Studie
Islamophobie beeinträchtigt Gesundheit von Muslimen
Einer Untersuchung der Universität zu Oslo zufolge beeinträchtigt Islamophobie die Gesundheit von Muslimen - unabhängig davon, ob die Muslime persönliche Opfer von Diskriminierung geworden sind.
Von Jonas R. Kunst Mittwoch, 19.12.2012, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Insbesondere seit den Terrorangriffen in New York, London und Madrid, sind negative Haltungen gegenüber dem Islam und den Muslimen in Europa auf dem Vormarsch. Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) konnte beispielsweise feststellen, dass Muslime in den meisten EU-Ländern vermehrt Opfer von Diskriminierung in der Ausbildung, auf dem Arbeitsmarkt und anderen Lebensbereichen werden. Außerdem zeigt die EUMC, dass viele Muslime Vorurteilen ausgesetzt sind.
Ein Begriff, der oft in Zusammenhang mit dieser gesellschaftlichen Entwicklung fällt, ist Islamophobie. Obwohl die Fachwelt sich darüber uneinig ist, wie der Begriff genau zu verstehen sei, kann man Islamophobie (Islam + Phobie, vom griechischen Wort φόβος/phobos = Angst abgeleitet) wörtlich als eine irrationale Angst vor Muslimen und dem Islam beschreiben.
In einer Studie, die ich in Zusammenarbeit mit David Lackland Sam und Pål Ulleberg durchgeführt habe, haben wir ein Instrument entwickelt, mit dem gemessen und verglichen werden kann, inwieweit Muslime in Deutschland, Frankreich und Großbritannien diese gesellschaftliche Angst wahrnehmen und welche Auswirkung sie auf ihr Wohlbefinden hat.
Muslime erleben gesellschaftliche Angst vor Islamisierung in den Medien
Unsere Studienergebnisse, die auf mehr als 1.000 Befragten basieren, zeigen, dass in allen drei Ländern ein hoher Grad an Islamophobie wahrgenommen wird. Wirft man allerdings einen genaueren Blick auf die Resultate, stellt man fest, dass die meisten Muslime tatsächlich vor allem erleben, dass die Menschen um sie herum eine „Islamisierung“ ihrer Gesellschaft fürchten, und dass Medien diese Angst vor dem Islam verbreiten.
Vergleicht man die Ergebnisse der Länder, zeigt sich, dass die Teilnehmer in Frankreich den durchschnittlich höchsten Grad an Islamophobie erlebten, gefolgt von Muslimen in Deutschland. Die Tatsache, dass Muslime in Großbritannien den geringsten (aber dennoch hohen) Grad an Islamophobie erlebten, deutet darauf hin, dass das gesellschaftliche Klima in Großbritannien etwas moderater ist.
Islamophobie und das psychologische Wohlbefinden von Muslimen
Wir waren besonders daran interessiert, inwiefern der Fakt in einer Gesellschaft zu leben, in welcher die Menschen Angst vor dem Islam und Muslimen haben, das Wohlbefinden von Muslimen beeinflusst. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Teilnehmer, welche einen hohen Grad an Islamophobie erleben, statistisch signifikant mehr Stress und psychologische Probleme, wie zum Beispiel Unruhe, Angst und Depression, erleben.
Download: Die komplette Studie „Perceived islamophobia: Scale development and validation“ kann hier und hier abgerufen werden.
Besonders interessant: Auch wenn wir in unseren Analysen kontrollierten, ob die Teilnehmer persönlich Diskriminierung erlebt hatten, bestand ein Zusammenhang zwischen wahrgenommener Islamophobie und vermehrten psychologischen Problemen. Mit anderen Worten: Unabhängig davon, ob die Muslime persönlich Opfer von Diskriminierung geworden sind, scheint eine islamophobe Umgebung ihre Gesundheit zu beeinträchtigen.
Gesellschaftliche Bedeutung der Studie
Die Ergebnisse unsere Studie sind von Bedeutung für europäische multikulturelle Gesellschaften wie Deutschland. Während Anti-Diskriminierungsgesetze Muslimen zumindest etwas Schutz vor ungleicher Behandlung bieten, schützen sie nicht vor den negativen Einflüssen des Erlebens kollektiver Angst vor ihrer Religion und Religionsgruppe. Neben Politikern stehen vor allem die Medien, deren Berichterstattung – wie unsere Studie zeigt – erheblich zur erlebten Islamophobie unter Muslimen beiträgt, in der Verantwortung, positiv zu den Beziehungen zwischen Angehörigen der verschiedenen Religionen beizutragen. Aktuell Meinung Studien
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@Itab
Die Verfasser der Studie schöpfen aus korrelativen Aussagen kausale Aussagen. Aus dem Zusammenhang zwischen erhöhtem Stresslevel und empfundener Diskriminierung wird : Islamophobie bedingt Stress.
Das kann man tun, ist aber nur ein Modell unter vielen.
Die erhöhte Anfälligkeit für Stress könnte aber auch die (erhöhte) Wahrnehmung von Islamophobie bedingen.
Diese naheliegende Möglichkeit wird von den Verfassern aber gar nicht angesprochen, geschweige denn untersucht.
Und es gibt weitere Möglichkeiten, die aloo masala oben skizziert hat.
Vor den eigentlichen Hausaufgaben sollte nachgedacht werden.
@Lionel
Ich vermute, dass Sie die Studie missverstanden haben könnten.
Meines Wissens versucht die Studie weder eine Korrelation noch einen kausalen Zusammenhang zwischen empfundener Stigmatisierung und psychischer Belastung herzustellen.
Die Studie setzt den Zusammenhang zwischen empfundener Stigmatisierung und psychischer Belastung als bereits belegt voraus. Dazu zitieren die Autoren eine Reihe von Forschungsarbeiten.
In der Studie selbst wird dann etwas anderes untersucht. Der wissenschaftliche Beitrag besteht in der Konstruktion eines Maßes oder einer Skala, die empfundene Stigmatisierung quantitativ erfasst. Wie es sich für eine wissenschaftliche Studie gehört, muss dieses Maß auch hinsichtlich seiner Zweckmäßigkeit untersucht werden. Dazu prüften die Autoren auch, inwieweit ein hohes Maß an empfundener Stigmatisierung mit psychischen Belastung korreliert.
Im Zusammenhang mit der Diskussion bedeutet das nun folgendes: Ihr Einwand, ist kein Einwand gegen die hier hervorgebrachte Studie, sondern in erster Linie ein Einwand gegen zum Teil jahrzehntealte Forschungsergebnisse, die auch in der hier vorgestellten Studie zitiert werden.
Merkwürdig finde ich, dass dieses Thema zwar recht alt ist, aber weder Sie noch Fritz Strüning je etwas von einem kausalen Zusammenhang zwischen Stigmatisierung und psychischer Belastung gehört haben wollen. Man muss kein Psychologe sein, um diesen kausalen Zusammenhang erahnen zu können.
Unter diesem Lichte sind die Verweise von Fritz Strüning und Ihnen, dass die empfundene Stigmatisierung auch eine Einbildung paranoider Typen mit labiler Psyche sein könnten recht verräterisch. Erzählen Sie Ihre Vermutung mal einem Juden. Fragen Sie ihn, ob Antisemitismus nicht vielleicht eine Einbildung sein könnte, die durch die psychische Labilität der Juden bedingt ist.
Im Gegensatz zu Studien, die ein Sarrazin oder ein Buschkowsky oder sonstige aus dem Ruchzirkel zusammen klatschen, um damit Geld an ahnungslosen bier-verblödeten Besserwissern zu verdienen, sind solche, die hier dargestellt werden, nicht dazu in der Lage, die Karriere von Axel-Springer-genehmen transatlantischen Berufspolitikern zu fördern.. Deswegen werden sich auch nicht viele von denen dazu äußern, Grüne inclusive..
Solche wie Felix Strüning und Lionel sind ein Megaphon für die Massen, die sich Informationen so zurecht formen, damit sich der Stammtischbruder wieder wohl dabei fühlen kann, weiter seiner debilen Fremdenangst zu frönen.. Jahrelanges Bild-Studium sind im Portfolio dieser Strohmänner nicht selten vorzufinden, und propagieren mit jeder Faser ihres Körpers die von der Bild-Zeitung getragene Weltformel, eine Abwandlung vom amerikanischen „Sex, Drugs and Rocknroll“: Möpse, Bier und Politisch Inkorrekt… Man muss ja kein Wahrsager sein, um solcherlei vorgebrachten Einwände dann voraus zu sehen.. Die Einheitsformel, die oft zu Tragen kommt, ist dabei: „Der Deutsche ist edel, der Migrant (der nicht-Deutsche per definitionem) ist selbst schuld!“
Ist eine gewisse Islamophobie nicht nachvollziehbar bei solchen Nachrichten:
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article112151074/Judenhass-hat-tuerkischen-Schulunterricht-erreicht.html
@ aloo masala
Die Verfasser der Studie machen eine Untersuchung mit Daten auf einer rein subjektiven Basis (Fragebogendateien). Nun gut.
Dann wird es aber arg subjektiv: perceived stress und perceived discrimination sollen eine positive Relation zur PIS (perceived islamophobia scale) haben – sorry, das ist etwas zuviel wahrgenommene Gefühligkeit.
@Lothar Schmidt
Der klassische Judenhass beinhaltet auch den Vorwurf, dass Juden selbst schuld am Antisemitismus sind.
Unter diesem Lichte müsste Ihr Einwand von Islamhass zeugen, da er Muslime die Schuld am Islamhass/Islamophobie gibt.
Wo ist nun der Unterschied zwischen Ihnen und den klassischen Antisemiten, außer dass die Zielscheibe des Hasses ausgewechselt wurde?
@Lionel
Interessant wie sie alle Argumente ignorieren und neue Nebenschauplätze eröffnen und dabei erneut falsch liegen.
—-
Die Verfasser der Studie machen eine Untersuchung mit Daten auf einer rein subjektiven Basis (Fragebogendateien). Nun gut.
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Nicht nur. Da sollten Sie mal einen Blick in die Studie davon absehen.
Davon abgesehen, wie würden Sie denn einen Fragebogen gestalten, der bestimmte Wahrnehmungen, die per se subjektiv sind, messen möchte?
@ aloo masala
Welche ignorierten Argumente meinen Sie? Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich auf die pöbelhaften Verbalinjurien von Cengiz antworte.
Zweifellos ist der Zusammenhang zwischen Stigmatisierung und psychischer Belastung plausibel.
Dennoch sollte mit solchen banalen Feststellungen sehr vorsichtig umgegangen werden, die Wirklichkeit ist sehr komplex.
Um das an Ihrer Anregung, einen Juden zu fragen, ob der Antisemitismus nicht nur eine Einbildung psychisch Labiler sei, zu verdeutlichen: Wie würde die Kontrollfrage bei einem Palästinenser in der Westbank ausfallen, auf dessen Grund eine jüdische Siedlung
errichtet wird?
Oder bei einem nigerianischen Christen, dessen Kirche während des Weihnachtsgottesdienstes in die Luft gesprengt wurde?
@Lionel
Für die Handhabung der Komplexität gibt es Disziplinen in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Wir haben hier eine Vorstudie, die uns eine Kalibration der subjektiv wahrgenommenden Islamophobie in die Hand gibt.
Die Frage nach der Kausalität kann man ebenfalls handhaben und zwar in der experimentellen Ökonomie. Sie ist in der Lage mit Hilfe von Randomisierung Einflussfaktoren und Störfaktoren sauber zu trennen. Anschliessende randomisierte Feldstudien können Labor-Evidenzen festklopfen.
Sehr prominent sind gemessene Leistungsunterschiede in „Minimal Group Settings“. Versuchspersonen können z.B. willkürlich in Gruppen eingeteilt werden und Kopfrechenaufgaben zu lösen bekommen. Der Versuchsleiter kann Erwartungshaltung und Selbstwertgefühl der zufällig zustande gekommenden Gruppen am Versuchsstart so induzieren, dass am Ende tatsächlich signifikante Leistungsunterschiede herauskommen.
In den USA hat man sogar Leistungsunterschiede bei ein- und derselben Personen induzieren können in „Minimal Group Settings“. Asian American gelten in den USA als mathematisch begabter, während Frauen als mathematisch unbegabt gelten. Wenn man bei Asian American women vor Versuchsstart als „Asian American“ kalibriert, lösen sie mathematische Denkaufgaben besser als die Kontrollgruppe; wenn man sie aber als „Frauen“ kalibriert, dann fallen sie plötzlich hinter den Leistungen der Kontrollguppe zurück.
Wenn „Minimal Group Settings“ mit induzierten Gruppen schon zu Verzerrungen des Selbstwertgefühls führen, um so stärkere Effekte sind bei Minderheiten zu erwarten, welches die politische Klasse und die Massenmedien mit einem Stigma versehen haben.
Eine Versuchsreihe nach dem Vorbild der US-Universitäten sollte auch in der experimentellen Ökonomie interessante Einsichten in hiesige Verhältnisse bringen.
Aber Gesellschaftswissenschaften wie die Psychologie und die experimentelle Ökonomie können Phänomene höchstens ausmessen, sie können die Herkunft der Islamophobie nicht erklären.