wieder muss die Polizei Menschen aus der Stadt bringen – diesmal mit dem „guten“ Rat, den Ort dauerhaft zu verlassen.
Montag, 19.11.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 13.12.2013, 22:19 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) am vergangenen Freitag: „Menschenfeindlichkeit darf bei uns keinen Platz haben. Wir werden den Verfolgungsdruck erhöhen und alle gesetzlichen Mittel ausschöpfen. Es ist die Aufgabe der Polizei, die Menschen in Sachsen zu schützen. Das bedeutet, dass jeder in seiner Heimat sicher wohnen und leben kann. Wir lassen es nicht zu, dass Neonazis ein Klima der Angst verbreiten.“
Dieser Erklärung war ein unglaublicher Vorfall in Hoyerswerda vorausgegangen: Ronny und Monique (beide 33) sind eingeschlossen in ihren eigenen vier Wänden. Draußen vor der Tür werden die beiden von einem von einem 15-köpfigen Neonazi-Mob bedroht und beschimpft weil sie zuvor Nazi-Plakate entfernt hatten. In ihrer Not rufen Ronny und Monique den Freund und Helfer – die Polizei.
Polizei: Verlasst die Stadt!
Ein Streifenwagen kommt und bringt die beiden aus der Stadt in Sicherheit. Die Polizei gibt den beiden noch einen guten Rat mit auf den Weg: Sie sollten ausziehen aus der Stadt, weil man ihre Sicherheit nicht gewährleisten könne. Zutage brachte diesen Skandal ein MDR-Bericht am Mittwochabend. „Es ist einfacher, zwei Personen von einem Ort zu einem anderen sicheren Ort zu verbringen, als 30 Personen zu bewachen oder permanent 5 Funkstreifen vor ein Haus zu stellen“, so die Begründung eines Sprechers der zuständigen Polizeidirektion.
Seit Bekanntwerden dieses Vorfalls ist in der Stadt und im Land eine Diskussion über den Umgang des Staates gegen Neonazis entfacht. Hauptkritikpunkt ist der Personalabbau im Polizeidienst. Die Zahl der Polizeibeamten in Hoyerswerda sei seit 2009 von 136 auf 104 gesunken kritisiert Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen. Für sie ist es ein Skandal, dass die Polizei „es noch nicht einmal schafft, die Personalien der Neonazis aufzunehmen“.
Kaum Aufklärung
Scharfe Kritik am Verhalten der Polizei kommt auch aus den eigenen Reihen: „Es kann nicht sein, dass man Leuten, die in Gefahr sind, die bedroht werden, als Ultima Ratio anbietet, die Stadt zu verlassen“, sagte der Leipziger Polizeipräsident und designierte Koordinator gegen Rechtsextremismus des Landes, Bernd Merbitz und erinnerte an die Vorfälle in der Stadt vor 21 Jahren. Damals wurden, wie im aktuellen Fall auch, Asylbewerber aus der Stadt gebracht, um sie vor Übergriffen Rechtsradikaler zu schützen.
Ob und welche Konsequenzen dieser Fall haben wird, wird mit Spannung erwartet. Innenminister Ulbig kündigte jedenfalls eine stärkere polizeiliche Präsenz in der Stadt an. Das reicht dem Fraktions- und Landesvorsitzenden der Linkspartei, Rico Gebhardt, noch lange nicht. Er fordert Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) zum Handeln auf. Er müsse die Bekämpfung von Neonazi-Gewalt zur Chefsache machen. Gebhardt verweist auf das Büro der Linke-Bundestagsbgeordneten Caren Lay, das innerhalb der vergangenen 14 Tage zehnmal von Neonazis angegriffen worden sei – Hakenkreuze auf der Fensterscheibe, besprühte Briefkästen, Einbruchsversuche. Aufklärungsquote? Die gehe gegen Null. (bk) Aktuell Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen
Die Leute sollten vielleicht anderswo Asyl suchen weil sie in Deutschland verfolgt werden. Wenn es um Einhaltung der Menschenrechte geht, erheben deutsche Politiker gerne wieder den Zeigefinger und maßregeln gerne andere Länder. Genau diese Politiker sind auch die ersten, die die Augen vor der eigenen Wirklichkeit verschließen: nämlich dass in Deutschland Menschenrechte eklatant verletzt werden.
Das ist ein weiterer Hinweis darauf, daß die BRD auf das Niveau einer „Bananenrepublik“ in der sog. Dritten Welt absinkt: Es wird davor gewarnt, bestimmte Gebiete zu betreten, da dort nicht für die Sicherheit der Personen garantiert werden kann. Mit diesem Nachgeben der Sicherheitsorgane haben die Neonazis dieses eine ihrer Ziele erreicht und können sich ins Fäustchen lachen. Als was sollen wir das diagnostizieren? Vielleicht als „Organversagen“, mit dem die BRD als Rechtsstaat auf ihr Ableben zusteuert?
Man hätte ja gerne mal ein paar sachliche Informationen gehabt über die Ereignisse, und auch gerne mal ein bißchen über die Rechtsgrundlagen erfahren. War das jetzt Nötigung oder Freiheitsberaubung gewesen, und wurde Gewalt dabei nur angedroht oder tatsächlich ausgeübt?
Und was heisst denn „Nazi-Plakate entfernt“, waren das Wahlplakate gewesen? In dem Fall wäre die Entfernung eine Straftat gewesen, und zwar Diebstahl oder Sachbeschädigung. Oder sogar noch schlimmer: So etwas wie versuchte Wahlfälschung, egal für oder gegen welche Partei auch immer. Demokraten sollten sowas nicht tun und auch nicht gutheissen.
Insgesamt also ein wenig informativer Artikel.
@Haralds Kommentar: Auch wenn es sich beim Entfernen von Wahlplakaten um eine Straftat handeln mag, so kann man als Demokrat das anzeigen und die Entscheidung der Justiz überlassen. (Gewaltan-)Drohung und Selbstjustiz sind nicht gerechtfertigt.
Ihr Kommentar verwendet leider die Rhetorik von genau diesen Rechten Gruppen, in dem er implizit andeutet, dass die Bedrohten in diesem Fall ja selber Schuld seien. Dadurch wird das undemokratische Verhalten der Angreifer verklärt und gefährlich relativiert.
Auch wenn Sie, Harald, das möglicherweise gar nicht beabsichtigen, sollten Sie als Demokrat sich der Argumentationslinien bewusst sein.
@Mowgli Stonehorse:
Eben genau deswegen frage ich ja nach, weil der Artikel nichts darüber aussagt, wer hier in diesem Fall die demokratischen Rechtsgrundsätze verletzt oder missachtet hat. Es dürfte allgemein bekannt sein, dass nach § 127 Abs. 1 StPO jedermann berechtigt und befugt ist, einen auf frischer Tat ertappten und flüchtigen Straftäter festzunehmen, wenn er ihn zur Anzeige bringen will und er seine Identität anders nicht feststellen kann. So ist das Gesetz, das ist der Rechtsstaat, das ist Demokratie, und zwar völlig unabhängig von rechts oder links.
Ist das hier der Fall gewesen? Ich weiss es nicht, und der Artikel bringt keinerlei Information über die Hintergründe. Statt dessen wird, wie auch in Ihrem Kommentar, die ‚Argumentationslinie‘ verfolgt, wonach Gesetze und Recht und Unrecht ausschliesslich politisch zu beurteilen wären. _Das_ wiederum finde ich zutiefst undemokratisch.
Ich denke, ich verlange nicht zuviel Demokratie, wenn ich von dem Schreiber eines Artikels über Geschehnisse dieser Art ein Mindestmass an Objektivität, Sachlichkeit und vor allem eine saubere Recherche einfordere.
Ach Harald, warst du auch zufällig in diesem Mob, oder warum beschützt du diese feigen Nazis? Auch wenn das entfernen von Wahlplakaten eine Straftat ist, sollte niemand gelyncht werden, oder Harald?
Pingback: Volksentscheid gegen Zuwanderung - Innenminiter redet Schweizer Verhältnisse herbei - Asylbewerber, Einwanderung, No-Go-Areas, Rechtspopulismus, Schweiz, Thomas de Maizière, Volksentscheid - MiGAZIN