Integration in Deutschland
Moralisch und wissenschaftlich bedenkliche Studien
In Deutschland gibt es Integrationsstudien im Überfluss aber immer noch keine Definition, was Integration bedeuten soll. Länder wie die USA sind da viel weiter. Alev Dudek skizziert, wieso Deutschland zurückliegt.
Von Alev Dudek Dienstag, 18.12.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 25.06.2014, 16:16 Uhr Lesedauer: 7 Minuten |
„Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher und fiktiver Unterschiede zum Vorteil des Anklägers und zum Nachteil des Opfers, mit der seine Privilegien […] gerechtfertigt werden sollen.“ Memmi, A. (1982): Rassismus. Frankfurt a.M. 1987
In Deutschland gibt es einen Überfluss von wissenschaftlich und moralisch zweifelhaften „Integrationsstudien“, die gemäß der Definition von Albert Memmi (siehe Box rechts) rassistische Elemente aufweisen. Diese Studien lenken von den eigentlichen Problemen wie Ethnozentrismus und Diskriminierung ab und verlagern die Aufmerksamkeit vom „Täter“ auf die „Opfer. Sie etablieren überwiegend die Ungleichheit der „Objekte“ und kommunizieren die Unterlegenheit der „Menschen mit Migrationshintergrund“.
Diskriminierungsstudien im Gegensatz dazu würden die ungleiche Behandlung gleichwertiger „Objekte“ untersuchen. Der Diskriminierungsansatz aber stößt in Deutschland auf sehr viel Wiederstand. Ein Teufelskreis, denn das Fehlen einer adäquaten Auseinandersetzung mit Diskriminierung verstärkt wiederum den rassistischen Effekt der „Integrationsstudien“. Darin wird meist untersucht, wie die Opfer durch ihre angeblich fehlende Sprache und Bildung, das Status-quo der Exklusion herstellen.
Im Gegensatz dazu gibt es keine ausgeprägte Sprache und klare Definitionen von unterschiedlichen Konzepten für Einbeziehung und Teilhabe. Es fehlen Studien über unterschiedliche Facetten von Diskriminierung. Allgemein scheint es in Deutschland sehr viel Konfusion über unterschiedliche Aspekte von Teilhabe und Vielfalt zu geben. Hier einige Beispiele:
- Das Wort Inklusion beispielsweise wird fälschlicherweise limitiert in Bezug auf Menschen mit Behinderung(en) benutzt. Dabei ist Inklusion das Gegenteil von Exklusion und bedeutet Einbeziehung, Einschluss und hat nichts mit Behinderung zu tun. Daher sollte die Inklusion von allen Menschen das Ziel sein. Die Einschränkung auf Menschen mit Behinderung(en) trägt zu den vorhandenen „Missverständnissen“ bei.
- Die Studie über die anonymen Bewerbungsverfahren wurde in Deutschland erstmals Anfang 2012 durchgeführt. Gegeben der „rechtlichen“ Einschränkungen, die diese Studie ausgesetzt war und die allgemeine Einstellung in Deutschland, reflektieren diese Daten nicht einmal das eigentliche Ausmaß der Diskriminierung im Arbeitsmarkt. Diese Studien gehören in Ländern wie USA zum Standardwissen.
- Wir wissen, dass Frauen statistisch gesehen, für dieselbe Arbeit, bei gleicher Qualifikation weniger bezahlt werden als Männer. Nun, dasselbe gilt auch für „Menschen mit Migrationshintergrund“. Statistisch gesehen verdienen „Menschen mit Migrationshintergrund“ bei gleicher Schulbildung und Qualifikation weniger als weiße Deutsche. Es fehlen aber nicht nur Studien und Daten über dieses Phänomen, nein, es wird nicht einmal angesprochen. In den USA gibt es Studien dazu im Überfluss. Das Wissen über dieses Phänomen gehört zum Standardwissen der Inklusionsarbeit.
- Der Diversity Ansatz wird in Deutschland überwiegend von einer auf Gender-Diversity limitierten Perspektive behandelt. Es ist unklar, warum ethnische und racial Diversity kontroverse Themen in Deutschland darstellen. Das Ziel vom Diversity Management ist die Förderung aller benachteiligten „Gruppen“ damit eine Wertschöpfung aus den Differenzen stattfinden kann. Die Grundlage von Diversity ist die Wertschätzung von Differenzen und ist somit eine gute Methode für den Abbau von Ethnozentrismus. Der Ethnozentrismus ist eine wesentliche Barriere zur Integration ist aber kaum Bestandteil der Integrationsdebatte.
Nun kommen wir dazu, was wir in Deutschland im Überfluss haben: Studien über angebliche Aspekte von Integration, die von x-beliebigen Perspektiven erforscht wurden.
Der Integrationsreport des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat beispielsweise die „sprachliche Integration von Migranten“, Türken, Jugoslawen, Italiener, Griechen und Polen untersucht. Laut offiziellen Aussagen, erfolgt Integration aber „zweiseitig“. Hier stellt sich dann die Frage: Wieso werden nur die „nicht Deutschen“ „untersucht“? Wo sind die Studien, die uns darüber aufklären, wie sich die „Deutschen“ in die deutsche Gesellschaft integrieren oder was und wie sie zu der gegenseitigen Integration beitragen?
Laut BAMF bilden „Deutschkenntnisse […] einen zentralen Aspekt und können als ein Maßstab der Integration von Migranten in die Aufnahmegesellschaft betrachtet werden.“ Wie aber kommt das BAMF darauf, Integration stünde im direkten Verhältnis mit Sprachkenntnissen oder „Menschen mit Migrationshintergrund“ könnten so schlecht deutsch sprechen, dass sie sich nicht integriert könnten? Wie viele Menschen in Deutschland sprechen wirklich so schlecht Deutsch, dass man sich mit ihnen überhaupt nicht verständigen kann, wenn man wollte?
Was ist denn Integration überhaupt, wie misst man sie und wer entscheidet wie integriert jemand ist? Etwa der deutsche Staat?
Die ethnozentrische Perspektive in vielen Integrationsstudien ist ein Hinweis dafür, dass wir in Deutschland eine Assimilationspolitik betreiben. Die Behauptung, dass Menschen mit Migrationshintergrund schlecht Deutsch sprechen, ist ein Schlüsselaspekt unserer Propaganda. Damit können wir die fehlende Repräsentation von „Menschen mit Migrationshintergrund“ in öffentliche Verwaltung, in der Politik, in vielen Funktionen des öffentlichen Lebens und im Arbeitsmarkt rechtfertigen.
Nehmen wir einen Fall, wo es stimmt, dass jemand nicht gut deutsch spricht. Daraus automatisch zu folgern, er sei nicht integriert, ist rassistisch. Könnte sich der deutschstämmige Andreas kaum ausdrücken, würde niemand auf die Idee kommen, ihn als nicht integriert einzustufen. Denn Andreas ist kein Objekt der Integrationsstudien, wie es die Emine ist. Diese Studien unterliegen der ethnozentrischen Annahme, alle Deutschen könnten gut Deutsch sprechen. Folglich hinterfragt man nur die Deutschkenntnisse der „nicht Deutschen“.
Was ist es aber, wenn Emine nur English spricht, weil sie für eine internationale Firma arbeitet und damit sehr gut in Deutschland zurechtkommt? Sie trifft sich mit FreundInnen, ist im Sportverein, besucht Konzerte, ist erfolgreich und zahlt ihre Steuern. Aber „offiziell“, wäre Emine nicht integriert – im Gegensatz zu Andreas, der möglicherweise ständig betrunken ist, keine Freunde hat und an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnimmt.
Jeder Mensch hat das Recht, im gesetzlich-moralischen Rahmen sein Leben selbst zu bestimmen. Und viele Elemente der Integrationsdebatte wie wir sie in Deutschland führen verletzen das Selbstbestimmungsrecht unserer Mitbürger.
Auch dazu ein konkretes Beispiel: In einer BAMF-Studie wird die Wohnungsausstattung der „Menschen mit Migrationshintergrund“ untersucht; ein willkürlicher Ansatz, der die Privatsphäre verletzt und dessen Verbindung zu Integration sehr fragwürdig ist. Auch die Schader Stiftung scheint die Wohnsituation der „Türken“ interessant zu finden. Aktuell Meinung
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@aloo masala
„Ob die Autorin nun richtig liegt oder nicht, kann ich selbst abschließend nicht sagen. Ich finde aber, sie bringt einen für mich neuen interessanten Gedanken ins Spiel, der eine genauere Beobachtung verdient.“
Es gibt in Deutschland kein ausgeprägteren Drang zum Rassismus als in bspw. der Türkei, aber im Gegensatz zur Türkei hat Deutschland sich für eine Vergangenheitsbewältigung entschieden und dies bringt leider mit sich, dass eine Art „Rassistenverbrennung“ ausgebrochen ist, ähnlich der Hexenverbrennung im Mittelalter, zwar ohne Feuer aber mit der gleichen ausstoßenden Effekt wie damals . Es hat sich mittlerweile bei jedem Migranten rumgesprochen, dass man einen Deutschen nur als Rassisten bezeichnen muss, wenn er unangenehme Wahrheiten ausspricht und man kann sich sicher sein, dass ihn niemand mehr ernst nimmt, denn sonst wäre man ja selbst auch ein Rassist.
Also sorry, aber die meisten Rassisten erschaffen sich die Migranten immer noch selbst, durch ihre un/über-sensible Art.
Hier mal eine Anekdote passend zur Jahreszeit und zum Thema:
Als ich noch jünger war schossen meine Freunde und ich mit Schneebällen auf unbekannte Passanten. Auf alle die vorbei kamen! Als ein Afrikaner vorbeikam und wir ihn auch beschossen haben, drehte er sich um und beschimpfte uns als Rassisten. Mag sein, dass ihm im Alltag Rassismus begegnet, aber es bedeutet noch längst nicht, dass jeder ein Rassist ist, der ihm was „böses“ antut. Rassismus wäre es gewesen ihn nicht zu bewerfen! Aber zu denken, dass ein Schneeball der von einem weißen Jungen auf einen Afrikaner geschmissen zu werden ist rassistisch. Man sieht das Blatt kann sich ganz schnell wenden!
In Deutschland Rassismus nachzuweisen, kann auch ganz schnell ziemlich schräg werden und in eine Art „9/11-Verschwörungstheorie“ ausarten, weil man einfach nur noch nach Indizien für Rassismus sucht und die Gegenindizien gerne mal weglässt, weil es einem halt nicht in sein gewohntes Weltbild passt. Haben Sie sich aloo masala schon mal die Mühe gemacht und genauso hartnäckig versucht das Gute in den Deutschen und Deutschland zu sehen? Wenn nicht? Wie können Sie denn objektiv sein?
Gehen Sie mal davon aus, dass das was Sie in ihrem Leben so durchgemacht haben nur Extreme waren die überhaupt nicht repräsentativ sind für den Großteil der Bevölkerung, auch Dinge die Sie von Verwandten und Freunden gehört haben sind nicht repräsentativ, seien Sie sich dessen bewusst! Es gibt in Deutschland Rassismus, klar, aber man muss ihn nicht schlimmer machen als er schon ist, sonst muss ich kreativ werden und ein neues Wort erschaffen: „Rassismusphobie“ Vielleicht macht Rassismusphobie die Deutschen krank, müsste man mal eine Studie machen, oder was denken Sie aloo masala?
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@Kolcek
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Haben Sie sich aloo masala schon mal die Mühe gemacht und genauso hartnäckig versucht das Gute in den Deutschen und Deutschland zu sehen? Wenn nicht? Wie können Sie denn objektiv sein?
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Warum sollte ich das machen? Sind Deutsche in negativer oder positiver Hinsicht etwas besonderes? Ist für Sie meine Kritik an einem konkreten Sachverhalt eine Kritik an die Deutschen insgesamt oder an Deutschland? Zeugt eine solche totalitäre Sicht nicht von einer nationalistischen Einstellung?
Ansonsten gebe ich Ihnen Recht. Der Rassismus -Vorwurf wird gerne erhoben, um die moralische Kontrolle über die Diskussion zu erhalten, um nicht genehme Kritik zu delegitimieren und den Kritiker an den Pranger zu stellen.
Das ist allerdings nur eine Seite der Geschichte. Die andere Seite ist, dass Rassisten gerne ungestört ihre menschenfeindliche Ideologie ausleben wollen, ohne sich dabei den hässlichen Vorwurf des Rassismus anhören zu müssen. Solche Leute tun Rassismus als einen Kampfbegriff ab, um vermeintlich berechtigte Kritik zu unterbinden.
Es gibt beide Seiten. Deswegen bleibt mir nichts anderes übrig, als die Überlegungen der Autorin des Artikels zu prüfen, ob sie haltbar sind. Das macht man allerdings mit Argumenten zur Sache selbst, Kollege Kolcek.