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Buchtipp zum Wochenende

Der Balkanizer reloaded – Ein Jugo in Deutschland

Der Autor, Musiker und Moderator Danko Rabrenović führt den erfolgreichen Weg seiner unkonventionellen, ironischen, lockeren und dennoch profunden und zum Nachdenken anregenden Beobachtungen seiner Erlebnisse als Jugo in Deutschland weiter.

Von Freitag, 23.11.2012, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 27.11.2012, 8:30 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Die vier neuen Kapitel heißen, dem Musikerjargon entsprechend, Zugabe – und glänzen mit bewährten Tönen zu neuen Themen. Vier frische Geschichten, die aktuelle Diskussionen aufnehmen, sie mit Balkan-Beats á la Trovaci, die Balkan Ska Reggae Punk-Band von und mit Danko Rabrenović, abmischen und dann rhythmisch vortragen – nicht Stakkato, sondern eben Ska.

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Das audio-viso-skriptuelle Multitalent Rabrenović hat zudem mit dem Balkanizer-Hörbuch auch einen tollen Ohrenschmaus produziert und die Erfahrungen eines Jugos, der seit mittlerweile über zwanzig Jahren in Deutschland lebt, moderiert, musiziert und schreibt, jetzt auch vertont – mit seinem unverkennbaren, sympathischen Akzent und dem gerrrollten R, was ihn überall unverwechselbar als den Balkanizer identifiziert. Grund genug , den Lauscher in die Hand zu nehmen und Danko Rabrenović anzurufen für ein exklusives MiGAZIN-Feature des Balkanizer.

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Balkanize this: Multikulti resurrection
Danko und ich telefonieren zum ersten Mal an einem Freitagabend. Er kommt gerade von einer Lesung aus Bochum zurück und wir „beschnuppern“ uns ein wenig, um zu sehen,  wie die Chemie so passt. Ich nehme es vorweg: Es wird ein nettes Gespräch. Ich erzähle Danko, dass Freunde von mir kürzlich bei seiner Lesung in Frankfurt waren und mir begeistert davon erzählten. Danko klingt auch am Telefon nach dem Balkanizer von Samstagnachmittag auf Funkhaus Europa. Authentisch eben. Und genauso liest sich sein Buch. Ebenso unkompliziert und freundlich verläuft das restliche Gespräch. Wir einigen uns auf ein weiteres Telefonat und ich beginne mit der Lektüre des Balkanizers und der Recherche.

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Beim Lesen wie beim Hören seines Buches und seiner Musik stoße ich immer wieder auf das, was ich als Multikulti verstehe: Die Freiheit, sich im Denken und Handeln, über Genre-, Länder- und Sprachgrenzen hinweg einfach allem bedienen zu können, was man gut und nützlich findet. Um zu überleben, um Kunst zu machen, kreativ zu sein und Neues erschaffen zu können. Das genau, so stelle ich beim nächsten Telefonat fest, ist auch Teil einer Überzeugung, die Danko in sich trägt: „Für mich sind Kategorien wie Serbe, Kroate oder Deutsche eine Art Degradierung, weil man sich damit freiwillig einengt. Meine Schublade ist breiter, kosmopolitischer. Pässe, Flaggen, Hymnen und Nationalitäten bedeuten mir wenig.“

Identitätsinstanz Muttersprache und munter multilkulti
„Die einzige Identitätsinstanz für mich ist die Muttersprache, weil ich mich darin souverän bewegen kann. In jeglicher Richtung!“  Zu diesem Statement passt die erste Geschichte im neuen Zugabe-Teil: Wer schafft sich hier ab? Danko Rabrenović thematisiert dort die Diskussion um Sarazins „Deutschland schafft sich ab“ und die Tatsache, dass die Erstausgabe des Balkanizers quasi zeitgleich mit dem Sammelsurium eines frustrierten und ausrangierten SPD-Politikers erschien.

Rabrenović schildert, wie sich in ihm im Dunstkreis der sarazinesken Wortschwälle die Wahrnehmung stärkte, dass in den unzähligen Talkshows nicht nur über ein sich abschaffendes Deutschland, sondern auch über ihn und sein Leben gesprochen würde. Eine ebenso treffende Beobachtung aus diesem Kapitel: In den nicht enden wollenden Diskussionen um Integrationsverweigerer und Problem-Ausländer in Problem-Bezirken war für die Millionen voll integrierter Migranten überhaupt kein Platz. Sie kamen darin einfach nicht vor, weil die Integration auch von Vorzeigebeispielen wie Özil und Co. angesichts von Lassma Messer machen und anderen Klischees unterging.

Auch das nächste Kapitel „Bin ich etwa tot“, entstand unter dem Eindruck der Integrations- und Multikulti-ist-tot-Debatte, so Rabrenović. Er erzählt mir (durch das Telefon augenzwinkernd) wie er eines Morgens erwacht sei und sich vergewissern musste, ob er noch am Leben sei, da Multikulti ja angeblich tot sei. Mit umso lebendigeren Worten beschreibt er, dass die Diskussion um das gescheiterte Multikulti-Modell ihn noch viel vitaler, weil zorniger gemacht und Multikulti eher mit neuer Vitalität erfüllt als begraben habe: „Multikulti ist in Deutschland lebendiger denn je, und das ist auch gut so. Das ist auch einer der Gründe, warum ich hier gerne lebe.“

Domovina Fraktalis
Im Zuge unseres Gesprächs kommen wir natürlich auch auf das Thema Gastarbeiter, Krieg auf dem Balkan und auf das, was meiner Meinung nach Heimat für uns Migranten der zweiten Generation ausmacht: Für mich war das immer ein diffuses Gefühl, so als würde ich volens nolens ständig auf gepackten Koffern sitzen, ohne jedoch zu wissen, wie der Fahrplan aus – und was er an Zielen vorsieht. Für die Jugos der zweiten Generation, so Danko Rabrenović, sei die Frage nach Zugehörigkeit noch komplexer: “

Es sind verlorene Seelen“, sagt er und meint, dass viele Kroaten, Serben, Bosnier, Mazedonier und Montenegriner, die in Deutschland geboren und aufgewachsen seien, gar nicht die Chance hatten, ihr Land so kennen zu lernen, wie andere Migrantengruppen derselben Generation in Deutschland. Schließlich sei Jugoslawien zerfallen und kaum, dass man als Jugo in Deutschland ein Gefühl dafür entwickelt hatte, was es bedeutet, ein Jugo in Deutschland zu sein, musste man sich umstellen und plötzlich Kroate, Serbe, Bosnier, Mazedonier oder Montenegriner sein.

Danko erzählt mir dann von der Entstehung der letzten beiden neuen Geschichten, „Kein guter Serbe“ und „Kein Balkanizer auf dem Balkan“. Beide stehen in enger Verbindung zum Krieg in Ex-Jugoslawien, zu Rabrenović Familie und zu seiner persönlichen Erfolgsgeschichte als Balkanizer-Moderator. An dem Tag nämlich, als Danko Rabrenovic bei der Preisverleihung zum CIVIS-Medienpreis in Berlin sitzt, kommt die Nachricht von der Ergreifung von General Ratko Mladic. Zufällig steht Rabrenovićs Foto am nächsten Tag auf der Titelseite der taz, neben dem von Mladic.

Bei der anschließenden Lesung im taz-Café präsentiert der Balkanizer die Ausgabe und sagt: „Ein guter und ein schlechter Serbe auf der taz-Titelseite! Der Gute ist natürlich der Mladic, denn ich bin Halb-Kroate!“ So gekonnt er einerseits diese Koinzidenz  kommentiert und karikiert, so ernst ist Danko andererseits aber die Feststellung, dass der Kriegsverbrecher Mladic der gute Serbe sei, weil er von vielen Landsleuten als Held angesehen werde.

Gewinnspiel: Migration ist immer ein Gewinn. Deshalb verlost das MiGAZIN als Hauptgewinn ein attraktives Balkanizer-Paket (bestehend aus einer handsignierten, erweiterten Neuauflage des Balkanizer plus Hörbuch). Die zweit- und drittschnellsten Einsendungen erhalten je 2×2 Karten  für die Lesung und das Konzert von und mit Danko Rabrenović und seiner Band Trovači  am 07.12.2012 im Kampnagel in Hamburg

Sie müssen nur folgende Frage richtig beantworten:

Wie viele neue Kapitel enthält die erweiterte Neuauflage des Balkanizer:

a) 2
b) 4
c) 3

Schicken Sie Ihre Antwort mit dem Betreff Gewinnspiel Balkanizer per Mail an mbuzzanca@migazin.de. Der Rechtsweg ist natürlich ausgeschlossen. Einsendeschluss ist Freitag, 30.11.2012, 12 Uhr.

 

Kein bisschen Balkan für den Balkanizer?
Argwöhnisch betrachten würde man in diesem Sinne wohl auch eine Übersetzung des Balkanizers in Rabrenovićs Muttersprache. Die Gefahr, dass Serben und Kroaten und damit auch seine Familie, das Buch falsch verstehen oder sich gar verraten fühlen könnten, ist groß. Das merkt er beispielsweise, als nach einem Interview mit ihm auf der Internetseite eines serbischen Radio-Sender teilweise böse Kommentare erscheinen. Sie zeigen ihm, dass seine kritische Haltung gegenüber der serbischen und auch kroatischen Politik als Kritik an der ganzen Nation wahrgenommen wird.

Schade eigentlich, denke ich. Sie haben viel verpasst. Kritisch ist Danko schon und auch ich muss sagen, dass ich anfangs große Probleme hatte, mich beispielsweise vom Balkan-Bläser-Bild im Stile von Boban Markovic, Goran Bregovic oder auch von Shantel, dem Frankfurter Gypsy-King im Bucovina-Club, zu verbaschieden. Aber nein, Danko Rabrenović verurteilt diese Musik nicht, wenngleich aber die Klischees, die damit verkauft werden. Er respektiert Künstler, die aus Folkloristischem Neues erschaffen und damit auch neue Wege gehen und Türen öffnen. Für alle Künstler.

Vieles gäbe es an dieser Stelle noch zu sagen. Das Beste scheint mir jedoch, dass Sie, liebe MiGAZINer, es lesen oder hören – den Balkanizer. Als Buch, Hörbuch und immer samstags auf Funkhaus Europa.

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund, rund und fröhlich. Aktuell Rezension

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