Interview mit Jürgen Hofmann
Migrantenvereine gehören zur Sportkultur
Warum gründen Migranten Sportvereine? Erschweren diese Vereine die Integration? "Nein", sagt Dr. Jürgen Hofmann vom Sportwissenschaftlichen Institut an der Universität Augsburg. MiGAZIN sprach mit ihm:
Von Kerstin Gubitz Mittwoch, 09.01.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.01.2013, 22:31 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
MiGAZIN: Herr Hofmann, kann Sport zur besseren Integration von Migranten beitragen?
Jürgen Hofmann: Auf jeden Fall. Durch die Bewegung entstehen positive Emotionen, das gemeinsame Lernen fällt leichter. Vor allem die Sprache ist im Sport sehr wichtig. Es geht um Gewinnen und Verlieren. Um die Anweisungen vom Trainer zu verstehen, müssen auch Spieler, die kein Deutsch können, bestimmte Begriffe kennen. Da muss man lernen was das Wort „Tor“ oder „langer Ball“ bedeutet. Auch nach dem Spiel kann man voneinander lernen, wenn man noch zusammen weggeht. Da sieht man die Unterschiede zwischen den Kulturen und fängt an, sich dafür zu interessieren und auch über die eigene Kultur nachzudenken.
Das funktioniert aber nur bei Mannschaftssportarten.
Hofmann: Natürlich haben da Sportarten wie Eiskunstlauf oder Marathon einen Nachteil. Aber auch hier müssen die Sportler mit ihrem Trainer sprechen, und man trifft andere Sportler bei Wettkämpfen.
Damit sich Migranten durch Sport integrieren können, müssen sie Zugang zu Vereinen finden. Wo liegen die Schwierigkeiten?
Dr. Jürgen Hofmann ist akademischer Oberrat am Institut für Sportwissenschaft an der Universität Augsburg.
Hofmann: Viele Vereine sind auf Leistung ausgerichtet, es wird immer auf bestimmte Wettkämpfe hin trainiert. Wenn in Familien die Traditionen sehr hochgehalten werden, kann das problematisch sein, wenn Spiele oder das Training an Feiertagen stattfinden, wie zum Beispiel beim Ramadan. In dieser Zeit treiben religiöse Muslime keinen Sport. Außerdem gibt es in der muslimischen Kultur ein Nacktheitstabu. Mannschaftsduschen, wie es sie in den meisten deutschen Vereinsgebäuden gibt, sind daher problematisch.
Diese Probleme gibt es in einem Nationalitätenverein nicht.
Hofmann: Das ist richtig. Solche Probleme führen dazu, dass man einen eigenen Verein aufmacht, bei dem kulturell alles passt.
Blockieren solche Vereine die Integration?
Hofmann: Nein. In anderen Ländern, wie in den USA gibt es auch deutsche Sportvereine. Das gehört zur Sportkultur. Natürlich sind die Migranten in den Vereinen erst mal unter sich, aber durch Meisterschaften haben sie auch Kontakt zu anderen Vereinen. Ich finde, man sollte mit dem Thema entspannter umgehen. Migrantenvereine sprechen Menschen an, die deutsche Vereine nicht erreichen. Zum Beispiel an solche, die noch keinen Zugang zur deutschen Kultur gefunden haben oder schon schlechte Erfahrungen mit deutschen Vereinen gemacht haben.
Aber es muss doch auch möglich sein, ein Angebot zu schaffen, das auf die kulturellen Besonderheiten Rücksicht nimmt.
Hofmann: Es gelingt mittlerweile besser, Migranten für deutsche Vereine zu gewinnen. Selbst in Kulturen, in denen Frauen keinen Sport treiben, zeichnen sich Veränderungen ab, vor allem im Fußball. Schwierig ist das noch bei Schwimmvereinen. Projekte wie das Migrantinnenschwimmen, das in Augsburg angeboten wurde, können dabei helfen. Hier finden Frauen ein Schwimmbad vor, das gezielt auf deren Bedürfnisse und religiöse Vorschriften abgestimmt ist. Ziel ist es, dass diese Frauen später privat zum Schwimmen gehen, auch wenn ein Mann im Schwimmbad in Sichtweite ist. Die Frauen sollen danach sagen: Mir ist Schwimmen wichtig.
Es gibt aber viele Menschen, die einfach keinen Sport treiben wollen. Kann Sport auch außerhalb des Trainingsplatzes die Integration fördern?
Hofmann: Ja. Die deutsche Nationalmannschaft ist ein schönes Beispiel dafür. Seit Mesut Özil für sie spielt, fiebern viele türkische Migranten bei WM und EM mit der deutschen Mannschaft. So etwas führt zu einer Identifikation, die letztlich die Integration unterstützt. Aktuell Interview
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