Arm durch Arbeit
Zusatzqualifizierung in Alphabetisierungskursen
Die prekäre Situation der Lehrkräfte in Integrationskursen ist seit Jahren bekannt. Nun setzt das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf eine Verbesserung der Situation. Allerdings nicht der finanziellen Lage der Lehrkräfte, sondern auf eine Verbesserung der Lehrqualität.
Von IBP Freitag, 11.01.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 14.01.2013, 20:59 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Es geht um die Alphabetisierungskurse. Lehrkräfte, die seit Jahren in diesem Bereich arbeiten, müssen nun eine Zusatzqualifizierung im Umfang von 80 Stunden absolvieren, damit sie weiterhin in Alphabetisierungskursen unterrichten dürfen. Die Kosten liegen zwischen 750 € und 850 € (DIALOG-Institut Dr. Kilian, Kassel). Sie werden vom BAMF übernommen. Das BAMF hat für die Alphabetisierungskurse extra ein 196 Seiten starkes Konzept vorgelegt, in dem sich nicht weniger als vier Curriculare Vorschläge für die verschiedenen Kurse, sowie eine Liste mit Lehrwerken befindet, die sich jedoch nur als „Vorschlag“ versteht. Dieser Hinweis ist wichtig, weil sonst der Verdacht entstehen könnte, das BAMF sei gegenüber den Lehrkräften weisungsgebunden.
Die Lehrkräfte sind nicht verpflichtet, die Zusatzqualifizierung zu machen, sie können jedoch vom Träger ab dem 1.1.2014 nur noch dann „beauftragt“ werden, wenn sie die Zusatzqualifizierung haben. So wird die Weisungsgebundenheit umgangen, die auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis schließen lassen würde. Dies hätte für die Träger zur Folge, dass sie die lästigen Sozialversicherungsbeiträge für ihre Lehrkräfte an die Rentenversicherung abführen müssten. Während das BAMF den Trägern zwar auferlegen kann, dass nur noch Lehrkräfte mit Zusatzqualifikation unterrichten dürfen, kann das BAMF den Trägern nicht auferlegen, ein bestimmtes Mindesthonorar an die Lehrkräfte zu zahlen, denn das verstieße gegen die Vertragsfreiheit, die zwischen Träger und Lehrkraft bestehe.
Für die Lehrkräfte ist mit der Zusatzqualifikation leider kein höheres Einkommen zu erzielen. Das BAMF erhöht zwar die Pauschale pro Unterrichtseinheit pro Teilnehmer auf 2,94 €, und schreibt: „Die Vergütungsgrenze für Lehrkräfte wird von 18 € auf 20 € angehoben.“ Das bedeutet vom Behördendeutsch ins Hochdeutsche übersetzt, dass die Träger auch weiterhin 10, 12 oder 15 € zahlen dürfen. Ihnen wird nicht die Zulassung entzogen, sondern sie müssen die Zulassung jedes Jahr neu beantragen. Diejenigen Träger, die 20 € zahlen, müssen die Zulassung nur alle drei Jahre beantragen. Wenn ein Träger also an 300 Tagen 2 Kurse zu je 5 Stunden laufen hat, und nur 15 € bezahlt, dann spart er gegenüber einem Träger, der 20 € zahlt, ganze 15.000 € ein. Dafür muss er aber, quasi als „Sanktion“, zwei Mal ein Fax an das BAMF schicken, um die erneute Zulassung zu beantragen. Die 15.000 € Steuergelder werden dem Dumpinglohnanbieter geschenkt.
Für die Lehrkräfte bedeutet die Zusatzqualifizierung einen enormen Verdienstausfall. Zwar werden die 750 bis 850 €, die der Träger pro Lehrkraft verdient, vom BAMF bezahlt. Die Kurse finden aber oftmals dann statt, wenn die Lehrkräfte ihr eigenes Geld verdienen, nämlich an Wochentagen. Wer seine Zusatzqualifizierung z.B. im Januar oder Februar 2013 im Sprachhaus in Köln macht, verliert acht Arbeitstage. Das sind 800 €, wenn man die 20 € „Vergütungsgrenze“ und 5 Stunden pro Tag zu Grunde legt. Bei DIALOG fällt zum Glück nur der Freitag und der Samstag aus, allerdings sollte man für die Zeit zwischen Freitag um 19.00 und Samstag um 8:30 eine Übernachtungsmöglichkeit im schönen Kassel suchen, wenn man nicht aus der Nähe kommt. Solche Nebenkosten, wie auch Fahrtkosten und Verpflegungskosten werden vom BAMF nicht übernommen, schließlich ist man ja „selbstständig“.
Bei dieser „additiven Zusatzqualifizierung“ hat man den Eindruck, als ob einige lobbystarke Firmen wie die Volkshochschulen und der Internationale Bund mal wieder einen Großauftrag brauchten. Gemäß dem Motto „Bildung ist immer gut“ werden Gelder in die Weiterbildungsindustrie gepumpt, und als Vorwand dient dem BAMF die fixe Idee, „dass die dortigen curricularen und methodischen Vorschläge nur dann optimal umgesetzt werden können, wenn die in Alphabetisierungskursen des Bundes tätigen Lehrkräfte entsprechende spezifische Kenntnisse besitzen.“ Dass dabei halbe Monatslöhne draufgehen ist dem BAMF total egal, da es ja, wie es selbst immer sagt, keine arbeitsvertraglichen Verbindungen zu den Lehrkräften hat. Es handelt sich schließlich nur um methodische und curriculare „Vorschläge“, und die Arbeit in Alphabetisierungskursen ist zum Glück freiwillig.
Folgenden Brief haben wir an die Damen und Herren des BAMF geschrieben: Aktuell Meinung
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Hallo Stephan und Monika,
der Bund muss gar keine Gelder locker machen, solange die Lehrkräfte als „selbstständig“ gelten, weil es die Vertragsfreiheit zwischen Lehrkraft und Träger gibt. Nur wenn die Lehrkräfte Beschäftigte sind muss der Träger nach Tarif bezahlen. Dieses Geld muss er irgendwie einnehmen, und zwar vom Bund. Der Bund MUSS dann mehr zahlen, oder er verringert die Zahl der Träger, die überhaupt Integrationskurse geben dürfen. Aber wie will er das begründen? Zu teuer? Dann soll der Bund doch die Hälfte der Kurse schließen, damit die anderen Lehrkräfte wenigstens von ihrem Einkommen leben können.
@ Monika: wenn schon Honorar, dann eins, von dem man leben kann. 30 € führen in die Altersarmut, das sagt auch die GEW. Ist Deutschland so arm, dass man die paar Lehrkräfte nicht anständig bezahlen kann? Oder trauen sich die Parteien nicht, anständige Honorare zu fordern, weil damit eben „nur“ die Bildung von „Ausländern“ bezahlt wird?
Übrigens fordern GEW und Linke, falls ich das richtig verstanden habe, die Gleichbehandlung von Lehrern in Integrationskursen mit den Lehrern an öffentlichen Schulen, da beide genau die gleichen Arbeitsbedingungen und Qualifikationen haben. Nur Grüne und SPD halten noch am neoliberalen Honorarmodell fest. Die Hauptforderung der GEW ist die Angleichung an den Tarifvertrag der Länder, die 30 € sind nur als Übergang gedacht. Jetzt, wo SPD und Grüne endlich bei der Übergangslösung angekommen sind, sollten wir nicht stehenbleiben, sondern das Ziel ins Auge fassen.
Hier sind die Forderungen der Bielefelder KollegInnen: http://mindesthonorar.de/30.html : „2. Die Bezahlung der in der Weiterbildung tätigen Dozenten sollte am öffentlichen Dienst orientiert und an dessen Tarifentwicklung angekoppelt sein.“ Mit 30 € kommt man da nicht weit. Der Staat zahlt umgerechnet 50 € pro Lehrerstunde an öffentlichen Schulen.
Viele Grüße
Georg
Sehr erfreulich ist, dass die Fachstelle für Berufsbezogenes Deutsch in Hamburg unsere Arbeit in einem differenzierten Kommentar würdigt und sich auf unseren Aufruf zum Boykott von Fortbildungen bezieht.
http://www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/stellungnahme_bildung_prekaer.html#c1070
Hier werden unter anderem die wesentlichen Punkte unserer Argumentation hervorgehoben:
1. Von einem Gehalt, von dem man nicht leben kann, kann man nicht auch noch Fortbildungskosten (und dazu gehören Fahrt- und Übernachtungskosten etc.) bezahlen.
2. Die Fortbildungsveranstalter engagieren sich nicht (genug) für die Verbesserung der prekären Situation von Lehrkräften, deshalb soll durch einen Boykott von Fortbildungen mehr Druck auf sie entstehen.
3. Guter Unterricht hat seinen Preis! Wenn die Regierung Interesse an gutem Unterricht hat, müssen sich die Rahmenbedingungen der Lehrer_innen verbessern.
4 Die in den Fortbildungen erlernten Inhalte lassen sich unter den jetzigen Bedingungen in den BAMF-Kursen nicht umsetzen: Die Rahmenbedingungen der Kurse müssen sich verbessern.
(…) mehr unter obigem Link
Hallo Georg, unten meine Antwort:
„Die SPD Düsseldorf schreibt:
“Berücksichtigt man fehlende Sonderzahlungen und die Verdienstausfälle zu den Urlaubs- und Ferienzeiten und geht von einer guten Auftragslage im Umfang von Lehrkräften an Schulen aus muss das Gegenstück zum Mindestlohn bei einem Mindesthonorar von 30 € liegen. Die bisherigen Forderungen der SPD in Höhe von 26,- € sind dementsprechend zu überdenken.”
Bist du bei deinen Berechnungen auch zu dem Ergebnis gekommen, dass 30 € Honorar dem Mindestlohn entsprechen würden? Wie kommt es, dass echte Selbstständige ab 50 € aufwärts nehmen? Dieser Berechnung kann ich mich nicht anschließen, ganz abgesehen davon, dass jedes Honorar Scheinselbstständigkeit bedeutet.“
Antwort:
Das „Gegenstück zum Mindestlohn“ in der Weiterbildung… Ohje!
Selbiger Mindestlohn beträgt 12,60 € brutto / West x 39 Wochenstunden x 4,34 Wochen = 2.132,68 € brutto im Monat. Für ein abgeschlossenes Studium samt Berufserfahrung die pure Verhöhnung.
x 12 Monate = 25.592,16 € + 20% Arbeitgeberanteil (5.118,43 €) = 30.710,59 €, die Honorarkräfte im Jahr ohne Krankheitsfall erreichen müssten. Ver.dis Broschüre „Umgang mit DozentInnen….“ S. 24:“Wenn Unterricht vernünftig ablaufen soll, sind sicherlich auch nicht mehr als 25 Unterrichtsstunden/UE in der Woche drin.“ Als Pädagogin stimme ich dem mit der Betonung auf „vernünftigen Unterricht“ zu.
45 Wochen x 25 = 1.125 Unterrichtsstunden zzgl. unbezahlte Vor- und Nachbereitungszeit.
Hier ist bereits der gravierende Unterschied bzgl. Ferien zu den niedersächsischen Englisch-Lehrkräften an staatlichen Schulen, die ebenfalls nach dem GER unterrichten, zu erkennen. Von deren Gehalt ganz zu schweigen.
30.710,59 € : 1.125 UE ergeben tatsächlich 27,30 € Honorar pro UE ohne Krankheitsfall. 30 € Honorar sind knapp darüber. Aber was soll das, wenn dabei – vorausgesetzt ohne Krankheitsfall – ein Entgelt von monatlich 2.132,68 € (Bruttolohn) herauskommt!!!
Selbstständige: „Dem unternehmerischen Risiko muss immer ein entsprechend möglicher Gewinn gegenüberstehen.“ Hallo?!
Bis Sommer 2004 erhielt ich im Weiterbildungsbereich (BA-Kurse, z.B. Berufsvorbereitungslehrgänge) für 28 UE pro Woche einen Angestelltenlohn von monatlich 2800 € (brutto). Hinzu kamen Sonderzahlungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Dann wurde von der damaligen Bundesregierung (SPD/GRÜNE) der Markt für Dumping-Träger, die nur Papier vorweisen konnten, geöffnet. Wir mussten eine Absenkung unserer Gehälter von 30% hinnehmen, um in Konkurrenz bleiben zu können.
Wo gibt es Lohnforderungen geschweige denn Lohnerhöhungen von 30% im normalen ArbeitnehmerInnenbereich?
In den 90-ziger Jahren erhielt ich im DaF-Unterricht für SpätaussiedlerInnen für 28 UE pro Woche im Angestelltenverhältnis monatlich 2800 DM zzgl. Fahrtkosten plus Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Zur damaligen Zeit konnte ich meinen Lebensunterhalt davon finanzieren.
Trotz wesentlich höherer Qualitätsanforderungen bzgl. Unterricht mit BAMF-Integrationskursen ab 2005 nicht.
2500 € Bruttolohn braucht es, um nach 35 Beitragsjahren eine Rente in Höhe der Grundsicherung (676 € = Altersarmut!) zu erreichen. Mit dem Mindestlohn aus der Weiterbildung von 2.132,68 € / West unmöglich.
Integrationskurse: TV-L EG 9 letzte Stufe für BerufsanfängerInnen sowie TV-L EG 10 letzte Stufe für Berufserfahrene, wäre eine halbwegs angemessene Entlohnung. Natürlich für „Ost und West“, Nord und Süd gleich.
Weder im Beamtinnen- noch im Angestelltenverhältnis wurde ich als Lehrerin so eng reglementiert wie in Integrationskursen.
Herzliche Grüße, Roswitha
Zur Verdeutlichung der prekären Einkommenssituation noch eine Ergänzung:
45 Wochen x 25 UE = 1.125 Unterrichtsstunden zzgl. unbezahlte Vor- und Nachbereitungszeit*.
Dreisatz:
27,30 € Honorar* entsprechen umgerechnet einem monatlichen Bruttolohn von 2.132,68 €.
15 € Honorar* ab 1. Jan. 2005 bis Juli 2010 entsprechen einem monatlichen Bruttolohn von 1.171,80 € :
Die Ex-Innenminister Schäuble (2007) und de Maiziere (2010) sowie Innenminister Friedrich sprechen von einer „angemessenen Bezahlung“! Danke!
18 € Honorar* ab 1. Juli 2012 entsprechen einem monatlichen Bruttolohn von 1.406,16 €.
20 € Honorar* ab 1. Jan. 2013 entsprechen einem monatlichen Bruttolohn von 1.562,40 €. TOPP!
Immer vorausgesetzt: ohne Krankheitsfall.
Noch ein paar Zahlen und warum die Bundesregierung so wenig zahlt…:
„Zahl des Tages“* jährlich durchschnittlich 13,9 ärztlich bestätigte (bezahlte) Krankheitstage bei ArbeitnehmerInnen.
Über 55-jährige 20,6 Krankheitstage bis 25-jährige 7,2 Tage.
Da Integrationskurslehrkräfte als (Schein-)Selbstständige ihre Krankheitstage nicht bezahlt bekommen, spart die Bundesregierung/BMI/BAMF jährlich mindestens 23,63 Millionen €!
Kapitalismus pur statt sozialer Marktwirtschaft. Aber mit Eigenlob „Erfolgsgeschichte“ der jeweiligen Bundesregierung.
Berechnung: 17.000 Lehrkräfte x 13,9 K-Tage (s.o.) = 236.300 Tage =
647 Jahre (grins)
Pro Tag 5 Unterrichtsstunden (+ unbezahlte Vor- und Nachbereitungszeit) x
20 € Mindesthonorar (entspricht 9,23 € Bruttolohn ohne Umsatzsteuer)
x
236.300 Tage = 23,63 Millionen €.
* “Mindener Tageblatt“ v. 16.03.2013, Auswertung von Versichertendaten der KKH
Auch diese durchschnittlichen Krankheitstage müssten bei der Berechnung des Honorars als Faktor X einbezogen werden. Wird aber nicht.
Die SPD Düsseldorf geht gar von 46 Arbeitswochen aus!
Bei ca. 10 Feiertagen liegt die SPD damit unter dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen pro Jahr… Was ist aus ihr geworden???!
Das ver.di-Beispiel von 45 A-Wo.+ 25 Urlaubstage + ca. 10 Feiertage.
Artikel:“ Allerdings nicht der finanziellen Lage der Lehrkräfte, sondern auf eine Verbesserung der Lehrqualität.“
Weder noch, wie die Abschlussarbeit an der Hochschule Koblenz von Günter Riecke, Thema:
„Qualitätsmanagement und prekäre Beschäftigung in den Integrationskursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge“ (54 Seiten) zeigt:
Big Brother Is Watching You!
Günther Riecke (s.o.):
S. 4: (…) Mit „Qualitätsmanagement“ werden hier alle Maßnahmen gefasst, die das BAMF zur Sicherung der Qualität in den Integrationskursen durchführt – also ein staatliches Regime von Kontrolle, Begutachtung, Evaluation und Konzeption durch das BAMF. Das hat seinen Grund darin, dass das Bundesamt einem unabhängigen System von Qualitätsmanagement wenig Bedeutung zumisst und sein eigenes Qualitätsmanagement in den Vordergrund stellt.(…)
S. 24:“(…) Das ist bemerkenswert, weil es zeigt, dass das Bundesamt auch hier überkontrollierend verfährt. Wenn anspruchsvolle Qualitätsmanagement-Systeme mit ihren externen Prüfungen, Kontrollen, Audits und Zertifizierungen im Prinzip für das BAMF zu vernachlässigen sind und auf der Punkteskala nur 6% aller Zulassungsvoraussetzungen ausmachen, zeigt sich, wie groß die Vormachtstellung des Bundesamtes in Bezug auf das Qualitätsmanagement der Kurse ist. Angesichts überlegener und besserer, weil branchenspezifischer Qualtitätsmanagement-Systeme scheint das System des Bundesamts aber unterlegen, weil es kontrollierend und nicht motivierend und also nicht beteiligungsorientiert (Vormberg: 17) verfährt. Im Zentrum der Kontrollmechanismen steht die Anwesenheitsliste, die von jeder/m Teilnehmer_in eigenhändig zu unterschreiben ist;(…)“
BAMF-Anwesenheitsliste „Tägliche Signatur“, bei der die Teilnehmer_innen zu Unterrichtsbeginn und -ende, genaue Zeitangabe ihres Kommens und Gehens(!) unterschreiben und der/die Kursleiter_in per Unterschrift dies bestätigt!
„(…) Krankmeldungen, Entschuldigungsschreiben flankieren diese tägliche Erinnerung an die Anwesenheitspflicht. So wirkt dieses System deutlich, dem Paradigma staatlicher Kontrolle verhaftet.
(…) Die Zuordnung von Integrationskursen zu dem Politikfeld Innere Sicherheit mag diese Inkonsistenzen in Bezug auf die Wertung von anderen Systemen des Qualitätsmanagement erklären, ansonsten würden angemessenere Qualitätsmanagementssysteme wie das LQW stärker berücksichtigt werden. Im Vordergrund scheint eine umfassende Kontrolle als das Paradigma der sprachlichen Weiterbildung in den Integrationskursen zu stehen. (…)“
S. 6: (…) Diese Deutschsprachkurse sind im Bereich der Bildung angesiedelt, ihre Durchführung obliegt einer Behörde des deutschen Innenministeriums, dem BAMF. Dieser Aspekt sichert eine genaue Dokumentation der Unterrichtsleistungen, der Teilnahme der Lerner_innen und der Leistung der Kursleiter_innen. Statistisch erfasst werden sowohl die Bedingungen, unter denen die Kurse stattfinden und ausgewertet werden als auch die Kursergebnisse im Rahmen einer am Kursende stattfindenden Zertifikationsprüfung mit bundeseinheitlichen Standards. Die genaue Erfassung jedes Kurses, jeder/s Kursteilnehmenden und Kursleiter_in, jedes Kursraumes und jedes Trägers mitsamt seines Qualitätsmanagement-Systems und seinen Honorarvergütungen generiert im Zulassungsverfahren eine breite Datenbasis im internen System BAMF. (…)“
S. 20: (…) Die Beziehungen zwischen dem BAMF und den Trägern verläuft über Kontraktmanagement, d.h. der Steuerung der Träger durch Leistungsvereinbarungen und Entgelte. Das Verhältnis ist also das eines Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnisses (Griesehop: 57). Der/die Kursteilnehmende stellt einen Antrag auf Zulassung zu einem Integrationskurs, die Bewilligung durch das BAMF gibt ihr/ihm die Möglichkeit einen freien Träger zu wählen und der Träger erhält eine Pauschale pro Teilnehmer_in und Unterrichtsstunde vom BAMF. Der Träger führt den Integrationskurs im Auftrag des BAMF durch, es ergibt sich ein doppeltes Mandat für den Träger – ein Mandat des Trägers gilt dem Bundesamt, das Anspruch auf die ordnungsgemäße Durchführung der Kurse hat. Das andere Mandat gilt der Kundin, die beim Träger einen Integrationskurs belegt.
(…) Im SGB III (§ 84.4) haben die beauftragten Träger diese Sicherung der Qualität auch durch eine unabhängige Zertifizierung nachzuweisen (Vomberg: 40f.) In den Integrationskursen übernimmt das BAMF alle qualitätssichernden Maßnahmen in Bezug auf die Integrationskurse selbst.(..)
S. 21: (…) Das Bundesamt hat verschiedene Möglichkeiten die Qualität der Integrationskurse zu beeinflussen: Zulassung sowohl der Lehrkräfte (BAMF 2011b) als auch der Träger nach bestimmten Kriterienkatalogen (BAMF 2011a) und eine laufende Kontrolle der Durchführung der Integrationskurse anhand der Intergationskursverordnung (IntV § 20.5) sind zunächst dass konventionelle Repertoire einer Behörde; Verstöße können nach vorheriger Abmahnung durch das Bundesamt mit dem Widerruf der Zulassung sanktioniert werden (IntV § 20b.3).
Das Qualitätsmanagement des BAMF kann so im Wesentlichen als ein staatliches Kontrollregime verstanden werden. Im Mittelpunkt der staatlichen Kontrolle steht die Sanktion der Rücknahme der Zulassung des Trägers oder der Lehrkraft zu Integrationskursen; ein Anreiz für besonders erfolgreiche Träger oder Lehrkräfte existiert dagegen nicht.
Die Träger sind nur relativ frei in Bezug auf die Lehrmaterialien und -bücher, die vom BAMF zur Verwendung in Integrationskursen zugelassen sein müssen (BAMF 2013a).“
Die Lehrkräfte wiederum müssen sich i.d.R. an das vom Träger aus der BAMF-Lehrwerksliste ausgesuchte Lehrbuch halten.
„Die Größe der Kursräume und die Ausstattung mit Lernmitteln, sind im Erstantrag durch die Quadratmeterzahl erfasst (BAMF 2013b: 6).“
Die BAMF-zugelassenen Lehrkräfte hingegen dürfen nicht in ihren eigenen Räumen, mit ihren eigenen Lehrbüchern und -materialien Integrationskurse unterrichten. Sie dürfen auch nicht wie jede andere Selbstständige ihre eigene, gleichzeitige Bürokraft sein (§ 19 Abs. 2 Nr. 5 IntV (Dez. 2012) „Personelle Kapazitäten im Verwaltungsbereich“)! Das nenne ich wahre BAMF-Selbstständigkeit!
„(…) Kontrolliert werden können die Angaben durch die Regionalkoordinator_innen des Bundesamtes mit Besuchen vor Ort. (…)“
Unangekündigte BAMF-Kontrollen wohlgemerkt.
(Kursive Änderungen von mir. Wer Fragen dazu hat, bekommt eine statistische bzw. biologische Erklärung. Kursive Änderungen wurden leider nicht übernommen: Gender)
Heijei, zwar habe ich schon früh auf das Staatsmonopol der ersten 3 Sprachniveau-Stufen (A1 – A2 – B1) = IntV- Integrationskurs hingewiesen, z.B., dass für Träger und Lehrkräfte ab 01.01.2005 galt: Entweder Integrationskurse zu BAMF-Bedingungen oder kein Kurs – deswegen im Juli 2007 Klage erhoben -, aber wie rigide dieses staatliche Kontrollsystem agiert, zeigt sich deutlich durch Günther Rieckes Abschlussarbeit.
Bei den Integrationskursen geht es demnach offensichtlich nicht vorrangig um „Bildung“, wie ich sie als empathische Pädagogin verstand. Es geht um Rundum-Kontrolle der Migrant_innen zum Dumpingpreis.
Deswegen sind die Integrationskurse wohl auch nicht dem Ministerium für Bildung etc. zugeordnet, sondern dem Ministerium für Innere Sicherheit, dem BMI.
Was für ein „Erfolgsmodell“ der „Willkommenskultur“, was für eine Politk!!!
Was für eine „Integration“, auch der Träger und Lehrkräfte…ins BAMF-Kontrollsystem.
Aus der Geschichte zu lernen, bedeutet Zukunft bewahren. Mal sehen.
Meine E-Mail vom 13.05.2014 an Steffen Kampeter CDU/CSU, Bundesabgeordneter/MdB und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen:
„Sehr geehrter Herr Kampeter,
in der Sendung von Anne Will am 07.05.2014 sagten sie sinngemäß:“Das Ergebnis der Bundestagswahl zeigt doch, Leistung lohnt sich!“
Folgende Beispiele beweisen:“Leistung lohnt sich“ nicht bei derzeit ca. 17.000 IntV-Integrationskurs-Lehrkräften (hoch qualifiziert, Schäuble 2007).
Die GEW-Berechnung, Dez. 2013 ergibt, dass bei 20 € Honorar pro Unterrichtseinheit/UE mit 25 Wochenstd./Vollzeit in 45 Arbeitswochen, bei bundesdurchschnittl. 13,2 Krankheitstagen ein monatl. Nettoeinkommen/Single von maximal 990,85 € erzielt werden können.
Das entspricht dem letzten Ausbildungjahr eines Maurerlehrlings (BIBB).
Je engagierter die Lehrkraft den Unterricht unbezahlt vorbereitet, desto weniger Geld erhält sie für ihre Leistung:
25 UE + mindestens 50% unbezahlte Vor- und Nachbereitungszeit x 4,34 Wo. = 162,75 Stunden pro Monat.
Maximal 990,85 € netto : 162,75 Stunden = 6,09 € netto pro Stunde!
Bis 2005 rechnete die Bundes Agentur für Arbeit / BA: 1 UE plus 1 Stunde unbezahlte Vor- und Nachbereitungszeit.
Ergibt monatlich 217 Arbeitsstunden und pro Stunde 4,57 € netto (s.o.) bei 20 € Honorar/UE.
Je engagierter eine Lehrkraft ihren Unterricht lerngruppenspezifisch, unbezahlt vorbereitet, desto weniger Geld erhält sie. Desto weniger lohnt sich ihre Leistung!
Mit der Bitte um Stellungnahme, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Roswitha Haala“
And the answer is blowing in the wind, kam wohl deswegen (noch?) nicht an = 1. Möglichkeit.
Oder als 2. Möglichkeit, siehe oben mein Kommentar vom 23.06.2014 : Es geht nicht um (adäquat bezahlte) Unterrichtsqualität, sondern um ausufernde BAMF-Kontrolle.
Auch meine E-Mail vor den Bundestagswahlen an Bundeskanzlerin Merkel, Parole: „Leistung muss sich wieder lohnen!“, blieb unbeantwortet.
Übliche Bewahrheitungen von Politiker_innen-Ver_sprechungen vor Wahlen und in Talkshows…
Lehrkräfte sind sehr gefragt. Zur Zeit gehen auch Suchaufrufe im Radio durch, als auch Anzeigen im Internet. Arbeiten als Lehrkraft finde ich toll. Allerdings sind die Ansprüche an das Unterrichtsmaterial relativ niedrig. Da fehlt mir ein Wenig der Anspruch. Danke für die Inspiration!