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Buchtipp zum Wochenende

Schluss mit der Deutschenfeindlichkeit

Siebzehn deutsche Schriftsteller erzählen von ihren Erfahrungen in einem Land, das sie Heimat nennen. Sie heißen Ljubic, Bánk, Müller, Gorelik, Barbetta oder Özdogan. Sie sind Deutsche, aber man nennt sie »Deutsche mit Migrationshintergrund«. Hier äußern sie sich zur Debatte über Heimat, Herkunft und ihre Identität. Hier das Vorwort:

Von Nicol Ljubić Freitag, 18.01.2013, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.03.2013, 12:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Ich erlebe es immer wieder. Seit Jahren. Mein Gegenüber fragt nach meinem Namen. Ich stelle mich vor, und er sagt: »Sie sind aber nicht von hier, oder? Der Name klingt so nach Balkan.« Ich sage, dass ich in Zagreb geboren wurde, und er sagt: »Sie sprechen ja aber akzentfrei Deutsch!« Er ist darüber sichtlich erstaunt. Auch ich bin dann jedes Mal erstaunt, weil ich denke: Ja, warum denn nicht? Seit ich Bücher veröffentliche, werde ich nach Lesungen manchmal gefragt, ob ich diese Bücher selbst schreibe oder ob mir dabei jemand helfe.

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Ich schreibe selbst. Und Deutsch ist leider die einzige Sprache, die ich akzentfrei spreche und so gut wie fehlerfrei schreibe. Ich habe vom ersten Tag meines Lebens an die deutsche Staatsbürgerschaft Als Kind habe ich unter meinem Vornamen gelitten. Ich heiße Nicol und musste jedes Mal erklären, warum ich kein Mädchen bin.

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Zum dreizehnten Geburtstag habe ich mir eine Namensänderung gewünscht. Ich wollte Pierre heißen, ich war damals Fan von Pierre Littbarski. Als ich älter wurde, musste ich dann zunehmend den anderen Teil meines Namens erklären. Lubisch? Lubitsch? Ljubic? Woher kommt der Name? Seit wann bist du in Deutschland? Wieso kannst du so gut Deutsch? Ich selbst bin immer wieder überrascht, wenn andere mit meinem Namen eine nicht deutsche Herkunft verbinden, weil ich selbst jahrelang darüber nicht nachgedacht hatte.

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Erst mit den Debatten über Migration und die Art, wie sie geführt werden, bekam der nicht deutsche Teil in mir eine Bedeutung, die er zuvor für mich nie hatte. Dass ein Mann mit meinem Namen akzentfrei deutsch spricht und auch noch Bücher schreibt, scheint viele nach wie vor zu irritieren. Sie bezeichnen Menschen wie mich als: Deutsche mit Migrationshintergrund. Und von denen gibt es ziemlich viele im Land: fast neun Millionen. Gewöhnt aber hat sich das Land offenbar noch nicht an sie.

Das zeigen die alltäglichen Erfahrungen, über die siebzehn Autoren in diesem Buch schreiben, aber auch die wiederkehrenden Debatten über die deutsche Leitkultur, die wiederkehrende Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei oder nicht und jüngst die große Zustimmung zu einem Buch mit dem Titel Deutschland schafft sich ab. Die Debatte war nicht neu, die Emotionalität aber, mit der sie geführt wurde, hat nicht nur mich erschreckt. Sie wurde ohne Rücksicht geführt auf all die Menschen, die längst in diesem Land ihre Heimat gefunden haben, auch wenn sie selbst oder ein Teil ihrer Vorfahren nicht hier geboren wurden.

In diesem Buch kommen einige von ihnen zu Wort. Es sind Geschichten von deutschen Autoren, die doch immer wieder mit ihrer Biographie konfrontiert werden, weil sie Namen haben, die mit einem ungewöhnlichen Akzentzeichen geschrieben werden, weil ihr Gott »Bog« heißt, weil sie dunkelhäutig sind, weil sie in Polen geboren wurden, weil sietrotzihrer deutschen Mutter keine deutsche Staatsbürgerschaft bekommen, weil sie schreiben und nicht rappen oder weil sie im Osten dieses Landes groß geworden sind. Es sind Geschichten aus unserer Heimat. Aktuell Feuilleton

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  1. Lothar Schmidt sagt:

    „Ich erlebe es immer wieder. Seit Jahren. Mein Gegenüber fragt nach meinem Namen. Ich stelle mich vor, und er sagt: »Sie sind aber nicht von hier, oder?“

    Was würden Sie denn erwarten? Oder was genau ist für Sie daran ungewöhnlich? Und warum kränkt es Sie, wenn man Ihre ausländische Herkunft anspricht? Damit scheinen ja viele Migranten ein Problem zu haben. Auf der einen Seite werden sie nicht müde, darauf zu pochen, dass sie eigentlich Türken sind, auf der anderen Seite beschweren Sie sich, dass sie nicht als Deutsche wahrgenommen werden. In Ihrem Fall ist das allerdings etwas anderes. Das Problem verstehe ich dennoch nicht.

    „von hier“ bedeutet ja nicht, zufällig in Deutschland geboren. „von hier“ muss man eher verstehen als, schon seit Generationen hier verwurzelt. Sie sind in Zagreb geboren, ihre ganze Verwandschaft vermutlich kroatisch, Ihre Denkweise ebenso geprägt. Streng genommen sind Sie also nicht „von hier“. Was nichts schlechtes ist. Ich habe viele kroatische und bosnische Freunde. Mir gefälllt deren Kultur, ich wäre stolz drauf.

  2. schwesteringeborg sagt:

    Wir alten Deutschen, wer wir sind und was wir mit unseren blöden Fragen bezwecken wollen.

    So ein Zufall, auch habe mich erst letzte Woche wieder fragen lassen müssen, woher ich denn eigentlich komme, wegen eines Akzents, der verrät, dass meine Wiege in einem anderen Teil Deutschlands stand. Manchmal beneide ich beneide alle, die akzentfrei sprechen können.

    Andrerseits gehört dieses ständige Nachfragen nach der ursprünglichen Herkunft gehört zu Deutschland, wie die Palmen zur südsee.
    Es offenbart, wie lange Deutschland in unzählige Kleinstaaten zersplittert war und wie sehr sich die Mehrheit der Deutschen noch als Teil eines Teilvolks verstehen.

    Die Frage nach der geografischen Herkunft ist daher nicht diskriminierend, sondern so geläufig wie die Frage, ob man eine gute Anfahrt gehabt hat. Man zeigt dem Gegenüber Aufmerksamkeit und überbrückt die Verlegenheit des ersten Kennenlernens.

    Aber jetzt mal Hand aufs Herz, da wir Deutschen inzwischen ja aus aller Herren Länder stammen, ist es Ihnen selbst noch nie passiert, einem Mitmenschen mit einem ungewöhnlichem Namen oder Akzent diese ungehörige Frage zu stellen?

  3. schwesteringeborg sagt:

    PS:
    Ich beneide wirklich alle, die akzentfrei sprechen und vor allem fehlerfrei schreiben können.

  4. Lothar Schmidt sagt:

    „Die Frage nach der geografischen Herkunft ist daher nicht diskriminierend, sondern so geläufig wie die Frage, ob man eine gute Anfahrt gehabt hat. Man zeigt dem Gegenüber Aufmerksamkeit und überbrückt die Verlegenheit des ersten Kennenlernens.“

    Richtig, vollkommen richtig. Aber auch in anderen Ländern ist es doch das völlig gleiche. Leider haben einige Migranten, vor allem unsere türkisch-arabischen Freunde, ein sehr dünnes Fell in dieser Beziehung. Sie fühlen sich gleich diskriminiert und denken, man will ihnen was böses. Als ob man in Anatolien nicht gefragt wird, wo man herkommt und wer man ist.

    Also, alles halb so schlimm, liebe Leute.
    Gott zum Gruße

  5. Pol sagt:

    Also die Frage nach der Herkunft ist bei den Deutschen Standard und gilt, so wie von Lothar Schmidt beschrieben, als Eisbrecher. Wenn der Gegenüber natürlich aus einem Land kommt für das er sich schämt, dann ist man in ein Fettnäppfchen getreten. Und sorry, Menschen mit dunklem Hauttyp, Haaren und Augen kommen nun mal ursprünglich nicht aus Deutschland, sondern müssen eingewandert sein. Und wenn man selbst nicht eingewandert ist, dann kann man ja erzählen dass die Eltern oder Grosselter eingewandert sind und gut is! Es geht doch schlussendlich nur um Konversation.

  6. Yilmaz sagt:

    Die Diskussion ist unnötig denn wenn noch nicht einmal
    die alten Deutschen sich einig sind in ihrem Sprachgebrauch, wie
    können es denn die neuen sein?
    Es müssen noch 500 Jahre vergehen. Man wechselt seine Nation
    nicht von heute auf morgen.
    Naive verlogene Gesamtwelt!

  7. Sinan A. sagt:

    Sympathische Autoren,
    vielversprechender Text
    und ein lustiger Umschlag noch dazu.

    Buch ist gekauft.

  8. Deutsch-Libanesische-Polin sagt:

    Herr Ljubic, Sie sprechen mir aus der Seele. Auch ich bin deutsche Staatsbürgerin mit Migrationshintergrund, ein Umstand der mir erst vor ca. zehn Jahren bewusst wurde.

    Ich habe sowohl in der Uni als auch auf der Arbeit mit vielen Vorurteilen und subtilen Mechanismen der Ausgrenzung zu tun gehabt.
    Das Problem ist nicht, dass ich nach meiner geographischen Herkunft gefragt werde, sondern das Problem liegt im Nichtgesehenwerden als die Person, die man ist.

    Ich denke, dass das, was hier nicht verstanden wird, die Natürlichkeit im eignen Selbst ist: Ich bin deutsche Staatsbürgerin mit polnisch-libanesischen Migrationshintergrund und das ist für mich das Natürlichste auf der ganzen Welt. Und diese Natürlichkeit meines Seins wird gestört durch die Anderen, für die das nicht natürlich ist und meinen, mich nun mit Samthandschuhen oder ganz im Gegenteil mit der Vorurteilskeule anfassen zu müssen. Beides vermittelt mir das Gefühl, anders zu sein und deswegen anders behandelt zu werden.

    Ich fühle mich nicht ausgegrenzt durch das Interesse an den Herkunftsländern meiner Eltern, sondern am anders behandelt und betrachtet werden der Menschen, mit denen ich zusammenlebe und arbeite.

    Es geht so ein wenig in diese Richtung:
    Haben Sie es etwa schon erlebt, dass deutsche Kinder gelobt werden, wenn sie deutsch sprechen können oder als „nicht integriert“ bezeichnet werden, wenn sie es nicht so gut können?

  9. aloo masala sagt:

    Fragt man mich bei Behörden oder anderen Institutionen nach meinem Namen, antworte ich Aloo Masala. Die Bediensteten sind hoffnungslos überfordert und bitten mich zu buchstabieren. Ich buchstabiere A – L – O – O M – A – S – A – L – A. Das dauert und ich muss dabei gelegentlich korrigieren, weil Aussprache des Namens und Schrift unterschiedlich sind.

    Nach langer Zeit besuchte ich wieder mal Indien. Man fragte mich nach meinen Namen. Aloo Masala. Der Beamte notierte und ich wartete bis ich buchstabieren durfte. Er nickte und ich durfte gehen. Das ist, womit ich nicht mehr klar komme.

  10. aloo masala sagt:

    Ich würde auch gerne fragen, woher ein Mensch kommt. Wegen der ganzen Verkrampfung, weil eine Reihe von meinesgleichen das als Affront auffassen oder unnötig zu einem Thema aufblasen, frage ich natürlich nicht mehr. Finde ich sehr schade, muss ich aber wohl respektieren.